Das deutsche Hochschulsystem hat in den letzten Jahren tiefgreifende Veränderungen erfahren. Viele dieser Veränderungen wurden durch den Bologna-Prozess angestoßen. Mit der Umsetzung der Bologna-Reformen wächst die Relevanz von Studien, die Hochschulsysteme international vergleichend analysieren. Durch den internationalen Vergleich wird deutlich, in welchen Bereichen das deutsche Hochschulsystem vor Herausforderungen steht. Daneben bietet die Beschreibung der Situation in anderen Ländern Denkanstöße für die erfolgreiche Weiterführung der Reformen in Deutschland. Aus dem nun vorgelegten Bericht wurden fünf Beispiele für solche Denkanstöße für Deutschland abgeleitet:
Zum Hochschulzugang
- Im internationalen Vergleich nimmt in Deutschland ein relativ großer Teil der Studierenden erst 12 oder mehr Monate nach Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung ein Studium auf. Zukünftig wird ein Teil der Studierenden diese Zeitspanne wegen der Aussetzung des Wehr(ersatz)dienstes verkürzen können. Daneben kann aber auch eine gegenläufige Tendenz einsetzen, wenn im Rahmen des Lebenslangen Lernens mehr Studierende aus derzeit noch unterrepräsentierten Gruppen zu einem Studium motiviert werden können, denn diese Gruppen haben häufig einen verzögerten Übergang ins Studium.
Zum Studium in Bachelor und Master
- In vielen EUROSTUDENT-Ländern sind Studierende aus sogenannten bildungsfernen Schichten an den Hochschulen unterrepräsentiert. Deutschland ist hier keine Ausnahme. Es zeigt sich allerdings, dass in Deutschland Studierende aus diesen Schichten vergleichsweise stark in Bachelor-Programmen vertreten sind. Es kann vermutet werden, dass der Anteil von Studierenden aus bildungsfernen Schichten zukünftig weiter steigen wird. Dies kann als Hinweis auf einsetzende positive Effekte der Bologna-Reform in diesem Bereich betrachtet werden.
- Für nur 49 % aller Studierenden in Deutschland hat das Studium einen höheren Stellenwert als andere Aktivitäten, wie z. B. Erwerbstätigkeit oder Familie. Dies ist im Vergleich der EUROSTUDENT-Länder ein eher geringer Wert. Allerdings gibt gleichzeitig nur ein kleiner Teil (5 %) der deutschen Studierenden an, dass das Studium einen geringeren Stellenwert als andere Aktivitäten hat. Die Tatsache, dass das Studium keinen höheren Stellenwert als andere Aktivitäten besitzt, bedeutet allerdings nicht notwendigerweise, dass dieses nicht mit Erfolg absolviert würde. Vielmehr kann diese Einschätzung Ausdruck dafür sein, dass Studierende versuchen, z. B. Familie und Erwerbstätigkeit mit dem Studium in Einklang zu bringen, was insbesondere auf ältere Studierende zutrifft.
Zur Einkommensverteilung zwischen den Studierenden
- Die deutschen Studierenden unterscheiden sich nur relativ wenig bezüglich der Höhe ihrer Gesamteinnahmen pro Monat. Damit gehört Deutschland zusammen mit den Niederlanden und Dänemark einer Ländergruppe an, in der die Einkünfte von vergleichsweise armen und reichen Studierenden nicht weit auseinander liegen. In den Niederlanden und Dänemark bekommen Studierende anteilig umfangreiche staatliche Förderung, während ihre Kommiliton(inn)en in Deutschland einen höheren Anteil ihres Budgets durch die Unterstützung ihrer Familien erhalten (die dafür z. T. wiederum öffentliche Leistungen bekommen). Es ist allerdings zu vermuten, dass die Öffnung der Hochschulen dazu führen wird, dass zunehmend ältere Studierende ein Studium aufnehmen, die in geringerem Maße von Elternbeiträgen profitieren. Dies könnte zukünftig eine größere finanzielle Heterogenität der Studierenden zur Folge haben.
Zu Auslandsaufenthalten während des Studiums
- 9 % aller Studierenden in Deutschland haben zum Befragungszeitpunkt zeitweise ein Auslandsstudium absolviert, womit Deutschland im Mittelfeld der EUROSTUDENT-Länder liegt. Im Hinblick auf das Absolvieren von Auslandspraktika weisen Studierende aus Deutschland allerdings den dritthöchsten Wert auf. Deutsche Studierende sammeln damit deutlich häufiger internationale Arbeitsmarkterfahrungen als ihre Kommiliton(inn)en aus anderen Ländern. Von deutschen Studierenden wird relativ häufig der befürchtete Zeitverlust als Argument gegen ein Auslandsstudium angeführt. Dagegen ist in Deutschland der Zugang zu Informationen über Auslandsaufenthalte verglichen mit anderen Ländern kein wesentliches Problem, was auf eine erfolgreiche Informationspolitik hinweist.
Der Bericht „Soziale und wirtschaftliche Bedingungen des Studiums – Deutschland im europäischen Vergleich“ wurde mit Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) (Förderungsbescheid Nr. M 1672.02) durch das HIS-Institut für Hochschulforschung (HIS-HF) erstellt. Das HIS-Institut für Hochschulforschung ist Teil der HIS Hochschul-Informations-System GmbH.
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