Zu den fortschrittlichen Produktionsverfahren, besser bekannt unter dem englischen Namen "Advanced Manufacturing", gehören so unterschiedliche Dinge wie die Verwendung von neuen Materialien z. B. besonders leichtgewichtigen Materialien für den Flugzeugbau, der 3D- und 4D-Druck, die Robotik, die Künstliche Intelligenz oder Hochleistungscomputer. Was sie gemeinsam haben, ist die Verwendung innovativer Technologien und Methoden, die zu neuen oder substanziell verbesserten Produkten führen oder die Produktionseffizienz verbessern. Und sie alle stehen vor zwei zentralen Herausforderungen, nämlich der Digitalisierung und der sozialen wie ökologischen Nachhaltigkeit. Die EU-Kommission zählt "Advanced Manufacturing" zu den sechs Schlüsseltechnologien mit besonders hohem Zukunftspotenzial, wobei es zahlreiche Überschneidungen zu den fünf anderen Schlüsseltechnologien gibt (Neue Materialien/Nanotechnologie, Photonik/Mikro- und Nanoelektronik, Technologien der Lebenswissenschaften, Künstliche Intelligenz; digitale Sicherheit und Konnektivität).
Harald Bosse, Leiter der PTB-Abteilung Fertigungsmesstechnik und kommissarischer Koordinator des neuen Netzwerks, erklärt:
"So groß und vielfältig das Feld des Advanced Manufacturing ist – überall spielen messtechnische Fragestellungen eine entscheidende Rolle. Denn überall gilt: Ohne innovative und rückgeführte Messgeräte und anerkannte Standards können Sie keine Produktqualität entsprechend der festgelegten Spezifikationen garantieren – eine unbedingt notwendige Voraussetzung für die Realisierung komplexer Fertigungsketten. Das war schon immer so; die Metrologie als Wissenschaft vom genauen Messen existiert schon seit mehr als 130 Jahren und war von Anfang an stets eng mit der Industrie verbunden. Aber gerade durch die Digitalisierung und das Internet der Dinge kommen eine Menge neuer Anforderungen auf die Messtechnikexperten zu, die es auch alle zu koordinieren gilt."
Zwar wurden in den letzten Jahren in diversen Forschungsprojekten aktuelle metrologische Anforderungen ermittelt (unter anderem von der EU und von EURAMET). Doch bislang fehlt die große Klammer. EURAMETs neues Europäische Metrologienetzwerk (EMN) arbeitet intensiv daran, das volle Potenzial von Advanced Manufacturing mithilfe von verbesserter Messtechnik auszuschöpfen. Ganz entscheidend wird dabei ein stetiger konstruktiver Dialog zwischen den diversen Beteiligten in den verschiedenen Industriezweigen, der Europäischen Kommission, den Forschungs- und Standardisierungsorganisationen sowie den Metrologieinstituten in ganz Europa sein. Auf der Basis einer gezielten Suche nach existierenden Lücken in der Messtechnik-Infrastruktur soll eine strategische Forschungsagenda und ein Plan für eine gemeinsame nachhaltige europäische Messtechnik-Infrastruktur entwickelt werden. Auch Tagungen, Seminare, Workshops und diverse Fort- und Weiterbildungsprogramme gehören zu dem großen Paket an Maßnahmen, das insgesamt den Wissensfluss zwischen allen Beteiligten deutlich erhöhen soll. All dies soll direkt in innovative industrielle Entwicklungen münden. Damit soll nicht zuletzt die Stellung der europäischen Herstellerfirmen im immer härter werdenden internationalen Wettbewerb gestärkt werden.
Das EMN für Advanced Manufacturing fügt sich in die Reihe bestehender Metrologienetzwerke ein, die EURAMET in den letzten drei Jahren auf die Beine gestellt hat. Aktuell sind es neun Netzwerke, die auf ihrem jeweiligen Gebiet den europäischen und globalen Metrologiebedarf analysieren und koordiniert angehen wollen. Die jeweiligen Mitgliedsinstitute formulieren gemeinsame Strategien zu Forschung, Infrastruktur, Wissenstransfer und Dienstleistungen. Die Mitglieder verpflichten sich, einen Beitrag zum Netzwerk zu leisten und dabei zu helfen, nachhaltige Strukturen zu schaffen, die von Anfang an strategisch geplant sind. Dabei streben die EMNs danach, eine zentrale Anlaufstelle in Europa zu werden. Das Ziel ist, eine langfristige Infrastruktur aufzubauen, in der aus Industrie, Standardisierung und Politik der aktuelle Bedarf zu diesem Thema gesammelt wird. Das europäische Netzwerk unterstützt dabei die Koordinierung von Fachwissen, um die vorhandenen Ressourcen besser zu nutzen.