Die Abgeordneten André Schneider (UMP) und Philippe Tourtelier (PS) sind als Berichterstatter des „Rapport d‘ information“ des Europa-Ausschusses der Auffassung, dass es sich bei den Folgen des Klimawandels für die nationale Sicherheit um ein Anliegen handelt, mit dem sich die verantwortlichen staatlichen Stellen schleunigst befassen müssten. Die ganze Debatte liege zur Zeit noch fast ausschließlich in den Händen der Wissenschaftler.
In den USA sei die Klimaerwärmung – im Gegensatz zu Frankreich und Europa – nicht nur eine Umweltfrage, sondern sie werde dort auch als ein äußerst wichtiges strategisches Problem angesehen.
Die beiden Berichterstatter des Europaausschusses der Nationalversammlung beleuchten im Ersten Teil ihres Berichts ein ganzes Bündel Risiken unter den Gesichtspunkten der physischen, der sozio-politischen und der geopolitischen Folgen des Klimawandels. Sie gehen weiter auf die regionalen Auswirkungen und die Zonen von strategischem Interesse für die Europäische Union unter dem Aspekt des Klimawandels ein.
Unter den physischen Folgen des Klimawandels behandelt der Bericht:
- die Erhöhung des mittleren Niveaus der Ozeane
- das Abschmelzen der Gletscher
- die Änderung der atmosphärischen Niederschläge
- das Risiko von Überschwemmungen
- den Einfluss auf die Artenvielfalt
- das Risiko von Epidemien
- die häufigeren extremen Wetterereignisse.
Für die Berichterstatter zählen zu den sozio-politischen Folgen des Klimawandels:
- die Unsicherheit der Mittel für die Existenzsicherung (der demographische Faktor; die Verknappung der Ernährungsgrundlage / die Böden, das Meer)
- der Feuchtigkeitsstress /“stress hydrique“ (insbesondere in Afrika)
- der Energiestress
- das Entwicklungsniveau.
Unter den geopolitischen Folgen des Klimawandels behandelt der Bericht:
- die als Folge des Klimawandels ausgelösten Wanderungsbewegungen
- den Wettstreit um die natürlichen Ressourcen.
In einem besonderen Unterabschnitt wird das Risiko einer Vervielfachung potenzieller Konflikte analysiert; ihm folgen ein Abschnitt III A) über die regionalen Auswirkungen des Klimawandels nach Sektoren (Europa, Afrika, Asien, Naher und Mittlerer Orient, der amerikanische Kontinent, der Pazifik) und die Folgen des Klimawandels in den Zonen, die für die Europäischen Union von strategischem Interesse sind.
In seinem Zweiten Teil (Seite 49 – 60) behandelt der Bericht die Anpassung der verschiedenen Funktionen der nationalen Verteidigung an den Klimawandel.
Er tut dies unter folgenden Gesichtspunkten:
- die präventive Funktion (A)
- die Schutzfunktion (B)
- die Funktion der militärischen Intervention (C)
- die Abschreckungsfunktion (D)
Um auf diese Entwicklungen vorbereitet zu sein, müsse – so der Bericht des Europaausschusses der Nationalversammlung – die Verteidigungspolitik vorrangig die Folgen des Klimawandels für ihren Geschäftsbereich antizipieren, ob es sich um den Zugang zu bestimmten Ressourcen oder die Funktionsfähigkeit der für die nationale Verteidigung notwendigen Einrichtungen und Infrastrukturen handele. So könnten als Folge der Erhöhung des Meeresniveaus Hafenanlagen in erheblichem Umfang gestört werden. Die Änderungen des Klimas wirkten sich auch auf die Leistungsfähigkeit militärischen Geräts und militärischer Systeme aus, insbesondere auf das Funktionieren von Radaranlagen.
Die Autoren des Berichts halten es insbesondere für erforderlich, eine Strategie des Umgangs mit Risiken auf den Weg zu bringen (Dritter Teil Abschnitt II des Berichts). Ausgehend von der Spitzenstellung, die die USA in dieser Frage einnehmen, und der Vorreiterrolle von Großbritannien unter den europäischen Staaten analysieren die Berichtsautoren kritisch die jedenfalls bisher eher zurückhaltende Einstellung des französischen Verteidigungsministeriums. Sie erkennen an, dass diesem zwar die Notwendigkeit einer Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen bewusst sei, das Ministerium scheine aber bisher noch nicht die Problematik des Klimawandels und der nationalen Sicherheit in allen seinen Dimensionen berücksichtigt zu haben. In der abschließenden Behandlung des Berichts durch den Europaausschuss der Nationalversammlung am 28.2.2012 bezeichnete André Schneider als Berichterstatter die verantwortlichen staatlichen Stellen als „la grande muette“; auch wenn das Verteidigungsministerium bisher nicht inaktiv gewesen sei, hätte es in den Kontakten der Berichterstatter, die diese insbesondere im Ausland gehabt hätten, nicht dieselbe Kommunikationsfähigkeit mit den anderen betroffenen Akteuren (Politiker, Wissenschaftler, unabhängige Sachverständige, Militärs) gezeigt wie dies beispielsweise in den USA der Fall sei.
Was die Behandlung der Frage der Folgen des Klimawandels für die Sicherheits- und Verteidigungspolitik auf internationaler Ebene betrifft, zeigt der Bericht die konzeptionellen Ansätze auf UN-Ebene, der NATO und der EU auf. Seine Autoren unternehmen es, die operationalen Aufgaben der EU zu konkretisieren („passer de la simple prise de conscience à la véritable définition d‘un enjeu collectif“).
Die Debatte liege alllerdings noch weitgehend in den Händen der Wissenschaftler. Die „Welt von morgen“ zu antizipieren und zu planen falle aber in den Verantwortungsbereich des Politikers.
Aus dem Bericht des Europaausschusses der Nationalversammlung ist zu folgern, dass nur mittels eines permanenten institutionell gefestigten Dialogs der auf dem Gebiet der Klimafolgenforschung tätigen Wissenschaftler und den politischen Instanzen auf nationaler und europäischer Ebene die zu lösenden Aufgaben in den Griff zu bekommen sind.
Le Figaro vom 29.2.2012 (Sciences) befasst sich ausführlich unter der Überschrift „Défense: le changement climatique sous-estimé“ mit dem Bericht. Der Artikel trägt den Untertitel „ Gemäß dem Parlamentsbericht könnte die Erwärmung des Klimas die geostrategischen Gleichgewichte des Planeten verändern“.