Premierminister Fillon hatte mit dem Schreiben vom 20.11.2009 seine ehemalige Kulturministerin Christine Albanel beauftragt, bis zum 1.4.2010 nach Kontakt mit den anderen EU-Ländern Empfehlungen zu entwickeln, wie die einschlägigen europäischen Ressourcen gegenüber Google und anderen außereuropäischen Unternehmen (Amazon, Apple) wirksam zur Geltung gebracht werden können.
Wegen der Einbindung der ehemaligen Kulturministerin in das Projekt Europeana während der französischen EU-Ratspräsidentschaft (2. Halbjahr 2008) hielt Fillon sie für die geeignetste französische Persönlichkeit, um - auch unter Einschaltung der französischen Botschaften vor Ort - die Aufgabe zu übernehmen, die EU-Kommission und die für Kultur und Urheberrechte verantwortlichen Minister der EU-Mitgliedstaaten für die französischen Vorstellungen zu sensibilisieren. Diese bestehen - so der Premierminister - in der
- Verwirklichung einer Politik der Digitalisierung seitens des Staates u.a. durch Einbringung der kulturellen Bestände der Bibliotheken an einschlägigem Schriftgut in diese Politk.
Die hiermit zusammenhängenden Fragen wurden weitgehend bereits von oben erwähnten Tessier-Bericht behandelt. - Heranführung des Verlagssektors an den Kampf gegen die Inhalte-Piraterie; Ausschöpfung auch von Seiten der Verleger der durch die "Loi Hadopi" geschaffenen Schutzmechanismen in demselben Umfang, wie dies hinsichtlich der Dateien musikalischer und cinematographischer Werke schon der Fall sei;
- beschleunigten Entwicklung eines für alle Beteiligten - einschließlich der Leser - attraktiven "legalen digitalen Internet-Angebots" unter Einbeziehung sowohl bereits zum nationalen Kulturgut gehörender Werke als auch Werke jüngeren Datums.
Christine Albanel stellt ihrem Bericht die Feststellung voran, dass sich im Bereich des geschriebenen Wortes eine Analogie mit dem Sektor musikalischer Werke aufdränge. Von vornherein bezieht sie in ihre Gedankenführung Lehrbücher und wissenschaftliche Abhandlungen ein. Sie versteht die ihr von Premierminister übertragene Aufgabe unter folgenden Gesichtspunkten: "enjeu démocratique", "projet culturel" und "projet économique". Sie setzt sich mit der Befürchtung der Verleger auseinander, dass sie als Folge der Digitalisierung in gleichem Umfang einer Piraterie ausgesetzt sein würden, wie das bei musikalischen Werken und bei Spielfilmen der Fall gewesen sei.
Ausgehend von dem, von der "Bibliothèque Nationale de France" (BNF) gesteuerten, Projekt Gallica unternimmt es Chrisitine Albanel, die Rolle der öffentlichen Hand bei der Digitalisierung gedruckten Schriftgutes - unter Hinweis auf die dieser Aufgabe aus der "Großen Staatsanleihe" zufließenden ganz erheblichen Mittel - unter folgenden Aspekten zu präzisieren:
- Definition des rechtlichen und steuerrechtlichen Rahmens, der für die Entwicklung des "digitalen Buches" am geeignetsten ist (A)
- Darüber wachen, dass niemand, insbesondere die kleinen Verlage und die Buchhandlungen, am Wegrand der Digitalisierung zurückbleibt (B)
- Schaffung eines gemeinsamen Eingangsportals, dem sie den Arbeitstitel " Nouveau Gallica" gibt. Es solle von den staatlichen und privaten Akteuren des Sektors gemeinsam getragen und zum Schaufenster des gesamten französischen digitalen Angebots werden (C)
- Sich zum Sprecher einer anspruchsvollen gemeinsamen europäischen Politik des digitalen Buches machen (D)
- Das private Angebot ermutigen, sich zusammenzuschließen und sich mit den Mitteln seiner Weiterentwicklung auszustatten (E).
zu A: Christine Albanel spricht sich für einen einheitlichen Preis (Preisbindung) eines digitalen Buches aus. Die Verleger müssten die Gewissheit haben, dass ihnen das Recht zusteht, den Preis eines digitalen Buches zu bestimmen.
Sie befürwortet einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz für das digitale Buch.
zu B: Christine Albanel empfiehlt, die bisher hauptsächlch der BNF zugeflossenen Mittel des "Conseil national du Livre" (CNL) künftig für einschlägige Projekte der Verlegerseite einzusetzen.
zu C: Christine Albanel plädiert für eine "Gallica de nouvelle génération" im Dienste des allgemeinen Publikums sowie der Wissenschaftler und Forscher.
Hierzu schlägt sie eine "Vereinigung wirtschaftlichen Interesses" (GIE) als eine alle öffentlichrechtlichen und privaten Akteure zusammenführende Dachstruktur vor, deren Aufgaben sie im Einzelnen beschreibt.
zu D: Christine Albanel weist auf das "Comité des sages" hin, das die EU-Kommission berufen will, um aus Sicht der Gemeinschaft Vorschläge zu den verschiedenen Problemen der Digitalisierung der einzelstaatlichen Buchbestände zu formulieren
Sie macht auf den fortgeschrittenen Stand der "Deutschen Digitalen Bibliothek" aufmerksam.
Sie hält den Zeitpunkt für günstig, von Seiten Frankreichs auf europäischer Ebene, den Vorschlag eines ermäßigten Umsatzsteuersatzes für digitale Bücher einzubringen.
Sie hält den Zeitpunkt für gekommen, dem Projekt Europeana im echten Sinne zu seiner Verwirklichung zu verhelfen. Dazu sei allerdings vor allem von Seiten der EU-Kommission eine direkte und ins Gewicht fallende Unterstützung erforderlich.
zu E: Christine Albanel stellt den Vorteil einer einheitlichen privaten französischen Plattform und die Schritte dar, die sie für die Erreichung dieses Ziels - trotz der bisherigen Zurückhaltung der Verlegerseite - für erforderlich hält.