Die Medica 2010 schließt ab mit neuen Rekorden: vor über 137.000 Medizinexperten aus rund 110 Ländern präsentierten sich vom 17. – 20. November Aussteller aus fast 70 Ländern auf der weltweit größten Medizintechnikmesse in Düsseldorf. Auf der Medica konnte sich das Fachpublikum umfassend und in diesem Jahr besonders interdisziplinär über Marktentwicklungen im Gesundheitswesen informieren. Auch das Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter, das Ministerium für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr und das Ministerium für Innovation, Wissenschaft, und Forschung des Landes NRW präsentierte auf einem großen Gemeinschaftsstand 52 Unternehmen, Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Institute, Initiativen und Verbände aus Nordrhein-Westfalen. Vertreten waren unter anderem das Forschungszentrum Jülich, die Gesundheitsregionen Köln/Bonn und Aachen, die Ruhr-Universität Bochum und viele weitere mehr.
Vielversprechende Innovationen bei Diagnostik und Therapien
Der politische Besuch aus Berlin, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler, zeigte sich bei einem Messerundgang von der Innovationskraft der Gesundheitsbranche beeindruckt. "Die Medica ist ein eindrucksvolles Schaufenster der Gesundheitswirtschaft. An Autos, an Maschinenbau, an Chemie denkt jeder, aber dass wir auch einen so führenden Platz in der Gesundheitswirtschaft haben, ist noch nicht überall bekannt. Vor dem Hintergrund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und der demografischen Entwicklung ist es wichtig, dass diese Branche in den Mittelpunkt gestellt wird", erklärte Bundeskanzlerin Merkel in ihrer Rede.
Das nordrhein-westfälische Biotechnologie-Cluster BIO.NRW führte mit Beteiligung weiterer Cluster in diesem Jahr erstmalig auf der Medica das interdisziplinäre und cross-innovative Forum “Trends in innovative technologies for the medicine of the future” durch. Auf der Galerie des Gemeinschaftsstandes der drei Landesministerien stellten namhafte Referenten aus Unternehmen und Forschungseinrichtungen vor rund 60 Zuhörern und Zuhörerinnen verschiedene neue, gerade in der Anwendung befindliche, aber auch zukünftige Technologien vor. Moderiert wurde die Vortragsveranstaltung mit anschließender Podiumsdiskussion aller Referenten von Landesclustermanager für Biotechnologie Dr. Bernward Garthoff.
So stellte Dr. Dirk Balshüsemann von dem Unternehmen Miltenyi Biotec aussichtsreiche Methoden zur Zellseparation vor. Stand in Vergangenheit vor allem die Zelldiagnostik im Vordergrund, so nimmt jetzt das Feld der therapeutischen Anwendungen an Belang zu. Durch die Isolation, Anreicherung und anschließende Applikation spezifischer Stammzellen wird der Weg Richtung „Regenerative Medizin“ beschritten. Erste Versuche im Bereich der Leber-Regeneration, sowie zur Behandlung von Herz- und peripheren Gefäßerkrankungen wurden bereits gestartet. Das technische Ziel der Zukunft ist die vollautomatische Prozessierung der Zelltherapie bis zur Anwendung direkt am Patientenbett. Mit Hilfe der vollautomatischen Prozessierung in einem geschlossenen Kreislauf wird zum Beispiel das Risiko der Kontamination von Stammzellen ausgeschlossen, zudem minimiert sich die Zeit für den gesamten Prozess deutlich, ein Fortschritt der in erster Linie dem Patienten nutzen soll.
Prof. Dr. Meyer, Direktor der Protein Research Unit Ruhr within Europe (PURE) ging in seinem Vortrag auf die proteinbasierte Diagnostik in der Onkologie ein. Am Beispiel des Pankreas-Karzinoms, was auf Grund seiner überaus schlechten Prognose dringend früh diagnostiziert werden muss, stellte er die verschiedenen Schritte der Identifizierung und Validierung von Biomarkern durch gewebebasierte Proteomanalyse vor. Prof. Meyer zeigte eindrücklich in Zahlen, Abbildungen und immunhistochemischen Färbungen, wie aus dem Protein-Gemisch von Zellen einzelne Proteine als Biomarker-Kandidaten identifiziert, validiert und so zur diagnostischen Anwendung geführt werden. PURE etabliert Protein-Biomarker auch noch für die Bekämpfung weiterer Erkrankungen, wie Lungen-, Dickdarm- und Hirntumor, Parkinson oder Alzheimer.
Der Chemiker und Pharmakologe Dr. Cristian Strassert, Physikalisches Institut und Zentrum für Nanotechnologie (CeNTech) aus Münster ist besonders an der Struktur und den damit verbundenen biologischen Eigenschaften von Molekülen interessiert. In seinem Medica-Beitrag stellte er eine spezifische Substanzklasse und ihre Derivate vor, die als photoaktive, nanostrukturierte Materialien, ähnlich einer Kristallstruktur genutzt werden können, zum Beispiel um Bakterien abzuwehren. Da man verschiedene Nanomoleküle entwerfen und entwickeln kann, gewinnt man ein breites Feld der Anwendung für den medizinischen Bereich: Diagnostik und Therapie können kombiniert angewendet werden. Um das Problem der Anreicherung von Nanomaterialien im menschlichen Organismus zu vermeiden, wird zudem an biologisch abbaubarem Material geforscht.
Prof. Dr. Andreas Jacobs vom European Institute for Molecular Imaging (EIMI) der Universität Münster bildete den Abschluss des BIO.NRW Forums. Jacobs stellte die molekulare Bildgebung im Bereich des zentralen Nervensystems (ZNS) dar. Die herausragenden Eigenschaften der molekularen Bildgebung sind: sie ist nicht invasiv, erkrankungsspezifische Veränderungen werden in vivo (am lebenden Objekt) dargestellt und ermöglichen somit völlig neue therapeutische Strategien. Mit Hilfe der molekularen Bildgebung können im die speziellen Strukturen dargestellt und damit vielfältige Wege und Veränderungen nachverfolgt werden. Die Weiterentwicklung von spezifischen Erkennungsmolekülen, sowie der Scan-Methoden und bildgebenden Geräten ist die Herausforderung, die es im Bereich der molekularen Bildgebung zu überwinden gilt. Das Ziel der molekularen Bildgebung ist, Krankheiten schon früh zu erkennen, bevor sie entstehen oder sich manifestieren, um so schon sehr frühzeitig therapeutisch zu intervenieren.
Bei einem kleinen Imbiss diskutierten anschließend die Referenten gemeinsam mit den Zuhörern und Zuhörerinnen, in wie weit diese innovativen Ansätze bereits heute im Gesundheitssystem eingesetzt werden oder eingesetzt werden können. Sind „Wir“, das heißt die Patienten, für die Anwendung besonders innovativer Methoden schon bereit? Wie etablieren sich solche Neuentwicklungen im Rahmen immer knapper werdender Ressourcen des Gesundheitswesen? Steht diese Form der Zukunftsmedizin vielleicht noch ganz am Anfang?
Mehr Informationen über das clusterübergreifend organisierte Forum erhalten Sie bei den Exzellenzclustern BIO.NRW, Gesundheitswirtschaft und NanoMikro + Werkstoffe des Landes NRW.