Dies ist ein Kernergebnis der internationalen, mehrere Modelle vergleichenden Untersuchung des Stanford Modeling Forum (EMF28). Die Veröffentlichung kommt zu einem entscheidenden Zeitpunkt: Nächste Woche wird die Europäische Kommission verkünden, in welchem Maß sie ihre Emissionen im nächsten Jahrzehnt senken will. Allerdings sehen die Wissenschaftler für die Zeit nach 2040 ein Risiko stark steigender Kosten. Um dem entgegen zu wirken, sind technologische Innovationen nötig.
„In den nächsten zwei Jahrzehnten ist auch mit den bereits vorhandenen Technologien eine Transformation möglich“, sagt Brigitte Knopf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, Leiterin der von einem Dutzend Forschergruppen durchgeführten Studie. Für die dann folgende Zeit ergeben die verwendeten Modelle des Energie-Wirtschafts-Systems unterschiedliche Kostenprojektionen. Einige Simulationen zeigen einen steilen Anstieg der Kosten nach 2040, andere nur einen linearen. Ein bestimmender Faktor ist hier, in welchem Maße in den Modellen neue Technologien die alten ersetzen können. Dies weist darauf hin, dass technischer Fortschritt notwendig ist, um die Kosten im Griff zu behalten. „Daher sollte heute ein klares Preis-Signal gegeben werden, etwa im Europäischen Emissionshandel“, so Knopf. „Das würde einen Anreiz setzen für Innovation – die dann verhindert, dass sich das Energiesystem mit Investitionen in CO2-intensive Technologien wie Kohlekraftwerke selbst festfährt.“
Bisherige CO2-Reduktion reicht nicht, um langfristige Klimaziele zu erreichen
„Das derzeitige Ziel von 20 Prozent weniger Ausstoß von Treibhausgasen in Europa bis 2020 könnte nicht ausreichen, um die langfristigen Klimaziele der EU zu erreichen“, sagt Enrica De Cian von der italienischen Fondazione Eni Enrico Mattei und dem Euro-Mediterranean Center on Climate Change. „Kurzfristige Emissionsreduktionen von mindestens 40 Prozent bis 2030 wären nötig, um am Ende das von der EU angestrebte Langfrist-Ziel von 80 Prozent bis 2050 gegenüber 1990 zu erreichen.“ Die Modelle in der Studie legen sogar ein höheres Ziel als die gegenwärtig diskutierten 40 Prozent nahe.
Die Untersuchung bestätigt Ergebnisse der EU Energy Roadmap, in der die europäische Klima- und Energiestrategie analysiert wird. „Durch das Setzen von Zielen für 2030 würde die EU signalisieren, dass sie ihren Beitrag leisten will zu den weltweiten Bemühungen um den Klimaschutz“, erklärt De Cian. „Eine positive Reaktion anderer Länder auf dieses Signal würde dann den technologischen Wandel auch in Europa fördern.“
Viele Optionen zur Auswahl – Windkraft könnte siebenfach zunehmen
Die in der Studie untersuchten Möglichkeiten, das Klimaziel der EU zu erfüllen, reichen von den erneuerbaren Energien über die Kernkraft bis zu einer Steigerung der Energie-Effizienz. „Es gibt also eine breite Auswahl für Entscheidungsträger, abhängig von deren Präferenzen, und das ist gut“, sagt Detlef van Vuuren von der Niederländischen Agentur für Umweltfragen PBL und der Universität Utrecht. „Die Modelle optimieren aber in ihren Simulationen die Veränderungen des Stromsektors, und die meisten zeigen dabei eine mögliche Zunahme der Energie aus Biomasse um das Dreifache, und bei Windkraft sogar um das Siebenfache.“ Dies müsste sich in einem möglichen künftigen EU-Ziel für den Ausbau der erneuerbaren Energien widerspiegeln.
Ein bemerkenswertes Ergebnis ist, dass Europa seine Klimaziele auch ohne die umstrittene und bislang nicht in großem Maßstab erprobte Technologie erreichen könnte, CO2 aus Kraftwerks-Abgasen abzutrennen und im Boden zu speichern. Das ist gegenüber der EU Roadmap eine neue Erkenntnis. Allerdings ist ‘Carbon Capture and Storage’ (CCS) jenseits von Europa nach Stand der Forschung eine wichtige Technologie, um auch weltweit in der Zukunft die Emissionen zu möglichst geringen Kosten zu senken.
Modellvergleich erlaubt robuste Abschätzung
Die neue Studie ist der bislang systematischste Vergleich von Computer-Simulationen des europäischen Energie-Wirschafts-Systems. Er umfasst auch das PRIMES-Modell, das in der Vergangenheit teils kritisiert worden war, weil es bisher das einzige war, das die Europäischen Kommission für Ihre Analysen des Energiesystems nutzte. „Der breitere Ansatz erlaubt nun eine verlässlichere Abschätzung zu Technologien, Kosten, und zu den Anforderungen an die Infrastruktur“, sagt John Weyant, Leiter des Stanford Energy Modeling Forum EMF. Das dokumentieren die Studien der Sonderausgabe von Climate Change Economics. „Und es zeigen sich eine ganze Bandbreite an vielversprechenden Möglichkeiten, die Risiken ungebremsten Klimawandels zu vermeiden.“
Artikel: Knopf, B., Chen, Y-H. H., De Cian, E., Förster, H., Kanudia, A., Karkatsouli, I., Keppo, I., Koljonen, T., Schuhmacher, K., Van Vuuren, D.P. (2013): Beyond 2020 – Strategies and costs for transforming the European energy system. In a Special Issue of Climate Change Economics Vol.04 [doi: 10.1142/S2010007813400010]
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