Mehr als die Hälfte der Europäer (53 Prozent) erwarten gegenwärtig, dass Bio- und Gentechnologie positive Auswirkungen auf ihr Leben haben werden. In Deutschland sind es nur 43 Prozent. Nur die Österreicher äußern sich bei dieser Frage skeptischer als die Deutschen. Nach wie vor werden gentechnisch veränderte Lebensmittel von der Mehrheit der Europäer abgelehnt. Zu den Gründen zählen neben der Wahrnehmung dieser Lebensmittel als unnatürlich und riskant die vor allem in Deutschland verbreitete Einschätzung, dass Nutzen und Risiken unfair verteilt sind. Die Akzeptanz gentechnischer Produkte, bei denen Gene der eigenen Art eingeführt werden, ist deutlich höher als die Akzeptanz gentechnischer Produkte, bei denen Artgrenzen überschritten werden. Wobei auch die erste Gruppe als unnatürlich eingeschätzt wird. Zudem wird das Klonen von Tieren für die Fleischproduktion abgelehnt.
Mehrheitlich unterstützt werden dagegen, wie bereits bei den vorherigen Studien, medizinische Anwendungen der Gentechnik. Dies gilt auch für die ethisch umstrittene Forschung an embryonalen Stammzellen, die von fast zwei Dritteln (63 Prozent), aber nur weniger als der Hälfte der Deutschen (46 Prozent) befürwortet wird. Während in der EU die Zustimmung zu embryonalen Stammzellen nur geringfügig unter der Zustimmung zu adulten Stammzellen liegt (6 Prozent Differenz), ist die Differenz in Deutschland mit 14 Prozent deutlich größer. Zustimmung finden auch Anwendungen der Gentechnik wie die Gentherapie, die von fast zwei Dritteln der Europäer unterstützt wird, und die Mitte der 1990er Jahre noch mehrheitlich abgelehnte genetische Veränderung von Tieren, um Organe zu erhalten.
Von besonderer Bedeutung sind die Ergebnisse des Eurobarometers zur Frage des Umgangs mit neuen Technologien. Die Zustimmung zu kontrovers diskutierten Technologien wie der Gentechnik hängt in hohem Maße davon ab, dass diese in den Augen der Bürger angemessen reguliert wird. Wenn dies der Fall ist, stimmt die Mehrheit der Bürger den Anwendungen zu. Die Regulierung wird als Aufgabe des Staates gesehen, wobei die Bürger ein Mitspracherecht fordern, wenn es um gesellschaftliche Werte geht. Deutlich stärker als im europäischen Durchschnitt plädieren die Deutschen für Bürgerbeteiligung und dafür, ethischen und moralischen Gesichtspunkten gegenüber wissenschaftlicher Evidenz als wichtigster Entscheidungsgrundlage den Vorzug zu geben.
An der Untersuchung waren neben Dr. Jürgen Hampel von der Universität Stuttgart Wissenschaftler aus mehreren europäischen Ländern beteiligt. Die Koordination lag bei der London School of Economics. Befragt wurden im Februar 2010 insgesamt 32.000 Personen in 32 Ländern Europas (EU 27 plus Kroatien, Norwegen, Island, Schweiz und der Türkei).
Quelle: Eurobarometer 73.1 Europeans and Biotechnology in 2010
Bericht: http://ec.europa.eu/public_opinion/archives/ebs/ebs_341_winds_en.pdf
EU-Factsheet: http://ec.europa.eu/public_opinion/archives/ebs/ebs_341_fact_de_en.pdf
Kontakt
Dr. Jürgen Hampel
Institut für Sozialwissenschaften
Abteilung Technik- und Umweltsoziologie
Tel.: 0049 (0)711- 685 - 84293
E-Mail: juergen.hampel(at)sowi.uni-stuttgart.de