Seit 1999 ist Georgien im Europarat, seit 2014 gilt ein Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union (EU) und immer wieder äußert die ehemalige Sowjetrepublik den Wunsch, Teil der NATO zu werden. Eindeutig sucht Georgien die Nähe zu Europa. Doch die enge Zusammenarbeit mit der EU bringt auch vielfältige Herausforderungen und Verpflichtungen für das kleine Land im Kaukasus mit sich – beispielsweise für das Rechtssystem.
Um die Ausbildung von Juristen in Georgien zu verbessern und insbesondere die Annäherung an europäisches Strafrecht voranzutreiben, arbeiten Rechtswissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität Jena und der Staatlichen Universität Tiflis in den kommenden drei Jahren intensiv zusammen. „Internationalisierung und Europäisierung der georgischen Strafverfahren“ lautet der Titel des dreijährigen Projektes, das im September beginnen wird. Die Universität Jena erhält von der VolkswagenStiftung hierfür Fördermittel in Höhe von 250.000 Euro. Zum einen bekommen dadurch georgische Nachwuchswissenschaftler ein Stipendium für ihre Promotion und einen Forschungsaufenthalt in Deutschland. Zum anderen finanziert das Projekt regelmäßige Arbeitstreffen in Deutschland und Georgien sowie eine Summer School im georgischen Batumi, an der Studierende aus beiden Ländern teilnehmen können.
Europäische Rechtsstandards müssen berücksichtigt werden
„Mit der Mitgliedschaft im Europarat hat sich Georgien stärker an Europa gebunden und damit auch an die europäische Menschenrechtskonvention und den europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg“, erklärt Prof. Dr. Edward Schramm von der Universität Jena. „Gleiches gilt für den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Die von diesen Institutionen vorgegebenen Standards müssen also bei der nationalen Rechtsprechung bzw. im Strafverfahren berücksichtigt werden.“ Für Georgien sei diese Frage hochaktuell, denn in Den Haag werden derzeit mögliche Kriegsverbrechen aus dem russisch-georgischen Konflikt von 2008 untersucht. „Die georgische Strafjustiz muss bei der Verfolgung solcher Kriegsverbrechen mit den internationalen Gerichtshöfen kooperieren und dafür braucht es sowohl Strukturen als auch rechtliche Rahmenbedingungen“, erklärt der Jenaer Strafrechtsexperte.
Darüber hinaus erhält die Schwarzmeer-Republik durch das Assoziierungsabkommen erhebliche Subventionen von der EU. Auch hier fordert der westliche Partner rechtliche Verfahren, die dafür sorgen, dass die Mittel rechtmäßig verwendet werden. Die georgische Justiz muss sich in den Dienst der Sache stellen.
„Die Wahrnehmung, dass EU-Sache auch die unsrige ist, hat sich noch nicht durchgesetzt in Georgien“, sagt Prof. Dr. Bachana Jishkariani von der University of Georgia, der neben Prof. Dr. Giorgi Tumanishvili von der Staatlichen Universität Tiflis das Projekt gemeinsam mit seinem Jenaer Kollegen betreuen wird. „Außerdem fehlt es schlicht und einfach an den in diesem Bereich ausgebildeten Juristen.“ Im Rahmen des neuen Projektes soll deshalb auch ein Handbuch zum europäisierten und internationalen Strafrecht entstehen.
Doch Edward Schramm will die Kooperation nicht als Entwicklungshilfe und Einbahnstraße verstanden wissen: „Auch wir deutschen Rechtswissenschaftler profitieren von einer solchen Zusammenarbeit, schließlich lernt man in der Beschäftigung mit einer fremden Rechtsordnung auch die eigene immer wieder neu kennen. Perspektiven verändern sich, Selbstverständlichkeiten werden aufgebrochen.“
Vielfältige Zusammenarbeit mit Tradition
Die Zusammenarbeit mit Georgien hat an der Friedrich-Schiller-Universität eine lange Tradition. „Seit über 50 Jahren bestehen enge Beziehungen, die sich in den vergangenen Jahren auf die gesamte Kaukasusregion ausgeweitet haben“, sagt Dr. Claudia Hillinger vom Internationalen Büro der Universität Jena. „Der Kaukasus ist sowohl Gegenstand der Forschung, etwa in den Altertumswissenschaften und der Ökologie, als auch Partner innerhalb spannender Forschungsprojekte mit wirtschafts-, rechts- und politikwissenschaftlichem Inhalt, in denen nicht selten die aktuellen Entwicklungen in der Region aufgenommen und diskutiert werden.“
Im Rahmen eines Kaukasus-Arbeitskreises, den das Internationale Büro vor zwei Jahren etabliert hat, will die Universität Jena weitere Kooperationsmöglichkeiten ausloten und verwirklichen.
Kontakt:
Prof. Dr. Edward Schramm
Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Jena
Carl-Zeiß-Straße 3
07743 Jena
Tel: 03641 / 942300
E-Mail: edward.schramm(at)uni-jena.de