Der Kaffee gut gesüßt, das Essen reichlich gesalzen, die Pommes in der Fritteuse zubereitet: Heutzutage enthalten fast alle verarbeiteten Lebensmittel mehr Zucker, Salz oder Fett als gesundheitlich geboten. Die Menschen mögen es so. Die von der EU geförderte Vergleichsstudie SALUX verglich die Situation in 12 EU-Ländern miteinander: Alle nehmen zu viel Geschmacksstoffe zu sich. Das Problem: Ein deutliches Reduzieren der Geschmacksstoffe nehmen die Menschen nicht an – und eine Änderung der Rezeptur kostet Geld. Dies würde vor allem kleine und mittelständische Nahrungsmittelhersteller in Bedrängnis bringen.
Wie süß mögen wir eigentlich unseren Joghurt? In einer Versuchsreihe gingen Schweizer Forscher von Agroscope dieser Frage nach. Die Ausgangslage: Fast alle Probanden gaben an, dass ihnen Joghurt im Allgemeinen zu süß sei. Daraufhin ließen die Wissenschaftler die Probanden Joghurts mit verschiedenem Zuckergehalt auf ihren Geschmack hin testen. Das überraschende Ergebnis: Der leckerste Joghurt war der mit der höchsten Menge an Zucker – aber viel zu süß. Diese Studie zeigt, dass eine Reduzierung von Salz, Zucker oder Fetten oft eine komplexe Reformulierung der Lebensmittel erfordert.
Maximal 6 Gramm Salz am Tag
Laut WHO solle ein Erwachsener nicht mehr als 6 Gramm Salz am Tag zu sich nehmen. Der Konsum ist in den EU Ländern durchaus unterschiedlich. Vor allem in Südosteuropa liegt der tägliche Salzkonsum bei bis zu 14 Gramm. Interessanterweise liegt der Salzkonsum der Männer in praktisch allen Ländern über dem der Frauen. Solche Unterschiede in den einzelnen Ländern machen eine einheitliche Regulierung schwierig.
Nahrungsmittelkonzerne gegen staatliche Regulierung
Den Großkonzernen im Nahrungsmittelbereich ist dieser Überkonsum schon lange bekannt. Sie suchen bereits nach alternativen Methoden, erklärt die Hohenheimer Studentin Julia Meyer, die ebenfalls an dem Projekt beteiligt war. Insbesondere die mittelständischen Betriebe haben Angst vor einer gesetzlichen Regulierung, da eine Umstellung der Rezeptur oftmals mit hohen Kosten verbunden ist. Zudem ist nicht gewährleistet, dass das neue Produkt von der Kundschaft akzeptiert wird, wie das obige Beispiel Joghurt zeigte. Eine Lösung wäre, dass die EU Richtlinien erlässt, die erlaubte Mengen von Salz, Zucker oder ungesunden Fetten in bestimmten Nahrungsmitteln vorgeben. Dem stehen aber die Vielfalt an unterschiedlichen Ernährungsvorlieben der Europäer und die Interessen der Industrieverbände im Wege.
Reformulierung der Nahrungsmittel durch Aufklären und Umgewöhnen unterstützen
Das Problem: Auf ein zu schnelles und zu deutliches Reduzieren reagierten die Geschmacksnerven negativ und signalisierten dem Körper, dass das Produkt nicht schmecke. Prof. Dr. Graeve: „Darum ist eine stetige Gewöhnung, eine sogenannte sensorische Adaption, an weniger Geschmacksstoffe ein wichtiger Schritt bei der Reformulierung der Nahrungsmittel. Eine Verbesserung der Gesundheit wäre die Folge. Das wiederum würde Kosten einsparen.“
Die Lösung: Ein schrittweises Reduzieren von Salz, Zucker und ungesunden Fetten soll verhindern, dass die Menschen bewusst etwas vom Geschmack einbüßen müssen. „Ziel ist aber nicht nur, die Menschen nach und nach an weniger Geschmacksstoffe zu gewöhnen, sondern auch die Nahrungsmittel nicht mit anderen neuen Zusatzstoffen zu versehen“, betonen die Hohenheimer Forscher.
Internetplattform soll Mittelständer bei Reformulierung unterstützen
Über 3 Jahre sammelten die Studienteilnehmer aus 12 EU-Staaten Daten, um Salz, Zucker und unerwünschte Fette in den Lebensmitteln zu reduzieren und stellen die Ergebnisse nun auf einer Internetplattform der Öffentlichkeit und den Unternehmen zur Verfügung. So sollen vor allem kleine und mittelständische Unternehmen motiviert werden Reformulierungen ihrer Produkte durchzuführen. Außerdem können ihnen die Daten helfen, die dabei anfallenden Kosten realistisch abzuschätzen. Auf der Onlineplattform, dem sogenannten Clearing House, sind in allen Landessprachen Vorschläge zur Reformulierung seitens der Wissenschaft und Industrie gebündelt.
Kontakt:
Prof. Dr. Walter Vetter,
Leiter des Fachgebiets Lebensmittelchemie,
Universität Hohenheim
Tel.: +49 711/459- 24016,
E-Mail: walter.vetter(at)uni-hohenheim.de
Prof. Dr. Lutz Graeve,
Leiter des Fachgebiets Biochemie der Ernährung,
Universität Hohenheim
Tel.: +49 711/459- 24195,
E-Mail: graeve(at)uni-hohenheim.de
Text: C. Schmid / Töpfer