Liebe Leserinnen, liebe Leser,
in dieser Ausgabe informieren wir Sie gerne über Berichterstattung zur Forschungs-, Bildungs-, Technologie- und Innovationspolitik weltweit. Im Bereich der internationalen Bildung zeichnet sich zunehmend ein Trend ab: Gerade Länder, die bisher bei der Anwerbung internationaler Studierender große Erfolge erzielt haben, setzen nun auf eine stärkere Beschränkung (jüngstes Beispiel Australien) oder eine gezieltere Auswahl bestimmter Gruppen (Kanada). Ein weiterer Schwerpunkt in der Berichterstattung lag im vergangenen Monat auf Südkorea, das stark in Technologien und internationale Vernetzung investiert. Zuletzt geht der Blick nach Europa: Eine Bilanz der britischen Regierung bezeugt das große Interesse der britischen Hochschulen und Unternehmen, sich am EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation Horizont Europa zu beteiligen. Derweil hat Mario Draghi, ehemaliger Präsident der Europäischen Zentralbank, in seinem Bericht zur europäischen Wettbewerbsfähigkeit auch eine kritische Bilanz der europäischen Forschungs- und Innovationspolitik gezogen. Dazu präsentiert er eine Reihe von Reformvorschlägen.
Internationalisierung von Bildung: Neue Leitplanken
Die Ausbildung von internationalen Studierenden und englischer Sprachunterricht vor Ort stellt für viele angelsächsisch geprägte Länder eine wichtige Einnahmequelle dar. Dies gilt auch und gerade für Australien. Jetzt hat die australische Regierung bekannt gegeben, dass sie quantitative Grenzen einzieht: Die Zahl der neu zugelassenen internationalen Studierenden an tertiären Bildungseinrichtungen wird ab 2025 auf insgesamt 270.000 pro Jahr begrenzt. Für jede Hochschule sollen individuelle Obergrenzen festgelegt werden. Die Maßnahmen zielen darauf ab, den Bildungssektor nachhaltig und sozial gerecht zu gestalten und die Migration nach Australien zu steuern. Auch Kanada hatte Anfang des Jahres Beschränkungen für die Anzahl internationaler Studierender eingeführt. Allerdings soll es nun Ausnahmen für Studierende aus frankophonen Ländern (beispielsweise aus Afrika) geben. Darüber hinaus wird ihnen die Arbeitsaufnahme nach dem Studium in Kanada erleichtert, um so die frankophonen Gemeinschaften des Landes gezielt zu stärken. Derweil konzentriert sich Irland auf die Qualität seiner internationalen Bildungsprogramme: Das neu eingeführte Qualitätssiegel „TrustEd Ireland“ wird zukünftig an Hochschuleinrichtungen und Anbieter von Sprachunterricht vergeben, deren Angebote festgelegte Standards erfüllen.
Südkorea: Neue internationale Ambitionen in Forschung und Innovation
Im weltweiten Vergleich liegt Südkorea an zweiter Stelle, was den Anteil seiner Forschungs- und Entwicklungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt betrifft: Der Anteil in Höhe von 5,2 Prozent zeigt an, welch hohe Priorität das Thema in Südkorea genießt. Zahlen zu internationalen Studierenden und zu internationalen Ko-Publikationen weisen allerdings auf Nachholbedarf hin. Auch aufgrund des demografischen Wandels bemüht sich Südkorea um eine verstärkte grenzüberschreitende Vernetzung. Eine aktuelle Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „Nature“ thematisiert die koreanischen Ambitionen. Dazu gehören auch verstärkte Investitionen in ausgewählte Schlüsseltechnologien, in denen Südkorea eine globale Führungsrolle anstrebt. Im Bereich der Quanteninformationstechnologie hat das koreanische Ministerium für Wissenschaft und IKT am 13. August in Seoul die internationale Normungsorganisation Quantum Industrial Standard Association (QuINSA) gegründet. Neben drei großen koreanischen Telekommunikationsbetreibern beteiligen sich multinationale Unternehmen wie IBM (USA) und IQM (Finnland). Zudem hat Südkorea eine neue Strategie veröffentlicht, mit der das Land die Kommerzialisierung von Kernfusionsenergie gezielt vorantreiben will. Durch Bau und Betrieb des Korea Superconducting Tokamak Advanced Research (KSTAR) hat das Land bereits relevante Kapazitäten aufgebaut. Mehr zum Forschungs- und Innovationssystem Südkoreas finden Sie auf unserer Länderseite Südkorea auf Kooperation international mit einem ausführlichen Länderbericht.
Europäische Strategien und Programme: Bilanzen und Reformen
In den ersten drei Jahren der Laufzeit des EU-Rahmenprogramms für Forschung und Innovation Horizont Europa (2021-27) konnten sich die Europäische Kommission und die britische Regierung nicht über eine Assoziierung einig werden. Erst Anfang 2024 trat diese in Kraft. Für die Beteiligung an Projekten unter den zuvor veröffentlichten Förderbekanntmachungen im Zeitraum von Ende 2021-23 gilt dagegen weiterhin eine nationale Finanzierungszusage der britischen Regierung („Horizon Europe Guarantee“). Die jetzt vorgelegte Bilanz zeigt ein reges Interesse von Forschenden, Hochschulen und Unternehmen an diesem Angebot: Bewilligt wurden über 4.000 Zuwendungen mit einer Gesamtfördersumme von etwa 2 Milliarden GBP (ca. 2,37 Milliarden Euro).
Mario Draghi (früherer Ministerpräsident Italiens und Präsident der Europäischen Zentralbank) hat in seinem Bericht zur europäischen Wettbewerbsfähigkeit auch eine kritische Bilanz der europäischen Forschungs- und Innovationspolitik gezogen. Vorgeschlagen wird eine Verdoppelung der Mittel für das EU-Rahmenprogramm auf 200 Milliarden Euro, während gleichzeitig ein Fokus auf disruptive Innovation gelegt wird. Skizziert werden auch Grundzüge einer europäischen Forschungs- und Innovationsunion mit neuen Formaten wie einer „Innovative European Company“ und einem „EU Chair“ für exzellente Forschende. Die Vorschläge des Draghi-Reports können sicherlich auch einen interessanten Input für den jetzt eröffneten Konsultationsprozess zum Europäischen Forschungsraum (EFR) liefern. Nach vier Jahren sollen die erzielten Fortschritte bilanziert und die verbleibenden Herausforderungen aufgezeigt werden. Dazu ist Ihr Feedback gefragt. Die Frist für Rückmeldungen läuft noch bis zum 30. September.
Wir wünschen Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre zu diesen und vielen anderen strategischen Entwicklungen in der internationalen Forschungs-, Bildungs-, Technologie- und Innovationspolitik, die wir in der vorliegenden Ausgabe für Sie ausgewählt und aufbereitet haben.
Wenn Sie Themenvorschläge für die nächste Ausgabe haben, sprechen Sie uns an.
Ihre Sonja Bugdahn und Andreas Ratajczak
Über den ITB infoservice
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