Liebe Leserinnen, liebe Leser,
passend zum Beginn eines neuen Jahres sind Rück- und Ausblicke: Das Fachmagazin Nature berichtet über eine Studie zu disruptiven Entdeckungen und bahnbrechenden Erkenntnissen in der Wissenschaft seit Mitte des letzten Jahrhunderts. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass der Anteil disruptiver Durchbrüche in den vergangenen Dekaden stetig abgenommen hat. Die Frage, inwieweit derzeit angewandte Fördermechanismen neue bahnbrechende Erkenntnisse eher verhindern als ermöglichen, beschäftigt aktuell die US-amerikanische National Science Foundation (NSF). Als Pilotprojekt wurde ein sogenanntes "Golden Ticket" lanciert. Dies ermöglicht es, Forschungsanträge auch dann zu bewilligen, wenn im Begutachtungsverfahren kein Konsens besteht. So soll vermieden werden, dass nur die am wenigsten umstrittenen Anträge gefördert werden.
Für mehrere Wissenschaftsnationen in Lateinamerika steht derzeit ein Wandel an. In Brasilien wurde unter dem neuen Präsidenten Lula da Silva erstmals eine Frau als Forschungsministerin ernannt. Die gelernte Elektroingenieurin Luciana Santos beabsichtigt mehr Mittel für die Wissenschaft in Brasilien zur Verfügung zu stellen, unter anderem durch die Aufhebung von Haushaltssperren. Diese hatte die Vorgängerregierung unter dem Präsidenten Bolsonaro verfügt. Eine bessere finanzielle Ausstattung steht auch in Chile auf der Agenda. Zudem plant die chilenische Regierung weitergehende Reformen des Wissenschafts- und Innovationssystems. Wesentliche Komponenten sind die Dezentralisierung und der Abbau von regionalen Asymmetrien im Land.
Schweden hat am 1. Januar die Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union übernommen. Ein Schwerpunkt liegt auf dem Thema Open Science. Dieses Thema wird im Jahr 2023 auch von den USA als "Year of Open Science" in den Fokus genommen. Daneben setzt die schwedische Ratspräsidentschaft Schwerpunkte auf einen europäischen Chips Act und das Thema Forschungsinfrastrukturen. Die europäische Kooperation dazu wird derzeit vor allem im Rahmen des European Strategy Forum on Research Infrastructures (ESFRI) vorangetrieben. Von Schweizer Seite her wurde jüngst kritisiert, dass das Land im vergangenen Jahr seinen Zugang zu ESFRI verloren hat.
Der Grund dafür ist die Nichtassoziierung der Schweiz mit dem EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation Horizont Europa (2021-27). Auch das Vereinigte Königreich ist derzeit nicht mit dem Rahmenprogramm assoziiert. Beide Länder haben daher erneut Fördergarantiezusagen für nationale Einrichtungen verlängert. Derweil konnte Neuseeland als erstes hoch industrialisiertes Land außerhalb Europas seine Assoziierungsverhandlungen erfolgreich abschließen. Eine neue Entwicklung betrifft die Beschränkungen Ungarns in Bezug auf den Zugang zur Förderung aus Horizont Europa und dem Erasmus-Programm. Betroffen sind mehr als 30 ungarische Institutionen, darunter 21 Hochschulen, deren institutionelles Format als unvereinbar mit dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit angesehen wird.
Wir wünschen Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre zu diesen und vielen anderen strategischen Entwicklungen in der internationalen Forschungs-, Bildungs-, Technologie- und Innovationspolitik, die wir in der vorliegenden Ausgabe für Sie ausgewählt und aufbereitet haben.
Wenn Sie Themenvorschläge für die nächste Ausgabe haben, sprechen Sie uns an.
Ihre Sonja Bugdahn und Andreas Ratajczak
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