Auch in Thailand genießt die deutsche duale Berufsbildung einen ausgezeichneten Ruf als Instrument für eine qualitativ hochwertige Fachkräfteentwicklung. Daher ist die Nachfrage aus Thailand nach Unterstützung zum Ausbau des dualen Ansatzes hoch.
Als Folge gründete die Deutsch-Thailändische Handelskammer mit ausgewählten Partnern aus dem öffentlichen und dem privaten Sektor im Jahre 2013 die Initiative German-Thai Dual Excellence Education (GTDEE). In dem Ausbildungsprogramm arbeiten die Auszubildenden in einem Unternehmen und lernen die Theorie in Berufsschulen, den Vocational Colleges.
Zunächst lag der Fokus von GTDEE auf der Unterstützung des privaten Sektors. Im Laufe der Umsetzung zeigte sich jedoch, dass gerade im öffentlichen Sektor ein Entwicklungsbedarf besteht. Denn für die kooperierenden Berufsschulen stand ein Lernen für eine duale Ausbildung nach deutschem Vorbild nicht in dem Lehrplan.
Schulen für Lernen für duale Berufsausbildung fit machen
Mit dieser Erkenntnis verlagerte sich ein Schwerpunkt der Initiative GTDEE auf die schulische Seite, die für den Unterricht in der dualen Berufsausbildung fit werden muss. In Kooperation mit lokalen Stakeholdern wie Universitäten und staatlichen Institutionen soll die Qualität der beruflichen Bildung an den kooperierenden Berufsschulen verbessert werden. Es wurden Personalentwicklungsmaßnahmen sowie Konzepte zur Verbesserung der pädagogischen und didaktischen Fähigkeiten der Lehrkräfte erarbeitet und durchgeführt.
Angelehnt an deutsche Konzepte wurde ein Qualitätsmanagement-System (QM-System) für lokale Berufsschulen entwickelt. Das QM-System bewertet den Status Quo der Berufsschulen im Hinblick auf einen Unterricht für eine duale Ausbildung. Dabei legt das Bewertungssystem großen Wert auf die Kooperation von Schule und Betrieb. Die Qualitätsanalyse für berufsbildende Schulen ist für den thailändischen Bildungsmarkt patentiert.
Berufsschulen, die die Qualitätsanalyse erfolgreich abschließen, erhalten ein Zertifikat über den erfolgreichen Abschluss der "Quality Assurance for Vocational Education and Training" mit dem Logo der Deutsch-Thailändischen Handelskammer und dem GTDEE-Logo. Bisher konnte das Zertifikat erst an eine von sieben überprüften thailändischen Berufsschulen verliehen werden.
Pilotphase mit zwei Berufsschulen
Die Pilotphase startete von Juni bis November 2015 mit einer ersten Standortbestimmung und zeigte die Stärken und die Schwächen von zwei untersuchten berufsbildenden Schulen. Beide Schulen waren bereits im GTDEE-Projekt aktiv und hatten somit erste Erfahrungen in der dualen Erstausbildung. Dennoch identifizierte die Qualitätsanalyse erhebliche Mängel. Das Ergebnis der Analyse war die Basis für eine konkrete Ziel- und Maßnahmen-Planung zur Entwicklung dieser Pilotschulen.
Die Qualitätsanalyse ist funktional und personell von der örtlichen Schulaufsicht getrennt und berücksichtigt sowohl die schulischen Rahmenbedingungen als auch die Kooperation und Koordination mit den Ausbildungsbetrieben. Die Erkenntnisse aus der Pilotphase wurden in das Konzept zur Schulentwicklung eingearbeitet und bereits im nächsten Schritt auf weitere Partnerschulen im GTDEE-Projekt übertragen. Die Pilotphase zeigte, dass ein ganzes Paket von Maßnahmen notwendig war, um die Berufsschulen zu einer nachhaltigen qualitativen Verbesserung des Unterrichts zu führen.
Die Qualitätsanalyse steht allen Vocational Colleges zur Verfügung, die eine Kooperation mit GTDEE planen. Die Finanzierung der Qualitätskontrolle erfolgt durch die Berufsschulen. Das Tool selbst entwickelt die GTDEE mit der King Mongkut's University of Technology North Bangkok stetig weiter. Die Schulen sollen die Analyse regelmäßig durchführen, um den eigenen Entwicklungsprozess zu überprüfen.
Maßnahmen an den Berufsschulen
Einige der Maßnahmen, die mit und an den Schulen durchgeführt wurden, um sie für die dualen-Berufsausbildung fit zu machen, waren gemeinsame Veranstaltungen mit Lehrkräften und Ausbildern, Förderung des Erfahrungsaustauschs, Einsatz neuer Medien und Technologien und Entwicklung von Kommunikationskonzepten. Außerdem wird in Verbindung mit der King Mongkut's University of Technology North Bangkok derzeit ein "Teach-the-Teacher" Konzept für die künftige Lehrerweiterbildung erarbeitet.
Auch die schulinternen Infrastrukturen wurden in den Maßnahmenkatalog einbezogen. Dazu gehörten die Ausstattungen von Laboren und Klassenzimmern mit Arbeits-, Projekt- und Lehrmitteln, aber auch Unterstützung bei der Unterrichtsmodellentwicklung, bei projektbezogenem Unterricht und bei Fortbildungen der Lehrkräfte.
Alle Aktivitäten fanden im direkten Austausch mit Schulen und Ausbildungsbetrieben statt. Interviews und Feedbackbögen reflektierten die Wirksamkeit von Maßnahmen. Gemeinsam wurden Trainings und der Einsatz von Technik analysiert. Die so gewonnenen Erkenntnisse flossen in weitere Maßnahmen ein.
Umdenken der Akteure notwendig
Insgesamt gilt, dass die Gestaltung von schulischen Entwicklungsprozessen ein verändertes Rollenverständnis der Lehrkräfte, der Schulleitungen und der Schulaufsicht erfordert. Hinzu kommt, dass für neue Aufgaben auch neue Kompetenzen notwendig sind.
Deshalb stärkte ein Fortbildungs- und Unterstützungsangebot die Schulleitungen in ihrer Aufgabe, ein wesentliches Bindeglied zwischen landesweiten Reformmaßnahmen und schulinternen Innovationsprozessen zu sein. Denn die Schulleitungen müssen Schulentwicklungsprozesse initiieren, unterstützen, begleiten und in der Lage sein, das Erreichte zu institutionalisieren.
Gestaltungsfreiheit fördert Eigeninitiative
Das Schulentwicklungsprojekt war durch ein hohes Maß an inhaltlicher und methodischer Gestaltungsfreiheit gekennzeichnet. Die Rolle der GTDEE waren die Beratung und die Moderation des Entwicklungsprozesses. Die eigentlichen Aktivitäten zur Umsetzung der Schulentwicklungsziele erarbeiteten die Beteiligten selbstständig. Dadurch entstand bei den Akteuren eine hohe Identifikation mit den gewählten Maßnahmen und eine starke Eigenverantwortung für die Entwicklung der Schulen.
Gerade die Erfahrung, selber etwas verändern zu können, waren Grund und Motiv für das Engagement der Schulleitungen in der Entwicklung ihrer Berufsschulen. Diese Gestaltungsfreiheit für eine Berufsschulkultur ist eine starke Kraft für die Qualität einer Schule. Die Identifikation der Akteure mit den Zielen und Maßnahmen ist eine notwendige Bedingung für die nachhaltige Qualitätsverbesserung der Schule.
Schulentwicklung fordert von den Akteuren eine veränderte Einstellung zum Beruf und ein neues Selbstverständnis als Lehrkraft und Ausbilder. Denn sie dürfen sich nicht länger isoliert auf die Kernbereiche "Unterricht" und "Ausbildung" konzentrieren, sondern müssen Tätigkeitsfelder einbeziehen, die die Belange einer Schule und des Ausbildungsbetriebes als Ganzes betreffen und für die Gestaltung von Schulentwicklungsprozessen bedeutsam sind.
Erfolgreiche Umsetzung
Mittlerweile haben schon mehrere private und öffentliche Berufsschulen ihr Interesse an der Qualitätsanalyse bekundet. Auch das Office of Vocational Education Commission (OVEC), das eine Kooperationsvereinbarung mit dem Bundesinstitut für Berufsbildung hat, ist inzwischen auf das School-Assessment aufmerksam geworden und bewertet es positiv für die Entwicklung der Berufsschulen in Thailand. So wählt OVEC selbst gerade öffentliche Schulen für das School-Assessment aus, um sie durch GTDEE überprüfen und zertifizieren zu lassen.
Selbst das thailändische Bildungsministerium erhielt einen Bericht über die erfolgreiche Durchführung und Implementierung der Qualitätsanalyse von der Initiative GTDEE.