Das Interesse an der Förderbekanntmachung der WSS war enorm: Hochkarätige Forschende aus Deutschland, Österreich und der Schweiz bewarben sich mit insgesamt 123 Ideenskizzen um dieses Großprojekt. In einem ersten Schritt wurden sechs Teams ausgewählt, die jeweils mit einem mit je einer Million Schweizer Franken dotierten WSS-Forschungspreis ausgezeichnet wurden, um detaillierte Konzepte für ein Forschungszentrum zu entwickeln.
Die Wahl fiel schließlich auf das Projekt "catalaix: Katalyse für eine Kreislaufwirtschaft" unter der Leitung von Professorin Regina Palkovits und Professor Jürgen Klankermayer vom Institut für Technische und Makromolekulare Chemie an der RWTH Aachen.
Gezielter Abbau dank neuer Katalyseverfahren
Die Forschenden werden ein Zentrum aufbauen, das den Weg ebnen soll zu einer kreislauffähigen chemischen Industrie. Im Mittelpunkt der Forschungsarbeiten steht die Katalyse – jene Technologie, welche die Geschwindigkeit chemischer Reaktionen erhöht oder sie erst ermöglicht. Katalysatoren helfen dabei, die Ausgangsstoffe für eine Vielzahl von Produkten zu schaffen, die für unser tägliches Leben unverzichtbar sind. Noch immer aber landet ein Großteil dieser Produkte am Ende ihrer Lebenszeit im Abfall. Das Team um Palkovits und Klankermayer will das ändern, indem es solche Produkte durch neu entwickelte Katalysatoren und Verfahren ganzheitlich gezielt abbaut zu wiederverwendbaren molekularen Bausteinen.
Der erste Fokus des WSS-Forschungszentrums liegt auf dem Kunststoffsektor. Der Mensch produziert 400 Millionen Tonnen Plastik pro Jahr – bis 2050 dürften 16 Gigatonnen zusammenkommen; so viel wiegen alle Menschen, Tiere und Pilze auf der Erde gemeinsam. Nur etwa neun Prozent aller Kunststoffe werden heute rezykliert. Das Aachener Team wird Kunststoffe durch die Kombination von chemischen, elektrochemischen und mikrobiellen Katalyseverfahren in wiederverwendbare Ausgangsstoffe umwandeln. Dass dies funktionieren kann, haben sie bereits für diverse Kunststoffklassen demonstriert.
Mehrdimensionale Kreislaufwirtschaft
Die Idee der Forschenden geht aber über einzelne und isolierte Stoffkreisläufe hinaus. Sie werden die Kreislaufwirtschaft nach dem "Open-Loop-Prinzip" weiterentwickeln. Das bedeutet: Die molekularen Bausteine, die als Ausgangsstoffe durch das Recycling entstehen, sind massschneiderbar und derart vielseitig einsetzbar, dass sie sich je nach Bedarf auch in andere Wertschöpfungsketten und Materialkreisläufe einspeisen lassen. Das wird die Grundlage schaffen für eine flexible, mehrdimensionale Kreislaufwirtschaft.
Die Forschenden sind überzeugt, dass das WSS-Forschungszentrum in Aachen dank der Unterstützung zu einem Leuchtturmprojekt mit internationaler Strahlkraft wachsen und einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Transformation der Chemieindustrie leisten werde.
Für die Werner Siemens-Stiftung ist das WSS-Forschungszentrum das größte Vorhaben, das sie bisher finanziert hat.
Zum Nachlesen
- Werner Siemens-Stiftung (08.01.2023): WSS-Forschungszentrum für eine Kreislaufwirtschaft in der Chemie
- RWTH Aachen (08.01.2023): Werner Siemens-Stiftung fördert Jahrhundertprojekt an der RWTH Aachen