Beide Seiten hatten von Beginn an ein großes Interesse an einer bilateralen Zusammenarbeit. Vor allem die Tatsache, dass viele Mitarbeiter im damaligen Ministerium für Wissenschaft, Technologie und Umwelt (MOSTE) und in den führenden Forschungseinrichtungen Vietnams über ausgezeichnete Deutschkenntnisse verfügten, erleichterte das gegenseitige Verstehen sehr und machte es möglich, schon bald gemeinsame Ziele zu definieren: Rasch erkannte man die Gebiete Umwelttechnologie, Biowissenschaften und Biotechnologie als besonders vielversprechend für gemeinsame Forschungsvorhaben und gab ihnen daher Priorität in der Kooperation. Darüber hinaus wurde auch die Zusammenarbeit bei der Reform der Forschungsverwaltung und des Forschungsmanagements in Vietnam schon zu diesem Zeitpunkt vereinbart.
Insgesamt wurden seit 1996 durch das Internationale Büro des BMBF rund 230 Anbahnungsmaßnahmen zur Projektvorbereitung und durch das BMBF selbst 85 Forschungsprojekte mit Vietnam gefördert. Derzeit werden fast 100 gemeinsame Projekte und Maßnahmen in der Kooperation mit vietnamesischen Partnern mit Mitteln des BMBF unterstützt. Hinzu kommen zahlreiche Vorhaben der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) sowie des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), Projekte von InWent, der Volkswagenstiftung und weiterer Organisationen. Auch die Alexander von Humboldt-Stiftung zählt einige herausragende Wissenschaftler Vietnams zum Kreis ihrer Alumni.
Insgesamt investierte das BMBF bisher über 26 Mio. Euro in die bilaterale Projektförderung. Den ersten Schritt bildete hierbei häufig die Mobilitätsförderung: Etwa 1000 Reisen deutscher Wissenschaftler nach Vietnam bzw. Aufenthalte vietnamesischer Wissenschaftler in Deutschland seit 1996 haben wesentlich dazu beigetragen, zwischen den Forschern und Bildungsexperten in Deutschland und Vietnam ein enges Netz zu knüpfen, aus dem heraus gemeinsame Projekte erfolgreich entwickelt werden können.
Auf dieser Basis konnten in den letzten fünf Jahren auch größere Forschungsvorhaben vor allem im Bereich Wasser- und Umweltforschung, aber auch in der Biotechnologie auf den Weg gebracht werden. Mehrere umfangreiche multilaterale Forschungsprojekte mit deutscher und vietnamesischer Beteiligung bauen auf solchen Netzwerken auf und werden inzwischen durch die Europäische Union gefördert. Ich bin überzeugt, dass diese Vorhaben für unsere Länder von großem Wert sind.
Aufgrund der klaren Schwerpunktsetzung hat sich die Kooperation auf den eingangs erwähnten Fachgebieten Umweltforschung und Biotechnologie besonders fruchtbar entwickelt: Im Bereich der Lebenswissenschaften wurden bisher über 20 bilaterale Einzelprojekte zwischen Vietnam und Deutschland erfolgreich initiiert. Diese decken mit Untersuchungen von Antidrogenmitteln aus der vietnamesischen Volksmedizin, dem Einsatz biotechnologischer Methoden bei der Reis-, Weizen- und Maiszüchtung bis hin zu Aktivitäten in der Bioinformatik einen weiten Bereich der Biotechnologie ab. Im Bereich der Pharmazie haben deutsche und vietnamesische Wissenschaftler neue interessante Wirkstoffe aus vietnamesischen Pilzen entdeckt und sogar schon zum Patent angemeldet.
Die gemeinsamen Projekte haben ein Volumen von bis heute über 3,5 Mio. Euro. Diese Mittel sind gut investiert, denn die bisherigen gemeinsamen Initiativen haben für beide Seiten interessante und nützliche Ergebnisse erbracht.
Eine große Zahl unserer bilateralen Projekte befasst sich mit Umweltthemen. Dabei steht der Bereich der Trinkwasserversorgung und der Abwasserbehandlung im Vordergrund. Jedoch spielen auch andere Themen wie z. B. die Erfassung von Altlasten und die Sanierung von Bergbaufolgen eine wesentliche Rolle. Dass Umweltforschung und -technologie heute eine so große Bedeutung in der Kooperation haben, zeigt, dass unsere Zusammenarbeit lebendig ist und sich an aktuellen Problemen orientiert: Die Lösung von Umweltproblemen steht in Vietnam ganz oben auf der Tagesordnung, deshalb werden die Fragestellungen von unseren Wissenschaftlern und Unternehmen aufgegriffen und die Projekte werden von BMBF und MOST gemeinsam gefördert.
Wir greifen zum einen aktuelle, international relevante Forschungsthemen auf, zum anderen leisten die Projekte aber auch Beiträge zur Verbesserung der Lebenssituation der Bevölkerung. Beispielhaft zu nennen ist hier die Entwicklung von Konzepten für das integrierte Wasserressourcen-Management (IWRM). IWRM ist ein international anerkanntes Konzept zum nachhaltigen Umgang mit der Ressource Wasser, von dem ein wesentlicher Beitrag zur Lösung der weltweiten Wasserprobleme erwartet wird. Daher machen z. B. internationale Entwicklungsbanken ihre Förderentscheidungen für Investitionen im Wasserbereich zunehmend davon abhängig, dass solche Konzepte vorliegen. Unsere Forschungsprojekte ebnen also auch den Weg für größere Investitionsprojekte für eine nachhaltige Wasserwirtschaft.
Eine Herausforderung sowohl für Deutschland als auch für Vietnam ist die nachhaltige Entwicklung urbaner Räume: Städte sind Betroffene und Verursacher des globalen Wandels. Während sich Deutschland mancherorts dem Rückbau schrumpfender Städte zu stellen hat, wachsen die Städte in Vietnam rasant. Hier gilt es adäquate technische Lösungen – smart technologies - mit dem gesellschaftlich Nötigen und Möglichen in Einklang zu bringen. Am Beispiel Ho-Chi-Minh-Stadt setzt dies das deutsch-vietnamesische Forschungsprojekt „Stadtwachstum und Stadterneuerung im Gleichgewicht – nachhaltige Wohnungsbaustrategien für die Megastädte von morgen“ programmatisch um.
Der Anspruch des Teams ist hoch, der wissenschaftliche Ansatz ein Novum: Integrativ werden soziale, ökonomische, ökologische und bauliche Aspekte im Planungsprozess gleichermaßen durch entsprechende bilaterale Forscherteams bearbeitet. Die Zusammenarbeit schließt ebenfalls die städtische Verwaltung in Ho-Chi-Minh-Stadt und Nicht-Regierungsorganisationen ein und hat Verbindungen zum vietnamesischen „Urban Upgrading-Programme“. Außerdem wird eine Brücke in die Praxis geschlagen: Die Wohnungsbaustrategien sollen in Beispielprojekten demonstriert werden. Angeschlossen sind Trainings- und Ausbildungseinheiten, die sich an Studenten und städtische Verwaltung richten. Mit- und voneinander Lernen wird das Ergebnis sein.
Neben der Kooperation in den einzelnen Forschungsbereichen und in der Bildung ist insbesondere auch die Zusammenarbeit bei der Reform des Forschungsmanagements in Vietnam hervorzuheben. Unser gemeinsames Ziel ist es hierbei, das vietnamesische System zur Förderung von Forschung und Innovation mit Hilfe der Erfahrungen, die wir in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten gemacht haben, an neue Herausforderungen anzupassen. Eine wichtige Voraussetzung für die Neuausrichtung und Stärkung der Forschungs- und Entwicklungskapazitäten in Vietnam war die Evaluation der Forschungslandschaft im Projekt „VISION“ 2004 und 2005. Auch der Einsatz einer deutschen Expertin des „Centrums für Internationale Migration und Entwicklung (CIM)“, die im Auftrag des BMBF von 2001 bis 2005 am Nationalen Institut für Wissenschafts- und Technologie-Studien und Strategien – NISTPASS - beratend tätig war, hat unser gemeinsames Vorhaben in hohem Maß gefördert.
Die Gründung des Vietnamesischen Zentrums für die Evaluation von Wissenschaft und Technologie (VISTEC) 2005 war ein wichtiger Meilenstein. Sein Aufbau wird von Seiten des BMBF weiterhin durch die Entsendung eines deutschen CIM-Experten begleitet.
Die Interministerielle Arbeitsgruppe von BMBF und MOST zur wissenschaftlich-technologischen Zusammenarbeit hat bei ihrer letzten Sitzung im Oktober 2009 die Weichen für die Weiterentwicklung unserer erfolgreichen Kooperation gestellt. Dies wird unter anderem dadurch geschehen, dass der Fokus von der reinen Umweltforschung auf den der Nachhaltigkeitsforschung gerichtet wird. Hierdurch werden ökologische Belange auch in ihren Wechselbeziehungen zu Fragen der technologischen, wirtschaftlichen und soziokulturellen Entwicklung betrachtet. Auch Forschung im Zusammenhang mit dem drängenden Problem des Klimawandels wird hierin verstärkt enthalten sein. Im Bereich der Biotechnologie werden wir noch stärker als bisher das Ziel verfolgen, sogenannte „2+2 Projekte“ mit Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft auf Seiten beider Länder erfolgreich zu fördern.
Die Bilanz der wissenschaftlich-technologischen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Vietnam ist äußerst erfreulich. Man kann ohne Übertreibung feststellen, dass diese sich zu einer wesentlichen Säule unserer Partnerschaft entwickelt hat. Das BMBF wird gemeinsam mit MOST und den weiteren Partnern auf der vietnamesischen und der deutschen Seite dafür Sorge tragen, dass die Wissenschaftler unserer Länder bei ihrer Zusammenarbeit weiterhin gute Rahmenbedingungen vorfinden. So wird der Boden dafür bereitet, dass auch in Zukunft das Feld der Forschung und Entwicklung ein äußerst dynamisches und wesentliches Element der guten Beziehungen zwischen Deutschland und Vietnam bleibt.
Dr. Christian Stienen
Leiter des Referats Zusammenarbeit mit Asien und Ozeanien
im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
35. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der S. R. Vietnam
Die Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Republik Vietnam hat sich seit dem ersten Besuch von Vertretern des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) in Vietnam und der Durchführung der ersten gemeinsamen Forschungs- und Bildungsvorhaben im Jahr 1996 sehr fruchtbar entwickelt. Inzwischen existiert ein dichtes Netz von Forschungs- und Bildungskooperationen zwischen unseren Ländern. Die auch nach der Finanzkrise voraussichtlich anhaltende Dynamik der wirtschaftlichen Entwicklung Vietnams fördert diesen Prozess und wird selbst durch die intensive Kooperation nachhaltiger gestaltet.
Quelle:
Bundesministerium für Bildung und Forschung
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