Die bisher umfassendste wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Attentaten vom 13. November 2015 ist das im Juni 2016 gestartete, transdiziplinäre Forschungsprogramm „13. November“ (13-Novembre). Wissenschaftler des Nationalen Zentrums für Wissenschaftliche Forschung CNRS (Centre national de la recherche scientifique), des Nationalen Instituts für Gesundheit und medizinische Forschung Inserm (Institut national de la santé et de la recherche médicale) und des Pariser Hochschulverbunds heSam erforschen in den kommenden zehn Jahren das Verhältnis zwischen individueller und kollektiver Erinnerung. Sie führen dafür Interviews mit 1.000 Personen, die von den Attentaten des 13. November 2015 in unterschiedlichem Ausmaß betroffen sind. 920 Menschen beteiligen sich bereits, darunter 400, die die Ereignisse aus nächster Nähe miterlebt haben.
Das Programm hat zwei Säulen: Interviews, die von Historikern, Soziologen und Neuropsychologen entwickelt wurden sowie eine biomedizinische Studie mit dem Titel „Remember“, die sich dem posttraumatischen Syndrom und Resilienzmarkern widmet. Die Kerngruppe der 400 Personen nimmt an beiden Säulen teil. Am Ende sollen 2.000 Stunden Videomaterial der Interviews stehen, ein „seltenes nationales Kulturgut“, wie der Leiter des Programms, der Historiker Denis Peschanski, dem Onlinemagazin Educpros.fr gegenüber sagte. 150 Forscherinnen und Forscher sind an „13. November“ beteiligt. Das Programm wird mit insgesamt 20 Millionen Euro gefördert, unter anderem mit zehn Millionen Euro im Rahmen der französischen Exzellenzinitiative. Wie Peschanski erläuterte, gehen die Idee zu der Studie und insbesondere der Kohortenansatz auf eine amerikanisch-französische Kooperation im Bereich „Memory Studies“ zurück, an der er beteiligt war.
Wenige Tage nach den Attentaten in Paris am 13. November 2015 hatte der Präsident des CNRS, Alain Fuchs, zudem einen Projektaufruf veröffentlicht. Er forderte die akademische Gemeinschaft auf, Vorschläge einzureichen, die „helfen könnten, den durch die Attentate und ihre Folgen aufgeworfenen Fragen zu begegnen und Wege zu neuen Lösungen aufzeigen – soziale, technische, digitale“. Mehr als 300 Bewerbungen für Veranstaltungen oder Forschungsprojekte sind eingegangen, von denen 66 mit insgesamt mehr als 800.000 Euro gefördert wurden. Alle Fachbereiche beteiligten sich, zuallererst die Geistes- und Sozialwissenschaften. Darüber hinaus hat das CNRS auch Vorschläge aus der Chemie, der Informatik, der Mathematik und der Biologie erhalten. Am 28. November 2016 sollen die ersten Ergebnisse vorgestellt werden. Sie kommen aus unterschiedlichen Themenfeldern, wie zum Beispiel: die chemische Neutralisation von Sprengstoff, die Werdegänge radikalisierter Jugendlicher, die Diskriminierung von Muslimen, Data-Mining, die Traumata der Opfer, die Folgen für das archäologische Erbe, Propaganda im Internet oder die Rolle der Fiktion (Film und Fernsehen).
Nach dem Anschlag auf das Satiremagazin Charlie Hebdo im Januar 2015 hatten die Allianz für Geistes- und Sozialwissenschaften „Athena“, die französische Hochschulrektorenkonferenz CPU (Conférence des presidénts d’université) und das CNRS im April desselben Jahres zudem ein offenes Kolloquium organisiert. Es sollte Wissenschaftler, Studierende, gesellschaftliche Entscheidungsträger und Akteure der Nachrichtendienste, der Sicherheitsbehörden, der Justiz und der Bildung miteinander in Dialog bringen. Daraus sind gemeinsame Projekte zwischen Forschungs- und gesellschaftlichen Akteuren entstanden. So arbeiten beispielsweise die Polizei und Archäologen gemeinsam im Kampf gegen den Antiquitätenhandel, der eine wichtige Finanzierungsquelle für den internationalen Terrorismus darstellt. Das CNRS konnte dauerhafte Kooperationen mit mehreren Ministerien etablieren, darunter das Innen- sowie das Justizministerium. Weiterhin haben öffentliche Einrichtungen auf die Ausschreibung des CNRS reagiert (zum Beispiel der militärische Nachrichtendienst). Das CNRS hat darüber hinaus eine Sommerschule zum Thema „Radikalisierung“ und Kolloquien zur „Entstehung von Radikalisierung“, „Karrieren des Terrors“ und „Folgen der Attentate“ organisiert. So konnten sich die Wissenschaftler, die auf den CNRS-Aufruf reagiert haben, kennenlernen und wie das CNRS schreibt, eine „neue, unverzichtbare wissenschaftliche Gemeinschaft für Sicherheitsfragen“ entstehen.
Das CNRS Journal hat zudem ein Blog mit dem Titel „Die Forschung in Aktion gegen den Terror“ (Face au terrorisme, la recherche en action) ins Leben gerufen, auf dem Forschungsergebnisse vorgestellt werden (auf Französisch).