Für diese Analyse hatte INSERM (Institut National de la santé et de la recherche medicale) eine multidisziplinäre Arbeitsgruppe aus Epidemiologen der Bereich Umwelt / Gesundheit und Arbeitsmedizin sowie Toxikologen, Zell- und Molekularbiologen gebildet. Sie hatten die Aufgabe, Gründe für Gesundheitsrisiken von Arbeitern insbesondere im landwirtschaftlichen Milieu aufzuspüren sowie für die Effekte einer frühen Exposition von Föten und Kleinkindern zu untersuchen. Die Ergebnisse legen nahe, dass es eine positive Korrelation zwischen beruflicher Pestizidexposition und gewissen Krankheiten bei Erwachsenen gibt: Parkinson, Prostatakrebs und gewisse Blutkrebsarten. Darüber hinaus scheint die Pestizidexposition in der vorgeburtlichen und perinatalen Phase der Kindheit sowie im Kleinkindalter besonders risikoreich für die Entwicklung des Kindes zu sein.
Die Studie hatte sich mit einer außerordentlichen Vielzahl von Pestiziden und Pestizidklassen zu befassen: alleine in Frankreich seien 309 phytopharmazeutische Substanzen zugelassen, die sich nach Einsatzziel, Aktionsmodus, Chemikalienklasse oder Bestandsdauer in der Umwelt unterscheiden.
In Frankreich kommen danach 90% der Gesamtmenge in der Landwirtschaft zum Einsatz, aber auch in anderen beruflichen Sektoren: Unterhaltung von Straßen, Gärten, Parkanlagen. In der Industrie seien es die Herstellung, Holzbearbeitung etc… Sie kommen in der Human- und Veterinärmedizin zum Einsatz, bei der Insekten- und Ungezieferbekämpfung. Zu diesen Einsätzen kommen die der Privathaushalte hinzu (für Pflanzen, Tiere, Insektenbekämpfung, Gärten, Holz…).
Bei rund der Hälfte der Produkte handele es sich um Fungizide. 80 % dieser Fungizide würden beim Anbau von Getreide, Mais, Raps und Wein eingesetzt. Am häufigsten seien die aktiven Substanzen Schwefel und Glyphosat.
Beruflich geschehe die Kontaktierung meistens über die Haut, über die Atemwege nur unter besonderen Bedingungen. In der allgemeinen Bevölkerung werde die orale Aufnahme über die Lebensmittel als häufigste Exposition erachtet.
Die INSERM-Untersuchung hat acht Krebsarten näher untersucht: vier Blutkrebsarten, Prostata- und Hodenkrebs, Hirntumore und Melanome. Die Mehrzahl dieser Krebsarten seien auch in anderen Meta-Analysen also mögliche Folgen einer Pestizidexposition gefunden worden, im Allgemeinen jedoch ohne Unterscheidung der inkriminierten aktiven Substanzen. Hier geht die INSERM-Studie weiter.
Auch bei neurodegenerativen Erkrankungen (Parkinson, Alzheimer und amyotrophe Lateraldklerose) sind die INSERM-Experten weitergegangen.
Ein besonderes Augenmerk haben die Wissenschaftler auf den Einfluss von Pestiziden auf schwangere Landarbeiterinnen gelegt. Danach steige das Risiko der Fehlgeburten oder Missbildungen bei deren Pestizidexpositionen. Auch nach der Geburt zeigten Kleinkinder häufiger Beeinträchtigungen der Feinmotorik, der Sehschärfe oder des Kurzzeitgedächtnisses bei der weiteren Entwicklung des Kindes.
Auch Schwangere, die selbst nicht in der Landwirtschaft tätig sind, aber nahe eines landwirtschaftlichen Betriebes oder Haushaltes mit Pestizideinsatz leben, hätten in diesem Sinne ein erhöhtes Risiko.
Die Literatur erlaube noch nicht, präzise die molekularen und zellulären Wirkmechanismen aufzuzeigen, die eine Rolle bei den möglicherweise mit einer Pestizidexposition assoziierten Erkrankungen spielen, wenngleich erste Vermutungen formuliert werden. Das liege auch daran, dass oftmals Mischungen von Pesitziden einen konzisen Schluss erschwerten.
Die INSERM-Untersuchung schließt mit drei Empfehlungen:
- Es werden genauere Daten zur früheren und jetzigen direkten oder indirekten Pestizidexposition der Landarbeiter benötigt;
- Bei weiteren Studien muss genauer unterschieden werden zwischen beruflichen und privaten Expositionen und dabei auf die Entwicklungsphase der Exponierten geachtet werden;
- Multi- und transdisziplinäre Forschungsvorhaben müssen gefördert werden, um eine schnellere Charakterisierung der möglichen Gefahren zu erlauben, die von den aktiven Substanzen der Pestizide ausgehen.