Ursprünglich wurde Cannabis in Deutschland als Faserpflanze für Seile, Kleidung oder Papier angebaut. Dann geriet die Pflanze als potentielle Drogenpflanze in Verruf. Dabei ließen sich aus Cannabis viele gesundheitsfördernde Stoffe gewinnen: die sogenannten Cannabinoide. Diese seien vor allem in der Medizin, Ernährung oder im Bereich der Körperpflege wertvoll, so Prof. Dr. Graeff-Hönninger von der Universität Hohenheim, die das Team koordiniert. Allerdings seien das Wissen um die Cannabis-Pflanze und die Erfahrungswerte in Deutschland noch recht gering.
Dem Handel fehle nicht nur das nötige Wissen, sondern auch der Zugang zu Cannabis-Pflanzen. „Obwohl das verwendete Cannabis nicht als Rauschmittel verwendet werden kann, ist der Anbau in Deutschland streng geregelt“, so Prof. Dr. Graeff-Hönninger. Die Forschungseinrichtungen brauchen allerdings die Informationen der Unternehmen, welche Produkte in Planung sind oder von den Verbrauchern gewünscht sind. Nur so könnten Cannabis-Genetiken entwickeln werden, die den Ansprüchen des Handels gerecht werden.
Dabei profitieren Forschung und die Unternehmen voneinander. Der enorme zusätzliche Wissensschatz, der sich durch die Zusammenarbeit mit den kanadischen Partnern ergibt, führt zu einem noch größeren Vorteil für die am Netzwerk beteiligten Unternehmen, denn in Kanada ist Cannabis schon viel länger ein Thema als in Deutschland. Deshalb gibt es dort schon viel mehr Erfahrungswerte.
Prof. Dr. Graeff-Hönninger und ihr Team übernehmen nicht nur die Leitung des im Rahmen der Förderschiene „Internationale ZIM-Netzwerke“ ersten vom BMWI geförderten deutsch-kanadischen Netzwerks, sie arbeiten auch gezielt an der Weiterentwicklung phyto-cannabinoidreicher, THC-armer Cannabis-Genetiken. Die Pflanzen enthalten zwar kein Rauschmittel, aber andere Stoffe, sogenannte Cannabinoide, die in der Pharmazie oder im Lebensmittelsektor Anwendung finden können. Zukünftig wollen die Forscher Züchter und Unternehmen beraten, welche Genetik für welches Produkt am geeignetsten ist und für ausgewählte Genetiken Saatgut bereitstellen.
Vor allem mittelständische Unternehmen möchte Prof. Dr. Graeff-Hönninger ermutigen, sich dem Netzwerk anzuschließen. Für Unternehmen biete sich hier eine hervorragende Möglichkeit, sich den Bereich Cannabis zu erschließen. „Firmen haben die Möglichkeit, eigene Fragen an die Forschungseinrichtungen heranzutragen. Außerdem können Sie Fördermittel für eigene Projekte beim Ministerium beantragen.“ Im Rahmen des Netzwerks sei pro Projekt eine Förderung von 380.000 Euro möglich.
Das Projekt „Medizinisch phytocannabinoid-reiches (PCR) Cannabis“ ist das erste deutsch-kanadische Netzwerk, das vom Ministerium für Wirtschaft und Energie gefördert wird. Aktuell besteht es aus vier kanadischen und sieben deutschen Partnern. Das Netzwerk ist zunächst für 18 Monate bewilligt, jedoch mit der Option, drei weitere Jahre gefördert zu werden.