Die französische Ministerin für Hochschulbildung, Forschung und Innovation Frédérique Vidal hat eine erste Bilanz der Anfang des Jahres neustrukturierten Studienplatzvergabe über die Plattform Parcoursup gezogen. Über Parcoursup werden 85 Prozent aller französischen Studienplätze vergeben. Ziel war es insbesondere, die Studienplätze gezielter nach den Vorkenntnissen der Bewerber zu vergeben und damit das Abbruchrisiko zu minimieren. Auch sollte das bis letztes Jahr praktizierte Losverfahren für begehrte Studienplätze vermieden werden.
Wie Vidal im Ministerrat am 12. September 2018 mitteilte, konnte 600.000 Abiturienten und Studienplatz-Wechslern bis zum offiziellen Stichtag am 5. September 2018 ein Platz ihren Wünschen entsprechend angeboten werden. Mehr als 2,37 Millionen Vorschläge seien insgesamt unterbreitet worden. Und noch über 100.000 freie Studienplätze seien zu vergeben. Wie wiederum das Online-Magazin Educpros.fr berichtete, stehen dem 45.000 Bewerber noch ohne Zusage gegenüber.
Vidal führte weiter aus, dass die Bewerber davon profitiert hätten, dass erstmals in allen Studiengängen eine Quote für Bezieher von Studienbeihilfen, sprich aus einkommensschwachen Familien, verpflichtend gewesen sei. Auch hätten Fachabiturienten (bac technologique) und Abiturienten mit einem berufsorientierenden Abitur (bac professionnel) von der Mindestquote für die berufsbildenden Kurzstudiengänge profitiert. Denn obwohl die Studiengänge genau für diese Zielgruppe konzipiert worden seien, bewarben sich in der Vergangenheit aufgrund der guten Berufsaussichten viele Allgemeinabiturienten, die dann in der Regel bessere Chancen auf einen Platz hatten. 65 Prozent der Abiturienten mit einem berufsorientierenden Abitur (2017: 53 Prozent) und 21 Prozent der Fachabiturienten (2017: zwölf Prozent) hätten dieses Jahr einen passenden Vorschlag für ein entsprechendes Kurzstudium erhalten. Zwischen den Regionen habe es zudem größere Mobilität gegeben: So konnte man sich auf Parcoursup im Gegensatz zum Vorgängersystem Admission Post Bac auch auf Plätze in gefragten Studiengängen anderer Regionen bewerben. So wurde 43 Prozent der Bewerber aus Créteil im Südosten von Paris ein Studienplatz in der Hauptstadt angeboten (2017: zwölf Prozent).
Bis 21. September 2018 können in der Zusatzphase die noch insgesamt 127.000 freien Studienplätze vergeben werden. Falls die zukünftigen Studierenden dafür umziehen müssten, werden vom Ministerium für Hochschulbildung, Forschung und Innovation MESRI (Ministère de l’enseignement supérieur, de la recherche et de l’innovation) Mobilitätsbeihilfen und Wohnheimplätze angeboten.
Wie Educpros.fr zudem berichtete, finden sich unter den noch freien Plätzen auch stark nachgefragte und selektive Studienangebote wie etwa die zweijährigen Vorbereitungsklassen für die Grandes Écoles oder Sportwissenschaften (Sciences et techniques des activités physiques et sportives, Staps). In der bei Studierenden beliebten Region Île-de-France waren am 6. September 2018 noch über ein Fünftel der Studienplätze unbesetzt. Abschließende Erklärungen dafür stehen noch aus. Erste Vermutungen: Sehr gute Bewerber haben gleichzeitig mehrere selektive oder nachgefragte Angebote erhalten, da bis zu zehn Studienwünsche ohne Priorisierung angegeben werden konnten. Sollten sie die Entscheidungsfrist dann vollständig genutzt haben, könnte es für potentielle Nachrücker aufgrund von etwa Wohnungssuche oder ähnlichem zu spät gewesen sein. Ebenso wird davon ausgegangen, dass die neu eingeführten zusätzlichen Bewerbungsunterlagen wie Motivationsschreiben Bewerber abgeschreckt haben könnte. Zudem waren zum Wintersemester auf Anordnung des MESRI ca. 30.000 neue Studienplätze geschaffen worden.
Zum Nachlesen
- Elysee.fr (12.09.2018): Compte-rendu du Conseil des ministres du mercredi 12 septembre 2018
- Educpros.fr (13.09.2018): Parcoursup : le mystère des places vacantes