Nachdem in den letzten Jahren die IPBES-Vollversammlungen (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services) vor allem Beschlüsse zu den Strukturen und Abläufen auf der Agenda hatten, werden beim diesjährigen 4. Plenum (IPBES-4) in Malaysia nun erstmals konkrete Inhalte präsentiert. So sollen die ersten beiden wissenschaftlichen Assessments zu Bestäubern, Bestäubung und deren Rolle zur Ernährung, sowie Empfehlungen zur Nutzung von Zukunftsszenarien und Modellen für die politische Entscheidungsfindung, von den Politikvertretern verabschiedet werden.
„Es ist ein guter Bericht geworden, der ein hohes Potenzial hat, politisch ernst genommen zu werden", meint Dr. Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ in Halle. Er ist koordinierender Leitautor des Kapitels „Triebkräften des weltweiten Bestäuberrückgangs" und Mitautor der Zusammenfassung für Politikschaffende, die in Kuala Lumpur vom Plenum Zeile für Zeile diskutiert werden wird. Die Voraussetzungen sind deshalb so gut, da der Bericht unter Beteiligung sowohl von Regierungen als auch Interessenvertretern wie Naturschutzverbänden und Industrie entstanden ist. „Dennoch enthält er klare und direkte Aussagen, die politisch durchaus etwas bewirken können", betont Settele im Interview mit NeFo.
IPBES wurde 2012 von der UN-Vollversammlung ins Leben gerufen. Das zwischenstaatliche Politikberatungsgremium im Bereich Naturschutz und Nachhaltigkeit soll das Bewusstsein für den Wert der biologischen Vielfalt und die Konsequenzen aus ihrem Verlust für das menschliche Wohlergehen erhöhen. Inhaltlich soll IPBES die globalen Verhandlungen im Bereich Naturschutzpolitik, speziell im Rahmen der UN-Konvention zur biologischen Vielfalt (CBD), mit einer einheitlichen Wissensbasis zu den drängendsten Problembereichen unterfüttern. Denn das schleppende Vorankommen bei der Erreichung der UN-Biodiversitätsziele wurde u.a. auf die uneinheitliche und lückenhafte Wissensbasis der Staatenvertreterinnen und -vertreter bei den globalen Verhandlungen zurückgeführt.
Um die 1000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus allen Weltregionen arbeiten derzeit an zwölf Berichten, die sukzessive bis 2019 vorliegen sollen. Ähnlich dem IPCC erstellen sie dabei keine neuen Studien, sondern bewerten die bestehende Wissenslage. Das Ergebnis soll ein konsolidierter, von allen Mitgliedstaaten und relevanten Interessengruppen anerkannter, Überblick über das relevante Wissen verschiedener Bereiche der biologischen Vielfalt sein. Über die Wissenschaft hinaus sind neben den Regierungen auch andere Interessensvertreter wie Vertreter von Industrie- und Naturschutzverbänden, aber auch von indigenen Gruppen am Erstellungsprozess beteiligt.
IPBES hat den Anspruch, als neutrales wissenschaftliches Beratungsgremium im Politikfeld des Globalen Wandels wahrgenommen zu werden. Die notwendige Politikrelevanz, Legitimierung und Glaubwürdigkeit soll durch aufwändige demokratische Abläufe beim Aufbau des Gremiums selbst und der Assessments erreicht werden, etwa durch möglichst ausgeglichene Beteiligungen von Geschlechtern, Weltregionen und Disziplinen. Besonders die Einbindung der so genannten Stakeholder (Interessensgruppen- und Wissensträger) soll die Relevanz der Ergebnisse für die Anwender sicherstellen und größtmögliche Akzeptanz schaffen.
Dass im Autorenteam des Bestäuberassessments auch zwei Vertreter der Pflanzenschutzmittelindustrie waren, stieß bereits kurz nach Start des Assessments auf Kritik einiger nicht beteiligter Forscher. Settele sieht darin allerdings kein Problem. „Die Diskussionen verliefen überwiegend konstruktiv." Settele, der auch schon am 5. Bericht des IPCC beteiligt gewesen ist, unterstützt die breite Beteiligung von Stakeholdern zugunsten erhöhter Politikrelevanz grundsätzlich. „Es geht ja hier auch um Aktionsbereiche der Industrie, die von solchen Politikprozessen wirtschaftlich betroffen sind. Wenn deren Sichtweisen gar nicht erst diskutiert werden, fände das Resultat auch nicht entsprechende Anerkennung."
Stakeholderwissen wird aber auch überall dort interessant, wo die Wissenschaft mit ihrer Datenlage an ihre Grenzen stößt. Ein flächendeckendes Monitoring zur biologischen Vielfalt weltweit gibt es nicht, weder zu ihrem Zustand und Entwicklung noch zu den Ursachen des Rückgangs. Praxiswissen und indigenes Wissen aus generationenlangen Erfahrungen können hier Langzeitstudien ergänzen und die Berichte mit Vorschlägen zu Maßnahmen wie alternativen bzw. traditionellen Nutzungsformen anreichern.
Allerdings ist die systematische Einbindung indigenen und lokalen Wissens in dieser Form ein Novum und stellt für die strenge Qualitätsstandards gewöhnten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine gewisse Herausforderung dar. Im Bestäuberbericht wurde indigenes Wissen vorwiegend anekdotisch genutzt. Es werden Nutzungsbeispiele von Bienen in verschiedenen Regionen beschrieben. „Damit hatte keiner der Wissenschaftler Schwierigkeiten – auch wenn die gewohnten Qualitätskriterien fehlten", erzählt Settele.
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