Wie interpretieren und regulieren Milliarden von miteinander verbundenen Zellen im Gehirn sämtliche Körperfunktionen und speichern noch dazu all unsere Erinnerungen und Erfahrungen? Das zu verstehen, bleibt eine der größten Herausforderungen der medizinischen Wissenschaft, aber auch eine der reizvollsten, die möglicherweise die Tür zu Heilmitteln für Krankheiten wie Alzheimer, Demenz und Parkinson öffnen wird.
Eines ist klar: Zur Verwirklichung dieses Traums sind sorgfältige Untersuchungen der zahlreichen Mechanismen und Prozesse auf den genetischen und biochemischen Ebenen des Gehirns erforderlich. Darüber hinaus müssen die Wissenschaftler das Verhalten von Neuronen, den Zellen, die Informationen verarbeiten und durch elektrische und chemische Signale übermitteln, besser verstehen und erforschen wie sich diese an äußere Reize anpassen.
Solche Forschung ist zeitaufwändig und teuer und es ist dann noch ein weiter Weg bis zu einem umfassenden Verständnis des Gehirns zu gehen. Es wäre daher sinnvoll, junge Wissenschaftler in innovativen zukunftsweisenden Projekten auszubilden, sodass sie anschließend das in diesen Projekten erlangte Wissen in anderen Studien und Programme anwenden können.
Genau das ist das Ziel des EU-finanzierten Projekts FLIACT ("Systems neuroscience of Drosophila: from genes to circuits to behaviour"), das am Anfang ihrer Karriere stehende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in modernsten Konzepten und Techniken ausbildet. Das FLIACT-Programm verfolgt das Ziel, ein einzigartiges europaweites Ausbildungsnetz zu schaffen, an dem sich acht akademische Partner und drei KMU beteiligen, die in sich ergänzenden Bereichen der Forschung spezialisiert sind. Sie decken die Bereiche molekulare und verhaltensgesteuerte Neurogenetik, Elektrophysiologie, Biotechnologie und angewandte Biomedizin ab. von deutscher Seite sind die Johannes-Gutenberg-Universität Mainz und die Max-Planck-Gesellschaft beteiligt.
Um den Wissenstransfer in diesem Netzwerk zu erleichtern und aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen, konzentriert sich FLIACT auf den Modellorganismus der Fruchtfliege, Drosophila melanogaster. In den letzten Jahrzehnten hat sich die winzige Fruchtfliege zum wichtigsten Modell entwickelt, wenn es um die Untersuchung unserer Wahrnehmung und die Integration von Informationen aus unseren fünf Sinnen geht. Drosophila hat sich auch als leistungsfähiges Modell für die Untersuchung der genetischen Grundlagen von neurodegenerativen Erkrankungen, die Menschen betreffen, erwiesen.
Da die Drosophila eine Million Mal weniger Neuronen als der Mensch besitzt, soll das Studium ihres Gehirns Licht in die allgemeinen Grundsätze der funktionellen Organisation von neuronalen Schaltkreisen bringen.
Ein wichtiger langfristiger Nutzen dieses Projekts wird die Entwicklung eines Fruchtfliegentoolkits sein, das zur Untersuchung der Funktion von neuronalen Schaltkreisen in vivo und zur wissenschaftlichen Überprüfung ihrer Funktionen verwendet werden kann. Das Projekt soll den Neurowissenschaftlern von FLIACT die notwendige Unterstützung bereitstellen, um diese Tools effektiv zu nutzen.
Kurzfristig gesehen werden die Partner von FLIACT sich in gemeinsamen und individuellen Forschungsprojekten der Frage widmen, wie neuronale Schaltungsberechnung das Verhalten steuert und wie Schaltungs-Funktions-Beziehungen genetisch codiert sind. Zum Austausch bestmöglicher Praktiken wird das Projekt eine Reihe von interdisziplinären Workshops zu Neurogenetik, Neuroanatomie, Neuroimaging und Verhaltensanalyse sowie Transferfähigkeiten organisieren.
Da alle Workshops und Konferenzen der gesamten europäischen neurowissenschaftlichen Gemeinschaft offen stehen, werden auf diesem Wege die Auswirkungen des Projekts maximiert.