Die Position der HRK im Einzelnen:
Das Forschungsrahmenprogramm muss weiterhin vorrangig der Förderung wissenschaftlicher Exzellenz dienen. Zusätzlich sollten die EU-Strukturfonds stärker als bisher für den Aufbau von Exzellenz und der dafür notwendigen Kapazitäten in allen Regionen der EU eingesetzt werden. Mindestens 30 Prozent der Strukturfonds und 10 Prozent des Budgets der Gemeinsamen Agrarpolitik sollten in F&I-Projekte fließen. Die HRK spricht sich dafür aus, wissenschaftliche Begutachtungsverfahren („Peer Review“) bei der Entscheidung über die Förderung forschungsnaher Projekte in der Regionalpolitik systematisch zum Einsatz kommen zu lassen. Außerdem muss die Kombination verschiedener EU-Finanzinstrumente in F&I-Projekten dringend erleichtert werden – insbesondere mit Blick auf ihre sich oft widersprechenden Regelwerke.
Der geplante gemeinsame Rahmen darf allerdings nicht als Vorwand dienen, den Stellenwert der Forschungsfinanzierung zugunsten einer kurzfristig angelegten marktnahen Innovationsförderung aufzuweichen. EU-Förderung in Form von Finanzhilfen sollte grundsätzlich dem vorwettbewerblichen Bereich vorbehalten bleiben. Auch ein „Schönrechnen“ der Aussichten auf einen zukünftigen erhöhten EU-Forschungsetat (2014-2020) durch eine eventuelle Zusammenlegung der verschiedenen Programmbudgets in den Bereichen Forschung und Innovation ist abzulehnen. Wenn die EU die Forschung und Innovation in den Mittelpunkt ihrer Dekadenstrategie rückt, muss sie auch die hierfür nötigen zusätzlichen Mittel bereitstellen.
Eine umfassende und themenoffene Förderung der Grundlagenforschung ist von größter Bedeutung, wenn Europa seine Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit auch in Zukunft sicherstellen möchte. Sie darf nicht nur auf den Europäischen Forschungsrat (ERC) begrenzt werden, sondern muss ebenso Teil der europäischen Verbundforschung bleiben, die verschiedene Mitgliedsstaaten sowie Hochschulen und Industrie in konkreten Projekten zusammenführt. Es wäre auch nicht ersichtlich, warum die länderübergreifende Wissenschaftskooperation nur in der anwendungsnahen Forschung einen europäischen Mehrwert bewirken sollte.
Die Europäische Verbundforschung hat den vermutlich größten Beitrag zum bisherigen Aufbau des Europäischen Forschungsraums geleistet und muss daher auch künftig das Kerninstrument der europäischen Förderpolitik bleiben. Fortschritte bei der administrativen Vereinfachung der Programmverwaltung sowie ausreichende Fördermöglichkeiten für kleinere und mittelgroße Projekte sind hierbei der Schlüssel, um die Partizipation von Wissenschaftseinrichtungen und Unternehmen, insbesondere der KMU, aus allen europäischen Regionen sicherzustellen. Dies bedeutet auch, dass Forschungsthemen, die in den großen Forschungsverbünden wie den Initiativen der Gemeinsamen Programmplanung oder der Energieforschungsallianz EERA („European Energy Research Alliance“) bearbeitet werden, nicht aus der Verbundforschung ausgegliedert werden dürfen. Andernfalls droht ein „closed shop“, der Hochschulen mit ihren dezentralen Forschungsnetzwerken und multipolaren Forschungsansätzen besonders treffen könnte.
Der Europäische Forschungsrat (ERC) bedarf nicht nur einer finanziellen Aufstockung; es muss auch sichergestellt werden, dass er den Kernprinzipien treu bleibt, die seinen bisherigen Erfolg begründen: Exzellenz als einziges Förderkriterium, Themenoffenheit und Förderung individueller Forschungsprojekte („investigator-driven research“). Für die Erfüllung anderer Ziele wie etwa die Förderung von (marktnaher) Innovation, der Kohäsion innerhalb der EU oder der internationalen Kooperation allgemein ist der ERC hingegen ungeeignet. Damit er sich weiter international als Referenz in der Exzellenzförderung etablieren kann, ist ein hohes Maß an wissenschaftlicher und administrativer Autonomie unerlässlich. Diese kann nur durch einen starken wissenschaftlichen Rat gesichert werden, der seine Entscheidungen – einschließlich der Fragen seiner Besetzung – frei von äußerer Einflussnahme und bei größtmöglicher Transparenz fällt.
Die HRK begrüßt die geplante stärkere Ausrichtung der EU-Forschungsförderung auf die großen gesellschaftlichen Herausforderungen Europas, wenn sie umsichtig und konsequent betrieben wird. Das heißt, die Fokussierung auf bestimmte prioritäre Forschungsbereiche muss technologie- und lösungsoffen gestaltet und durch themenoffene Ausschreibungen flankiert werden, um eventuelle Fehlsteuerungen zu vermeiden. Konsequent kann die Ausrichtung auf gesellschaftliche Herausforderungen nur dann sein, wenn sie den Erkenntnissen und Lösungen, die die geistes- und gesellschaftswissenschaftliche Forschung anzubieten hat, stärker als bisher Rechnung trägt. Die HRK fordert deshalb ein entsprechendes Unterprogramm mit eigenem Budget, welches sowohl die Förderung eigenständiger Forschung in den genannten Fachdisziplinen, als auch die Teilnahme an interdisziplinären Forschungsprojekten erlaubt.
Die europäische Doktorandenförderung, insbesondere durch die ITN („Initial Training Networks“) läuft Gefahr, Opfer ihres eigenen Erfolgs zu werden, wenn sie nicht finanziell besser ausgestattet wird. Etwaige Überlegungen, die Zahl der geförderten Projekte und damit auch die Erfolgsquoten bei der Antragstellung durch die Einführung von Kofinanzierungsverpflichtungen zu erhöhen, wären geeignet, ein bewährtes Förderinstrument dauerhaft zu beschädigen. Neben der Möglichkeit zur kostendeckenden Teilnahme ist aus Sicht der deutschen Hochschulen auch die Themenoffenheit ein Erfolgsfaktor, an dem unbedingt festgehalten werden muss. So kann beispielsweise die an sich richtige Förderung der „intersektoralen Mobilität“ von Doktoranden zum Ausschluss bestimmter Fachdisziplinen führen, wenn nur Aufenthalte in der Industrie, nicht aber im zivilgesellschaftlichen oder öffentlichen Sektor angestrebt werden.
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