Jean Tirole ist ausgebildeter Mathematiker und studierte an der École Polytechnique, wo er begann, sich für die Wirtschaftswissenschaften zu interessieren. Er promovierte an der Universität Paris-Dauphine in Mathematik sowie in Wirtschaftswissenschaften am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Dort lehrte er anschließend einige Jahre und ist seitdem Gastprofessor. 2007 erhielt er die in Frankreich höchste wissenschaftliche Auszeichnung, die Médaille d’or des CNRS. Der Nobelpreis wird ihm nun von der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften für seine Forschungen über das Spannungsverhältnis von Marktmacht und Regulierung verliehen. Das Bildungsministerium teilte mit, man sei stolz auf diese Anerkennung der in Frankreich entwickelten wirtschaftswissenschaftlichen Denkschule, die auf exzellenter Lehre und Forschung beruhe.
Jean Tirole lehrt und forscht an der noch jungen TSE, die in Frankreich als die beste Einrichtung für Wirtschaftswissenschaften gilt. Laut dem RePEc-Ranking der Universität Connecticut (Research Papers in Economics) liegt sie im weltweiten Vergleich von wirtschaftswissenschaftlichen Einrichtungen auf Platz 10.
Hinter der TSE steht die Stiftung Jean-Jacques Laffont-Toulouse sciences économiques-TSE, die 2007 gegründet wurde und deren wichtigster Mitinitiator Tirole war. Er ist bis heute ihr Verwaltungsratsvorsitzender. Die Stiftung steht in der Tradition des Ökonomen Jean Jacques Laffont, mit dem Tirole eng zusammen arbeitete. Laffont verfolgte bereits in den 1980er Jahren das Ziel, die Universität Toulouse I in den Wirtschaftswissenschaften international erfolgreich zu machen. Die rechtliche Struktur der Stiftung ist für die französische Hochschul- und Forschungslandschaft bemerkenswert, da ihr Stiftungskapital eine Kombination aus öffentlichen und privatwirtschaftlichen Geldern ist. Bei der offiziellen Einweihung 2008 verpflichteten sich elf Unternehmen (u.a. Axa, Total und EDF) sowie eine Privatperson innerhalb von fünf Jahren 33 Millionen Euro zu spenden. Hinzu kamen staatliche Gelder in gleicher Höhe sowie Beiträge der Gründungseinrichtungen (CNRS, Ecole des hautes études en sciences sociales (EHESS), Universität Toulouse I und das Nationale Forschungsinstitut für Agronomie (INRA)). Am Ende standen 62 Millionen Euro Stiftungskapital, deren Zinserträge der TSE bis heute relative Handlungsfreiheit gewährleisten. Nachdem die TSE zu Beginn vor allem eine Forschungseinrichtung war, wurde die wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Toulouse I 2011 komplett in die TSE eingegliedert, eine weitere Premiere. Seitdem bietet sie Abschlüsse mit verschiedenen wirtschaftswissenschaftlichen Schwerpunkten auf allen Ebenen des europäischen Hochschulraums (Bachelor/Master/Doktorat) an. Die TSE ist damit eine Grande École innerhalb einer Universität und sieht sich dadurch selbst als „3. Weg“ zwischen beiden Hochschultypen. Auch hierin ist sie eine Pionierin in Frankreich.
Von Anfang an hat es sich die TSE zur Aufgabe gemacht, die weltweit besten Ökonomen nach Toulouse zu holen und ihnen attraktive Arbeitsbedingungen zu bieten. Heute sind 50 % der Studierenden und 30 % der Wissenschaftler internationaler Herkunft. Zum Vergleich: In Frankreich kommen im Durchschnitt etwa 10 % der Studierenden und je nach Einrichtung zwischen 10 und 14 % der Wissenschaftler aus dem Ausland. Ab dem Master 1 wird an der TSE vollständig in Englisch unterrichtet. 2.000 Studierende, 160 Wissenschaftler und 100 Doktoranden studieren und forschen an der Hochschule.
Wie die französische Evaluierungsagentur AERES zudem kürzlich in einem Gutachten feststellte, haben Wissenschaftler der TSE seit 2009 neun der hochkompetitiven „Starting“- und „Advanced“-Grants des European Research Council (ERC) eingeworben und die TSE damit zu erfolgreichsten Einrichtung der ERC-Ausschreibungen im Bereich Wirtschaftswissenschaften gemacht. Auch im Rahmen weiterer europäischer Programme, Ausschreibungen der französischen Agentur für Forschungsprojektförderung ANR sowie der französischen Exzellenzinitiative wurden und werden zahlreiche Projekte der TSE gefördert.
Die TSE kooperiert im Rahmen von ERASMUS mit der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und der Humboldt Universität zu Berlin. Darüber hinaus arbeitet sie im Studierendenaustausch mit der Universität Mannheim sowie der Ludwig-Maximilians-Universität München zusammen.
Zahlreiche Wissenschaftler und Politiker gratulierten Tirole zu seiner Auszeichnung. Neben ihm wurde der französische Autor Patrick Modiano mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet. Der französische Premierminister Manuel Valls äußerte sich erfreut über den zweifachen Erfolg: „Eine schöne Lektion für alle, die Frankreich permanent kritisieren und die jeden Tag feststellen, dass es ein Problem in Frankreich gibt, obwohl Frankreich trotz aller Schwierigkeiten und mit Optimismus den Blick in die Zukunft richtet.“
Jean Tiroles Lebenslauf (in Englisch): http://idei.fr/doc/cv/tirole_en_2014.pdf