„Zweifellos hat die Dynamik zwischen Ethik, Religion und Wirtschaft in der globalisierten Welt von heute eine noch nie dagewesene Komplexität erreicht. Das macht die Forschungsarbeit des Max Planck - Cambridge Centre äußerst relevant. Diese Kooperation bringt herausragende Wissenschaftler der Max-Planck-Gesellschaft und der University of Cambridge mit jeweils ergänzenden Fähigkeiten zusammen. Ich freue mich sehr darüber, dass wir in einer Zeit der vom Brexit verbundenen Unsicherheit eine weitere weithin sichtbare Zusammenarbeit mit britischen Spitzenwissenschaftlern begründet haben", sagt Martin Stratmann, Präsident der Max-Planck-Gesellschaft. Er zählte bei der Einweihungsfeier genauso zu den Rednern wie der Vizekanzler der University of Cambridge, Stephen Toope, und die vier Co-Direktoren der Zentrums.
Die Art und Weise, wie eine Gesellschaft ihre Wirtschaft organisiert, lässt sich nur verstehen, wenn man ihre ethischen Grundlagen im Blick hat. So war beispielsweise die Anhäufung von materiellem Besitz vor dem Aufstieg des Kapitalismus so gut wie nie Kennzeichen moralisch, aufrechten Handelns. Wie aber kam es, dass dieser Besitz von Gütern wünschenswert und tugendhaft wurde? Max Weber stellte und beantwortete diese Frage in seinem Essay „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“, indem er den Zusammenhang von ökonomischem sowie von religiösem und ethischem Wandel herstellte. Dabei wies er auch darauf hin, dass große gesellschaftliche Umwälzungen immer mit tiefgreifenden Veränderungen einhergehen hinsichtlich der Vorstellung, was es heißt, ein guter Mensch zu sein.
Die nachhaltige Bedeutung dieser Zusammenhänge in Webers Thesen führt dazu, dass sie noch heute zu den meist diskutierten Themen in den Sozialwissenschaften gehören. Das neue Max Planck - Cambridge Centre for Ethics, Economy and Social Change (Max-Cam) wird sich diesen Debatten anschließen, in dem es ethnographische Forschungsmethoden der empirischen Kultur- und Sozialwissenschaften einbringt. Inspiriert nicht nur von Max Weber, sondern einem ganzen Spektrum klassischer wie aktueller Theorien, interessieren sich die Max-Cam Forscher zudem besonders dafür, wie rituelle Praktiken – beispielsweise gemeinsame Feiern oder andere Formen der Selbstvergewisserung – ethischen wie ökonomischen Wandel verhindern oder unterstützen.
„Nach der globalen Finanzkrise besteht weiterhin großes öffentliches Interesse an den ethischen Grundlagen des Kapitalismus. Indem wir die Ethik transnationaler Unternehmen mit in den Blick nehmen, erarbeiten wir auch neue Ansätze zur Beantwortung drängender sozialer Fragen“, betonen die vier Co-Direktoren James Laidlaw und Joel Robbins (Fakultät für Sozialanthropologie der University of Cambridge), Chris Hann (Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung, Halle/Saale) und Peter van der Veer (Max-Planck-Institut zur Erforschung multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften, Göttingen).
Zusammenarbeit über den Brexit hinaus
Das Max Planck - Cambridge Centre for Ethics, Economy and Social Change ist ein Gemeinschaftsprojekt dieser Institutionen und nahm im Juli 2017 seine Tätigkeit auf. „Wir bringen unterschiedliche Expertise zusammen und können so neuartig die Grundlagen von gegenwärtigem sozialen Wandel untersuchen. So bringt die Fakultät in Cambridge die Stärke zur Entwicklungsgeschichte der Ethik ein, das Göttinger Institut ist führend beim Einfluss von Religionen und das Institut in Halle bei der wirtschaftlichen Anthropologie“, erklären die Direktoren. Das Zentrum mit einem Budget von etwa 2.270.000 Euro wird von der University of Cambridge und der Max-Planck-Gesellschaft gemeinsam finanziert. Sechs Postdoktoranden werden Feldforschung an verschiedenen Orten rund um die Welt betreiben. „Wir hoffen, dass wir unsere Aktivitäten erweitern können, beispielsweise, in dem wir Stellen für Gastwissenschaftler anbieten und sich das Center so zu einer dauerhaften Drehscheibe für kreative Initiativen entwickelt“, betonen die Co-Direktoren. In den kommenden vier Jahren finden sowohl in Cambridge als auch an den beiden deutschen Standorten öffentliche Vorträge, Workshops und Konferenzen statt. Damit soll das Zentrum auch in Zeiten des Brexit den Wert einer gut etablierten europäischen Kooperation in der Wissenschaft wie in der Gesellschaft untermauern.