Cambridge
Der Cluster Cambridge erstreckt sich über ein Gebiet mit einem Radius von 25 km um die Universität Cambridge, rund 85 km nordöstlich von London. Als einer der erfolgreichsten Hightech-Cluster in Europa wird das Gebiet im Süden des Distrikts Fenland häufig auch „Silicon Fen“ genannt. Cambridge ist die Hauptstadt der Grafschaft Cambridgeshire in der Region East of England. Der Cluster ist bekannt für seine herausragende Forschungs- und Innovationslandschaft, insbesondere die starke Vernetzung zwischen Wissenschaft, Industrie und Start-ups.
Die Struktur des Clusters wird geprägt von mehr als 120 Wissenschafts- und Forschungsparks und über 5.000 wissensintensiven Unternehmen. Fast die Hälfte der Unternehmen befindet sich in einem dieser Parks.
Die insgesamt 25.500 Unternehmen im Cluster erzielen einen kumulierten jährlichen Umsatz von über 51 Mrd. GBP. Die wissensintensiven Unternehmen erwirtschaften davon 21 Mrd. GBP.
Seit 2010 ist die regionale Wirtschaft – insbesondere in den wissensintensiven Sektoren – stark gewachsen. Nach Umsatzeinbußen während der Covid-Pandemie sind die Umsätze in den Jahren 2021-22 um 17 Prozent gewachsen.
Die Anzahl der Patentanmeldungen je 100.000 Einwohner liegt in Cambridge bei 258; die der Gründungen pro 10.000 Einwohner bei ca. 35. Außerdem hat der Cluster bisher 23 Einhörner (Start-ups mit einer Marktbewertung von über einer Milliarde USD) hervorgebracht.
Die Bevölkerung in Cambridge ist zwischen 2011 und 2021 um insgesamt 17,6 Prozent auf ca. 146.000 gestiegen. Rund 72.000 Beschäftigte arbeiten in wissensintensiven Berufen. Der Anteil dieser Arbeitsplätze an allen Arbeitsplätzen beträgt 30 Prozent, während der Durchschnitt in Großbritannien bei 12 Prozent liegt. Das jährliche Beschäftigungswachstum in wissensintensiven Berufen lag in den vergangenen sechs Jahren bei 6,5 Prozent. Parallel dazu liegt die Arbeitslosenrate in Cambridge etwa bei einem Viertel des landesweiten Durchschnitts.
Der Cluster gilt international als erstrangige Adresse. In internationalen Rankings findet sich dies aufgrund der Clusterstruktur jedoch kaum wieder. Cambridge ist im Hinblick auf geographische Größe und Bevölkerung eine verhältnismäßig kleine und außerdem eine Universitätsstadt. Diese geringere Größe wirkt sich auf die Sichtbarkeit und den Einfluss der Stadt auf globaler Ebene aus, da viele Rankings neben den Innovationsmetriken auch die Gesamtwirtschaftsleistung und -größe berücksichtigen.
- Im Global Innovation Index 2024 belegt Cambridge Platz 66 in den Top 100 science and technology (S&T) clusters (Kriterien: Dichte der Erfinderinnen und Erfinder und wissenschaftlichen Autoren und Autorinnen) und Platz 1 in dem (nach Bevölkerungszahl normalisierten) Ranking of S&T intensity (herausgegeben von Cornell University, INSEAD, WIPO)
- Im Global Startup Ecosystem Index 2024 belegt Cambridge weltweit Platz 72 und ist das zweitbestplatzierte Start-up Ökosystem in Großbritannien.
- Nationale Indices wie der City UK Competitive Index 2023 sehen Cambridge auf Platz 3 bei der Generierung ökonomischen Wachstums und gut bezahlter Arbeit. In der Rubrik Zusammenarbeit mit lokalen Unternehmen belegt die Region Greater Cambridge and Greater Peterborough Platz 11.
- Der UK Tech Nation Report 2024 sieht Cambridge auf Platz 17 der weltweit wertvollsten Tech-Standorte mit einer Gesamtbewertung von 105 Mrd. USD im Jahr 2023.
Hightech Branchen und Innovationsfelder
Der Cluster weist besondere Stärken in den Bereichen Informationstechnologie, Biotechnologie und Gesundheitswissenschaften und auf. Darüber hinaus gibt es weitere, teils neue Innovationsfelder.
Informations- und Telekommunikationstechnologien
IKT ist mit fast 3.000 Unternehmen und über 23.000 Beschäftigten der größte Sektor im Cluster und weist die zweithöchste Wachstumsrate auf.
Die Unternehmen widmen sich insbesondere der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz, des „Internet der Dinge“, vernetzter Geräte, Unternehmenssoftware und Cloud-Computing, Anwendungs- und Softwareentwicklung sowie Datenverwaltung und -analyse. Auch der Online-Gaming-Sektor floriert, ebenso wie die digitale Gesundheitstechnologie.
Biotechnologie und Gesundheitswirtschaft
Die Biotechnologie und Gesundheitswirtschaft ist der am schnellsten wachsende Sektor mit einer zweieinhalb höheren Beschäftigungsrate als noch 2010. Während der Covid-Pandemie verzeichnete die Region ein Beschäftigungswachstum von 10,3 Prozent und zählt nun knapp 23.000 Beschäftigte in über 600 Unternehmen.
Besondere Stärken liegen in den Bereichen Pharma und Medizintechnik, Präzisionsmedizin, KI/maschinelles Lernen im Gesundheitswesen und Medizinrobotik sowie klinische und technische Dienstleistungen im Bereich der Biowissenschaften.
Der Cambridge Biomedical Campus ist das Herzstück des Biotechnologie- und Gesundheitsclusters in Cambridge und das größte Zentrum für medizinische Forschung und Gesundheitswissenschaften in Europa.
Hightech-Fertigung
Das University of Cambridge Institute for Manufacturing (IfM) wurde 1998 gegründet. Ein integraler Bestandteil des IfM ist das Innovative Manufacturing Research Centre, dessen Aktivitäten von der industriellen Photonik über Automatisierungs- und Produktionssysteme bis hin zu Fertigungsstrategien und wirtschaftspolitischer Beratung reichen.
Das Cambridge Graphene Centre fördert und etabliert gemeinsame Forschung zwischen Industrie und Wissenschaft mit einem Fokus auf radikale Innovationen. Der Schwerpunkt liegt auf Anwendungen für Graphen, Kohlenstoff-Allotrope, Schichtkristalle und hybride Nanomaterialien.
Im Cluster agieren derzeit über 690 Unternehmen in diesem Sektor.
Lebensmittelsektor/Landwirtschaft
Cambridge liegt in einer der fruchtbarsten Gegenden des Vereinigten Königreichs. Im östlichen Teil der Region befindet sich ein weltweit führender Zusammenschluss aus Unternehmen und Wissenschaft, der an Pflanzenwissenschaften forscht, um Lösungen für die großen globalen Herausforderungen in Bezug auf Ernährungssicherheit und Klimawandel zu finden.
Das National Institute of Agricultural Botany (NIAB) ist ein bedeutendes internationales Zentrum für Pflanzenforschung, Erntebewertung und Agronomie.
Cluster und Netzwerke
In Cambridge haben sich aus diversen Akteuren Initiativen und Netzwerke etabliert mit dem Ziel, die Innovationskraft und wirtschaftliche Entwicklung in der Region zu fördern; u.a.:
- Innovate Cambridge: Organisator des Ökosystems und Entwickler der Innovationsstrategie. Unterstützen dabei, theoretisches Wissen in praktische Anwendung zu übertragen.
- Cambridge Global Innovation Hub: von Studierenden gegründetes Netzwerk zur Förderung von Innovation, Forschung und Unternehmertum.
- Cambridge Centre for Innovation and Development: Plattform von Forschenden aus Cambridge zur Förderung von Innovation und Weiterbildung.
- Cambridge Network: privatwirtschaftliche Netzwerkorganisation mit dem Ziel, die wirtschaftliche Entwicklung in der Region zu unterstützen und den Austausch zwischen Unternehmen und akademischen Einrichtungen zu fördern.
- Cambridge Ahead: eine Initiative aus Wirtschaft und Wissenschaft, die sich für das erfolgreiche Wachstum von Cambridge einsetzt.
Weiterhin gibt es in Cambridge über 30 thematisch aufgestellte Netzwerke und strategische Forschungsinitiativen der Universität Cambridge. Dazu gehören One Nucleus, eine Mitgliederorganisation für Biowissenschaften und Gesundheitswesen, CW (Cambridge Wireless), ein Zusammenschuss von Unternehmen, die sich mit der Entwicklung und Anwendung von Drahtlostechnologien beschäftigen, Agri-TechE, die Landwirte mit Wissenschaftlern und Technologieunternehmen zusammenbringt, um ein globales Innovationszentrum für Agrartechnologie zu schaffen, und Cambridge Cleantech, das Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeitstechnologien zusammenbringt.
Die stärkste Ballung von Hightech-Unternehmen gibt es heute im Cambridge Science Park und in angrenzenden Technologiezentren wie dem St. John’s Innovation Centre und dem Cambridge Business Park. Mittlerweile verfügt die Region über die meisten Technologieparks und -zentren in Großbritannien. Eine Übersicht wichtiger Forschungsparks findet sich hier: cambridge& science and business parks.
Die 37 wichtigsten Parks investieren jährlich etwa 2,4 Mrd. GBP in Forschung und Entwicklung (FuE), was 44 Prozent der FuE-Ausgaben der Unternehmen in der gesamten Region East of England entspricht.
Hochschullandschaft
Die Universität Cambridge wurde bereits im Jahr 1209 gegründet und gilt als eine der ältesten und renommiertesten Universitäten der Welt. Zu ihren Alumni und Partnern gehören 121 Nobelpreistragende, 47 Staatsoberhäupter und 210 Olympiamedaillengewinnende. Sie stellt sowohl den Mittelpunkt des Clusters als auch seine Gründungsinstitution dar.
Auch die Anglia Ruskin University spielt eine wesentliche Rolle unter den herausragenden Bildungseinrichtungen am Forschungsstandort. Die Hochschulen im Cluster sind Ausgangspunkt für eine Vielzahl von Start-ups – beispielsweise durch Businessplanwettbewerbe – und wissenschaftlichen Kooperationen zwischen Unternehmen und Forschungsinstitutionen in der Region. Die Kommerzialisierung von Wissen wird als ein hauptsächlicher Erfolgsfaktor des Clusters identifiziert.
In globalen Hochschulrankings wird die Universität Cambridge wie folgt gelistet:
- In den The Times Higher Education World University Rankings 2024 belegt die University of Cambridge Platz 5 der besten Universitäten weltweit und liegt damit national betrachtet nur hinter der University of Oxford (Platz 1).
- Im Shanghai Academic Ranking of World Universities belegt sie im Jahr 2024 Platz 4 weltweit und Platz 1 in Großbritannien.
- In den QS World University Rankings 2025 liegt sie auf Platz 5 der besten Universitäten weltweit.
Kooperationen mit Deutschland
Zwischen deutschen und in Cambridge angesiedelten Hochschulen bestehen diverse Kooperationen, wie beispielsweise im Bereich Chemie mit der RWTH Aachen oder der Universität Heidelberg oder auch der Technischen Universität Berlin in den Sachgebieten Software und Technik. Darüber hinaus gibt es mehrere Kooperationsvereinbarungen zum Studierendenaustausch im Gebiet der Rechtswissenschaft, insbesondere mit der Bucerius Law School in Hamburg.
Die Cambridge University German Society wurde 1908 gegründet und bietet eine Plattform für Studierende in Cambridge, um Verbindungen nach Deutschland zu knüpfen und zu stärken.
Gemeinsam mit der Universität Cambridge richtete der DAAD das „DAAD – University of Cambridge Forschungszentrum für Deutschland-Studien“ zur Intensivierung der Wissenschaftskontakte ein.
In Cambridge sind mehrere große deutsche Unternehmen und internationale Firmen mit bedeutenden deutschen Verbindungen aktiv. Zu den bedeutendsten zählen Bayer im Bereich Lebens- und Agrarwissenschaften, Merck KGaA im Bereich der Biotechnologie und pharmazeutischen Produkte, SAP als Softwareunternehmen, und Siemens hat sich vor Ort auf digitale Technologien und Automatisierungstechnik spezialisiert.
Programme und Strategien zur Innovationsförderung
Die Region Cambridge sieht sich einigen Wachstum begrenzenden Herausforderungen gegenüber, wie beispielsweise fehlende Laborkapazitäten und bezahlbarer Wohnraum, eine überlastete Infrastruktur und Wasserknappheit.
Die Strategie der britischen Regierung sieht vor, Cambridge zum „Silicon Valley of Europe“ auszubauen. Diese Strategie umfasst u.a. den Bau von 250.000 neuen Wohnungen sowie Investitionen in Forschung und Entwicklung.
Die Innovationsstrategie Cambridge wurde im Oktober 2023 von Innovate Cambridge vorgestellt. Sie ist ein umfassendes Konzept, das darauf abzielt, das Innovationsökosystem der Stadt bis 2035 zu stärken und auszubauen und umfasst drei Säulen:
- Ein Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung einer Strategie für grünes Wachstum, der Förderung des Wirtschaftswachstums und der Unterstützung der sozialen Infrastruktur. Zu diesem Zweck wird ein Sozialfonds aufgesetzt.
- Die lokale Gemeinschaft soll einen Gewinn aus dem Innovationssystem ziehen können. Es werden hochwertige Beschäftigungs- und Ausbildungsplätze geschaffen und die lokale Bevölkerung soll von den Forschungsergebnissen im Gesundheitsbereich profitieren.
- Bildung von Partnerschaften mit anderen Regionen und Kooperationspartnern, um die Skalierung voranzutreiben. Hier seien insbesondere Manchester, London und Oxford genannt.
Die Initiative Oxford-Cambridge Supercluster Board schlägt vor, die Innovationskraft und das wirtschaftliche Potenzial der Region zwischen Oxford und Cambridge zu bündeln und zu fördern und somit die britische Wirtschaft um ca. 50 Mrd. GBP jährlich zu stärken. Andere Expansionsvisionen sehen Cambridge als Teil des Golden Triangle, das neben Oxford zusätzlich die finanzstarke Metropole London umfasst und durch die Bündelung von Kompetenzen zu mehr Wachstum und Sichtbarkeit beitragen kann.
Redaktion: November 2024