Gestartet war das Projekt der Tilia GmbH (Leipzig), GICON - Großmann Ingenieur Consult GmbH (Dresden), France Biogaz Valorisation (Strasbourg), Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB (Stuttgart) und DBFZ Deutsches Biomasseforschungszentrum gemeinnützige GmbH (Leipzig) bereits 2017 mit einem neuen Vertragsmodell – die Innovationspartnerschaft. Christophe Hug, Geschäftsführer des Leipziger Dienstleisters Tilia sagte:
„Diese neue Art eines öffentlichen Auftrags ermöglicht es, Anforderungen und Bedürfnisse zu erfüllen, die der Markt und vorhandene Produkte oder Dienstleistungen bisher nicht abdecken konnten. Im Gegensatz zu üblichen Forschungsprojekten bleibt es aber nicht dabei, innovative Lösungen zu entwickeln – sie werden auch unmittelbar in der industriellen Praxis umgesetzt. Der Auftraggeber hat dann die Möglichkeit, bei mehreren Auftragnehmern mitzuarbeiten und verschiedene Wege zu testen, bevor er sich für eine Lösung entscheidet.“
Für eine erste Labor- und Konzeptphase haben zwei kommunale Pariser Zweckverbände (Syctom und SIAAP) 2018 zunächst 4 Konsortien ausgewählt, technologische Konzepte für eine maximale Verwertungsquote der Abfallfraktionen zu entwickeln. Dies erfolgte zeitlich parallel im Sinne eines Wettbewerbs. Das in Phase 1 von der Leipziger Tilia geführte deutsch-französische Konsortium hatte im Ergebnis der ersten Projektphase ein innovatives Technologiekonzept aus verschiedenen Modulen präsentiert, mit denen eine maximale Umwandlung von organischem Kohlenstoff in den Energieträger Biomethan sowie eine Nährstoffrückgewinnung ermöglicht wird. Dafür wurden fast 8.000 Kilogramm organischer Reststoffe (Hausmüll, Klärschlamm, Pferdemist sowie Fett) analysiert und hunderte Tests durchgeführt.
Um die Machbarkeit und die Leistung des konzipierten Behandlungskonzeptes beweisen zu können, entwarf das Konsortium anschließend eine Pilotanlage, die eine spätere Großanlage im „Kleinen“ darstellt. Grundlage für die Planung und Auslegung der Pilotanlage bildeten dabei die in den Laboren von DBFZ, Fraunhofer IGB und GICON ermittelten Versuchsergebnisse.
GICON®-Geschäftsführer Dr. Hagen Hilse beschreibt die Bedeutung eigener Forschung und Entwicklung:
„GICON setzt seit der Firmengründung vor mehr als 25 Jahren auf die Entwicklung innovativer Technologien und hat dabei neben eigenen Forschungstätigkeiten eine enge Kooperation mit Forschungseinrichtungen aufgebaut. Dank unseres aufgebauten Know-hows und der vorhandenen Infrastruktur für Substratversuche konnten wir gemeinsam mit unseren Partnern eine passgenaue Lösung zur Behandlung und Weiterverwertung der Pariser Abfälle entwickeln. Das ist ein Musterbeispiel für anwendungsorientierte Forschung.“
Vom Pilotprojekt zur industriellen Großanlage
Das Konzept hat offenbar überzeugt: Im Januar 2020 haben Syctom und SIAAP zwei Konsortien beauftragt, in Phase 2 der Innovationspartnerschaft eine Pilotanlage zu errichten, darunter das von Tilia geführte Konsortium. Für den Auftrag hatte auch die langjährige Erfahrung der deutschen Konsortiumsmitglieder bei der Methanisierung und Nährstoffrückgewinnung eine entscheidende Rolle gespielt. Dazu sagte Christophe Hug:
„Tilia verfügt über ein breites Wissen in der Konzipierung von innovativen technischen Lösungen sowie im Betrieb von Anlagen und gewährleistet die technisch-wirtschaftliche Integration. Als deutsch-französisches Unternehmen und dank ihrer Erfahrung bei der Zusammenarbeit mit Partnern aus unterschiedlichen Bereichen konnten wir auch den kooperativen Dialog und das Projektmanagement erfolgreich meistern.“
Im März 2020 wird die Umsetzung des Pilotprojekts beginnen, wofür der Dresdner Ingenieurdienstleister GICON die übergreifende Generalplanung für die gesamte Pilotanlage übernimmt. Zunächst beschäftigt sich das Konsortium mit den detaillierten Planungen für die Pilotanlage, die aus mehr als 8 einzelnen technologischen Komponenten (Modulen) besteht und eine Behandlungskapazität von ca. 400 Tonnen pro Jahr erreichen wird.
Ab 2021 werden die Bauarbeiten in der Nähe von Paris starten. Anschließend werden alle Module zusammen in einer zwölfmonatigen Testphase betrieben. Dabei werden die optimalen Betriebsparameter sowie ein für alle innovativen Module aufeinander abgestimmtes Betriebsregime ermittelt. Aufbauend darauf erfolgt eine Validierung der Umsetzbarkeit und Leistungsfähigkeit des Behandlungskonzeptes für die industrielle Anlage.
Am Ende dieser Erprobungsphase werden die zwei Zweckverbände auf Basis der Versuchsergebnisse und der Leistungsfähigkeit der Pilotanlage entscheiden, ob das Konzept auch im industriellen Maßstab realisiert werden soll. Mit der industriellen Anlage könnten dann pro Jahr enorme Mengen organischer Reststoffe mit einem hohen Wertschöpfungsgrad verarbeitet werden – unter anderem bis zu 76.000 Tonnen aufbereiteter organischer Restabfall und erhebliche Mengen von Klärschlamm und Pferdemist.
Hintergrundinformation
Bei der Aufbereitung von Abfällen und Abwässern, entstehen verschiedene Reststoffe. In Frankreich ist deren Weiterverwertung, Entsorgung oder Rückführung mittlerweile stark reglementiert – teilweise sogar verboten. Lösungen zur stofflichen und energetischen Verwertung sind gefragt. So auch im Großraum Paris, wo die Verbände Syctom und SIAAP für Abfall- und Abwasserbehandlung zuständig sind. Um die strengen Vorgaben umzusetzen, haben sie ein gemeinsames Co-Behandlungs-Projekt aufgesetzt: „Cométha“.