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Chinesische Studierende und Doktorandinnen und Doktoranden an deutschen Hochschulen

16. November 2023

Eine im Rahmen der Veranstaltungsreihe durchgeführte Befragung der beteiligten Hochschulen zeigte, dass die Integration von Studierenden und Doktorandinnen und Doktoranden aus der VR China in das deutsche Hochschulsystem eine hohe Relevanz hat. Themen sind unter anderem wie Studierende aktiv in das Hochschulleben eingebunden werden, wie mit Ausgrenzung und Vereinsamung umgegangen werden kann und ob spezielle Beratungsangebote und Ombudsstellen für internationale beziehungsweise speziell für chinesische Studierende eingerichtet werden.

Zudem wurde auch die engmaschige Kontrolle der Studierenden durch den chinesischen Staat adressiert. Ein Schwerpunkt lag dabei auf den Stipendien des China Scholarship Council (CSC). Dabei wurden die Implikationen der vertraglichen Vereinbarungen der CSC-Studierenden für deutsche Hochschulen und Lösungsansätze verschiedener Institutionen diskutiert.

An der Veranstaltung haben sich Vortragende der FU Berlin, der TU Braunschweig, der Botschaft des Königsreichs der Niederlande, der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, des DAAD sowie der Universität Trier beteiligt.

Kernaussagen aus den folgenden Vorträgen der Veranstaltungsreihe wurden von den Referentinnen und Referenten bereitgestellt.

 

Prof. Dr. Sabrina Habich-Sobiegalla, FU Berlin | Umfrage unter chinesischen Studierenden in Deutschland

Vor dem Hintergrund zunehmender geopolitischer Spannungen sind chinesische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Studierende vermehrt in den Fokus der deutschen und internationalen Medienberichterstattung geraten. Vor diesem Hintergrund untersucht Frau Prof. Habich-Sobiegalla an der FU Berlin die Auswirkungen der geopolitischen Spannungen auf die individuelle Studienerfahrung chinesischer Studierender in Deutschland. Im Rahmen dieser Studie hat Frau Habich-Sobiegalla im Sommersemester 2023 gemeinsam mit Masterstudierenden des Instituts für Chinastudien eine Umfrage unter chinesischen Studierenden in Deutschland durchgeführt. Die Umfrage kombinierte Fragen vergangener Erhebungen unter internationalen Studierenden in Deutschland und relevanter Studien zur chinesischen Studierendenmigration. Durchgeführt wurde sie online mittels Unipark, wobei Teilnehmer über die Internationalen Büros ihrer Universitäten und WeChat-Gruppen akquiriert wurden. Die Umfrageergebnisse sind aufgrund der nicht-randomisierten Stichprobe nicht repräsentativ.

Die während des Vortrags präsentierten Ergebnisse konzentrierten sich aufgrund des Themenschwerpunkts der Veranstaltung insbesondere auf die Unterschiede zwischen chinesischen Studierenden mit und ohne Stipendium des China Scholarship Councils (CSC). Insgesamt waren unter den 477 Teilnehmenden 106 CSC-Stipendiatinnen und Stipendiaten. Was deren Herkunft angeht, arbeitet ein höherer Anteil der Eltern von CSC-Studierenden in handwerklichen (‚blue collar‘) Berufen, während die Eltern anderer chinesischer Studierender eher im öffentlichen Dienst tätig sind. Das lässt sich damit erklären, dass der CSC für viele chinesische Studierende aus wirtschaftlich schwachen Familien die einzige Möglichkeit bietet, im Ausland zu studieren. Wohlhabendere chinesische Familien sind weniger auf den CSC angewiesen, da viele von ihnen das Auslandsstudium ihrer Kinder selbst finanzieren.
Hinsichtlich sprachlicher Unterschiede neigen CSC-Studierende dazu, überhaupt kein Deutsch zu sprechen, während Nicht-CSC-Studierende, trotz Unzufriedenheit mit ihrem Sprachniveau, Deutsch lernen. Insgesamt sind CSC-Studierende zufriedener mit ihrem Studium und Integrationsniveau in Deutschland. Der Hauptunterschied in den Gründen für die Unzufriedenheit mit ihrem Aufenthalt in Deutschland liegt in der akademischen Entwicklung, welche von Nicht-CSC-Studierenden deutlich schlechter bewertet wird. Hinsichtlich ihrer Zukunft neigen CSC-Studierende zwar dazu, nach Abschluss ihres Studiums nach China zurückzukehren (im Einklang mit den CSC-Vorschriften), aber zehn Prozent von ihnen beabsichtigen, langfristig in Deutschland zu bleiben. Unsere Ergebnisse widersprechen daher der Annahme, dass CSC-Studierende nach Deutschland kommen, um ausschließlich dem chinesischen Staat zu dienen.

Hinsichtlich der Gründe für das Studium in Deutschland wählen beide Gruppen Deutschland, um ihren Horizont zu erweitern, bessere Karriereoptionen zu haben und aus Neugierde für die deutsche Kultur. Ein höherer Anteil von CSC-Studierenden kommt jedoch nach Deutschland aufgrund des Rufs ihrer Gastuniversität und weil sie zur zukünftigen Entwicklung Chinas beitragen möchten. Nicht-CSC-Studierende hingegen werden eher von Familienmitgliedern ermutigt, nach Deutschland zu kommen, oder weil sie nach Deutschland auswandern möchten.

Im Hinblick auf die Akzeptanz von Protestformen innerhalb des deutschen Hochschulsystems lehnt ein höherer Anteil der CSC-Studierenden es ab, sich an Protesten zu beteiligen oder kritische Flugblätter und Plakate aufzuhängen. Stattdessen neigen sie eher dazu, sich studentischen Vereinigungen (chinesischen und nicht-chinesischen) anzuschließen und im Vergleich dazu mehr chinesische Staatsmedien zu konsumieren. Außerdem gaben sie an, ein höheres Vertrauen in das chinesische politische System zu haben. Innerhalb der Gruppe der CSC-Studierenden hält jedoch rund ein Drittel Protestmaßnahmen wie den Boykott von Lehrveranstaltungen oder die Teilnahme an Demonstrationen für ein akzeptables Mittel des Widerstands. Etwa 20 Prozent äußerten Unzufriedenheit mit dem politischen System Chinas. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Unterteilung in CSC- und Nicht-CSC-Studierende zwar einige interessante Ergebnisse liefert, die beiden Gruppen jedoch in sich gleichwohl heterogen sind.

Ruth Schimanowski, DAAD | Zur Regelung zu CSC-Stipendiatinnen und Stipendiaten des DAAD

Das CSC-DAAD-Postdoc-Abkommen gibt es seit ca. 10 Jahren. Das Programm ist fachoffen und mit über 50 Teilnehmenden jährlich klein gegenüber der Zahl der CSC-finanzierten PhDs.

Die Bewerbung läuft parallel bei DAAD (englisch) und CSC (chinesisch). Für das Auswahlverfahren braucht der DAAD ein Gutachten und ein Einladungsschreiben der Gastinstitution, die Auswahl erfolgt durch eine unabhängige Auswahlkommission. Früher wurde die Auswahl gemeinsam mit dem CSC durchgeführt, aber weil CSC eine Videoaufzeichnung einführen wollte, wird die Auswahl jetzt separat durchgeführt und die Ergebnisse gleichberechtigt zusammengeführt. Drei bis vier Expertinnen und Experten machen dies im Auftrag des DAAD, der DAAD führt ein kurzes Briefing – auch zum Thema Dual-Use – für die Auswahlkommission durch. Die ausgewählten Stipendiatinnen und Stipendiaten werden für ihren Aufenthalt in Deutschland sensibilisiert, u.a. durch Dokumente wie ein Merkblatt zur guten wissenschaftlichen Praxis in Deutschland („Rules of Good Academic Practice“).

CSC hat nach den kritischen Medienberichten viele Nachfragen seiner ausländischen Partner bekommen. In Gesprächen mit dem CSC in Peking konnte der Eindruck gewonnen werden, dass diese Kritik nicht pauschal negiert wird, sondern in bestimmten Punkten durchaus Bereitschaft besteht, auf Kritik mit gewissen Anpassungen zu reagieren. Nicht zuletzt um dem neuen PIPL (Personal Information Protection Law) in China zu genügen, werden zurzeit die Richtlinien überarbeitet. Die Stipendienrate wird gegebenenfalls angepasst, u.a. aufgrund der Visabestimmungen einiger Länder. Man denkt zudem über eine Lockerung der Rückkehrerklauseln, der Berichtspflichten oder anderer Bedingungen nach, die nicht mehr zeitgemäß formuliert sind. Zudem wurde ein neues „Summer School“-Programm entwickelt, das erstmals 2023 durchgeführt wurde und China-Aufenthalte von bis zu drei Monaten ermöglicht.

Prof. Dr. Kristin Shi-Kupfer, Prof. Dr. Christian Soffel, Birgit Roser, Universität Trier | Zwischen allgemeinen Richtlinien und konkreten Einzelfällen - Empfehlungen aus der Praxis

Bewerbungsprozess:

  • Genau auf die Qualität der Bewerbungen achten: Wissenschaftliche Qualität und einschlägige Qualifikation (Master-Abschluss sollte zum Forschungsthema passen). Zur Entscheidungsfindung kann ein Video-Interview helfen.
  • Bei Recherchen zu Personen und Einrichtungen im Internet auch die chinesischsprachige Fassung von Webseiten prüfen (ggf. mit Übersetzungsprogramm), da die englische und die chinesische Fassung häufig stark voneinander abweichen.
  • Die Kolleginnen und Kollegen in der eigenen Forschungseinrichtung informieren, dass ein Gastwissenschaftler aus der VR China kommen möchte. Insbesondere dann, wenn an benachbarten Einrichtungen sensible Forschung betrieben wird.

Integration vor Ort:

  • Grundsätzlich alle (Gast-)Doktorandinnen und Doktoranden nach den gleichen Regeln behandeln, unabhängig vom Herkunftsland. Zudem alle (Gast-)Doktorandinnen und Doktoranden aus der VR China nach den gleichen Regeln behandeln, egal mit welchem Programm (CSC, selbst finanziert ...) sie kommen.
  • Eine Handreichung zur Wissenschaftsfreiheit und zu den eigenen Werten ist eine geeignete Maßnahme (good scientific conduct), um mit den Gastwissenschaftlerinnen und Gastwissenschaftlern/Stipendiatinnen und Stipendiaten ins Gespräch zur Umsetzung dieser Themen in der Einrichtung/dem Institut/Lehrstuhl zu kommen. Es sollte auf geltende Datenschutz- und Persönlichkeitsrechte sowie die Implikationen von Verstößen hingewiesen werden. Der Unterschied und die Reibungen beider Systeme zum Beispiel im Fall der VR China (Berichtspflicht, politische Loyalität) kann offen adressiert werden, um ein gemeinsames Verständnis zu wecken.
  • Die Vernetzung mit deutschen Studierenden sowie der Fachschaft könnte zu einem besseren Verständnis für unser System beitragen. Auch hier könnten die Wissenschaftskommunikation und die Forschungsfreiheit angesprochen werden.
  • Auch in "harmlosen" Fächern (zum Beispiel Geistes- und Sozialwissenschaften) sollte ein grundlegendes Problembewusstsein im Hinblick auf die politischen Rahmenbedingungen vorhanden sein. Es geht nicht nur um Forschung in hochsensiblen Technologiebereichen, sondern auch um (zum Beispiel kulturelle, politische) Narrative und die mediale Darstellung von universitären Aktivitäten (zum Beispiel in parteinahen Medien der VR China).
  • Maßnahmen zum Schutz von anderen Doktorandinnen und Doktoranden und Studierenden aus der VR China ergreifen (Berichtspflicht). Beispiele: Seminare in geschützten Räumen durchführen, anonymisierte schriftliche Antworten auf Fragen; Möglichkeit einzelnen Sitzungen fern zu bleiben bzw. von 4-Augen-Gesprächen prüfen.
  • Unterschiedlichkeit der Perspektiven als Einladung aussprechen, sich im Sinne eines pluralistischen, ergebnisoffenen Wissenschaftsverständnis mit unterschiedlichen Positionen vertraut zu machen
  • Weitere Handlungsempfehlungen:
  • Handlungsempfehlungen positiv gestalten, also klar nicht "gegen China" sondern "für die Einhaltung unserer Standards und rechtlichen Rahmenbedingungen" formulieren.
  • Zentrale Anlaufstelle an der Universität einrichten (zum Beispiel "China-Zentrum").

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