Die umfangreiche Studie wurde vom Beijing Institute of Ophthalmology (BIO) durchgeführt, dem WHO Zentrum für Ophthalmologie (Augenheilkunde) in China. Professor Dr. Jost Jonas, Direktor der Augenklinik der Universitätsmedizin Mannheim, ist seit 2006 Ehrendirektor („Honorary Director“) dieses Institutes. Der Mannheimer Augenspezialist pflegt dort eine sehr fruchtbare wissenschaftliche Zusammenarbeit, die wesentlich dazu beigetragen hat, dass das BIO zusammen mit dem ihm angegliederten Tongren Hospital zu den drei wissenschaftlich führenden ophthalmologischen Institutionen im Land zählt.
Infolge dieses Engagements ist Professor Jost einer der Autoren einer Fachveröffentlichung, die das „Beijing Eye Public Health Care Project“ beschreibt. Im Tongren Hospital Beijing werden jedes Jahr mehr als 750.000 ophthalmologische Patienten behandelt. Dies entspricht in etwa der Summe aller in ophthalmologischen Unikliniken behandelten Patienten in Deutschland.
China ist mit fast 1,34 Milliarden Einwohnern das bevölkerungsreichste Land der Erde und der von der Fläche her größte Staat Ostasiens. Für eine flächendeckende Erfassung und Versorgung der Bevölkerung im Bereich der Augenheilkunde fehlt es bislang an der nötigen Infrastruktur, als auch an Kenntnissen über die Verbreitung von Sehschwäche und die ihr zugrunde liegenden Erkrankungen. Mit dem „Beijing Eye Public Health Care Project“ ist auf Basis der Telemedizin eine Infrastruktur für das Massen-Screening von älteren Menschen entwickelt und deren Effizienz gemessen worden. Das regionale Projekt, das quasi als Probelauf für ein flächendeckendes Public Health Care System zur Augengesundheit in China dient, hat den Nutzen und die Durchführbarkeit eines so groß angelegten Untersuchungsprogramms bewiesen.
Um den Augenstatus der mehr als eine halbe Million Menschen zu erfassen, wurden 2.500 Hochschulabsolventen in der Augentechnik geschult. Probanden mit einer Sehschärfe geringer als 0,3 wurden an regionale Gesundheitszentren überwiesen, in denen die erkrankten Augen fotografiert wurden. Via Telemedizin wurden die Aufnahmen an ein Zentrum transferiert, in dem der Grund der Sehschwäche zentral diagnostiziert wurde.
Das öffentliche Gesundheitswesen in China verfügt nun aufgrund dieses Projektes über hervorragende Daten zur Verbreitung von Sehschwäche sowie den zugrunde liegenden Erkrankungen in der untersuchten Population. Zur Statistik: Bei knapp zehn Prozent der untersuchten Menschen wurde auf mindestens einem Auge eine Sehschwäche diagnostiziert. Der Augenhintergrund von mehr als 34.000 Menschen wurde gespiegelt. Neben dem Katarakt (grauer Star), einer Trübung der Augenlinse, waren Erkrankungen der Retina (Netzhaut), inklusive der diabetischen Retinopathie, und das Glaukom die häufigsten Gründe für eine Sehschwäche.
Hintergrund: Grauer Star
Der graue Star ist weltweit die häufigste Ursache für Erblindung und der chirurgische Eingriff die alleinige Möglichkeit, diese Erkrankung zu behandeln. Bei knapp 6.000 der untersuchten Personen wurden eine Vorstufe oder ein reifer Katarakt diagnostiziert, die eine Operation notwendig machten. Von den rund 1.600 Personen, deren Status nach der Operation erfasst wurde, hatten rund 92 Prozent danach eine Sehfähigkeit von mindestens 0,3 wiedererlangt. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg, vermeidbare Erblindung zu verhindern.