Bis zum Jahr 2018 soll in Darmstadt die neue und einzigartige internationale Teilchenbeschleunigeranlage „FAIR“ (Facility for Antiproton and Ion Research) entstehen, die weltweit eine führende Rolle in der Grundlagenforschung einnehmen wird. In Zusammenarbeit mit über 500 Physikern aus 16 Ländern sind die Bonner Physiker entscheidend an der Entwicklung und dem Aufbau des PANDA-Detektors beteiligt. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Vorhaben mit rund zwei Millionen Euro.
Welche Kräfte halten die Welt im Innersten zusammen?
Im Standardmodell der Teilchenphysik ist noch nicht vollständig verstanden, wie die Kräfte genau aussehen, die die Welt im Innersten zusammenhalten. „Die starke Kraft - eine der fundamentalen Kräfte in der Natur - gibt den Physikern immer noch viele Rätsel auf“, sagt Prof. Dr. Ulrike Thoma vom Helmholtz-Institut für Strahlen- und Kernphysik der Universität Bonn, die den Antrag für das Projekt „PANDA“ beim BMBF gestellt hat. So ist zum Beispiel im Detail noch unverstanden, woher die Masse des sichtbaren Universums kommt und warum die Quarks, die elementaren Bausteine der Materie, in den Hadronen gefangen sind. Zu den gängigsten Hadronen zählen Protonen und Neutronen, die Bausteine der Atomkerne.
Forscher schießen in der FAIR-Anlage Antimaterie auf Materie
Wie die Quarks in den Hadronen genau zusammengehalten werden, wollen die Wissenschaftler künftig an „FAIR“ erkunden. Mit Teilchenbeschleunigern lassen sich Strahlen aus Antimaterie herstellen, die dann mit herkömmlichen Teilchen zur Kollision gebracht werden. Dabei vernichten sich die Teilchen gegenseitig und neue, unbekannte und vielleicht auch exotische Hadronen können entstehen. „Wir werden mit Antiprotonen auf Protonen schießen“, berichtet Prof. Thoma. Der Teildetektor des „PANDA“-Experimentes, den die Bonner Physiker mitentwickeln, wird insgesamt 15.500 Bleiwolframat-Kristalle enthalten, mit deren Hilfe sich hochenergetische Lichtteilchen mit großer Genauigkeit vermessen lassen, die beim Zerfall der neugebildeten Teilchen entstehen. „Das PANDA-Experiment ist ein Großprojekt, das sich nur durchführen lässt, weil sehr viele Wissenschaftler unterschiedlicher Institutionen an einem Strang ziehen“, sagt Prof. Thoma.
Die theoretische Interpretation der aus schweren Quarks bestehenden Hadronen, die von PANDA untersucht werden sollen, ist eines der Themen, die auch im neuen SFB/Transregio 110, einem gemeinsamen Vorhaben theoretischer Physiker aus Deutschland und China, untersucht werden (siehe Pressemitteilung 135). Sprecher ist Prof. Dr. Ulf-G. Meißner von der Universität Bonn.
SFB/Transregio 16 fahndet nach den Anregungen des Protons
Schon seit acht Jahren erforschen die Physiker der Universität Bonn mit ihren Kollegen der Universitäten Bochum und Gießen im Sonderforschungsbereich/Transregio 16 „Elektromagnetische Anregung subnuklearer Systeme“, auf welche Weise die Quarks in den Hadronen miteinander „verklebt“ sind. „Umso mehr freut es uns, dass die Deutsche Forschungsgemeinschaft den SFB/Transregio nun erneut für dreieinhalb Jahre verlängert hat“, sagt Prof. Thoma, Sprecherin des Transregio 16. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert ihn mit rund sieben Millionen Euro.
Damit können die Wissenschaftler auch weiterhin unter dem Rasen des Physikalischen Instituts an der Nussallee mit der universitätseigenen Elektronen-Stretcher-Anlage (ELSA) Grundlagenforschung betreiben. In dem 164 Meter umfassenden Oval des ELSA-Rings werden Elektronen beschleunigt und mit deren Hilfe Photonen - Lichtteilchen sehr hoher Energie - erzeugt. Diese Photonen werden auf Protonen geschossen und so neue Teilchen höherer Masse erzeugt. „Anhand der Spektren dieser dann sofort wieder zerfallenden Teilchen können wir mehr über die Bestandteile der Hadronen und die starke Kraft lernen, die die Quarks im Inneren der Hadronen gefangen hält“, berichtet die Physikerin der Universität Bonn. Die hier geleisteten Forschungsarbeiten sind von großem wissenschaftlichen Interesse und darüber hinaus auch wichtige Vorarbeiten für die an FAIR zu untersuchenden Fragestellungen.
Kontakt
Prof. Dr. Ulrike Thoma
Helmholtz-Institut für Strahlen- und Kernphysik
Tel.: 0228/73-2202
E-Mail: thoma@hiskp.uni-bonn.de