Vor drei Jahren hat Doris Fischer ihre eigene Energiewende gewagt. „Wenn schon ein Auto, dann einen Hybrid, habe ich mir gesagt.“ Die 47-jährige Professorin ist mit ihrem Wagen immer noch eine Attraktion – sogar wenn sie Wissenschaftlern aus der Energiebranche begegnet. „Auch auf Konferenzen über klimafreundliche Techniken hat das schon Aufsehen erregt“, erinnert sie sich. „Da waren die Kollegen auf dem Parkplatz dann verwundert, dass ich tatsächlich so ein Ding fahre.“
Marktchancen von Alternativ-Antrieben
Reiner Zufall ist Fischers Hybrid-Experiment nicht. Die Sinologin beschäftigt sich auch beruflich mit Alternativ-Antrieben: Seit zwei Jahren arbeitet sie an dem Projekt „Klimatechnologische Innovationspfade in China, Europa und Indien“. Gemeinsam mit 13 Wissenschaftlern aus aller Welt untersucht Fischer die Potentiale grüner Technologien in den drei Weltregionen.
„Wir untersuchen, wie innovativ Indien und China im Vergleich zu Europa sind“, erklärt Fischer. Dabei forscht das Team vor allem an Elektro- und Windkraftansätzen. Das Projekt hat Fischer, die an der Universität Würzburg dem Lehrstuhl für China Business and Economics vorsteht, von ihrer Arbeit am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik mitgebracht.
Elektrofahrräder in China weit verbreitet
„Ein wichtiger Ansatzpunkt für uns war das Elektrofahrrad“, erzählt Fischer. Im Unterschied zu Deutschland ist das strombetriebene Rad in China längst kein Geheimtipp mehr: Über 20 Millionen Exemplare werden dort jedes Jahr verkauft, mehr als 120 Millionen Fahrzeuge sind schon unterwegs.
Die Räder sind billig, laufen ohne Benzin und fahren etwa 30 Stundenkilometer schnell – eine gute Alternative zum Roller oder Auto. Der niedrige Preis und die leichte Handhabung machen das Gerät in China zum Verkaufsschlager. „Dort hat die Elektrofahrrad-Industrie dadurch einen deutlichen Wissensvorsprung“ erklärt Fischer.
Ob die chinesische Industrie dieses Wissenspotential auch für Autos nutzen kann, ist jedoch noch unklar: Obwohl bereits kreative Elektro-Prototypen auf Chinas Straßen fahren, werde das Potential nicht geschöpft, erzählt Fischer. „Ich habe schon Elektroautos von chinesischen Hobbybastlern und kleineren Herstellern gesehen, die gut laufen.“ Denen verweigere der Staat jedoch derzeit die Lizenzen für eine Massenproduktion. Für die Herstellung hochwertiger Fahrzeuge ist China bisher auf Knowhow aus dem Westen angewiesen.
Industrie stellt sich gegen Elektrotechnologien
In Deutschland sei die Lage übrigens nicht besser, so Fischer. Zwar blockiere hier nicht der Staat, dafür aber die Autoindustrie. „Die deutschen Autohersteller und die Verbraucher lassen sich bisher nicht ernsthaft auf den Wandel ein“, bilanziert die Professorin. „Das Elektroauto wäre eigentlich ideal für den Stadtverkehr“, erklärt sie, „doch leider gilt es nicht als Statussymbol.“
Im Trend liegt deswegen das Gegenteil: prestigeträchtige Straßenkreuzer mit hohem Energieverbrauch. Auch deswegen setzt die deutsche Industrie weiterhin auf große Autos – sogar bei Hybrid- und Elektromodellen.
Anderer Trend in Asien
Die Elektro- und Hybridmodelle aus dem asiatischen Raum verbindet dagegen ein anderes Konzept. Die Autos sind klein, schlank und energieeffizient. Das kommt bei den Kunden an: Die meisten Hybridautos weltweit hat in den vergangenen Jahren der japanische Hersteller Toyota abgesetzt – deutsche Hybrid-Geländewagen lagen dagegen nicht im Trend.
Die Verweigerungshaltung deutscher Konzerne und Konsumenten basiere auf Mobilitätsgewohnheiten, glaubt die Sinologin. „Strombetriebene Autos stehen für ein neues Mobilitätskonzept“, erklärt sie. Die Vorstellung, jederzeit Strecken von 500 Kilometern fahren zu können, sei eng an Benzin- oder Dieselantriebe geknüpft. Dass die wenigsten Fahrer tatsächlich regelmäßig so weit fahren, spiele in der Vorstellung keine Rolle. „Die Autoindustrie weiß rational, dass diese Zeiten vorbei sind, will sich aber nicht darauf einstellen“, erklärt Fischer.
Ihre Interviews, Fachgespräche und Untersuchungen koordiniert Fischer mit ihren Kollegen aus Großbritannien, China und Indien. „Die vielen Sichtweisen auf eine Sache sind sehr wertvoll“, erzählt die Wissenschaftlerin. Und die Zusammenarbeit macht Spaß: „Ich kann mich noch an eine Exkursion in China erinnern. Wir waren in einem Hotel untergebracht, und haben dann im Kreis um ein Bett sitzend, das uns als Tisch diente, miteinander diskutiert. Auf Englisch und Chinesisch, mit Professoren und Studenten aus mehreren Ländern – das war eine tolle Erfahrung“, erinnert sich Fischer.
Doris Fischers Klimaprojekt ist eines von mehreren Projekten, das die Professorin von ihrem Lehrstuhl für China Business and Economics an der Uni Würzburg aus koordiniert. Die besondere Herausforderung des Lehrstuhls, die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät und die Sinologie zu verbinden, gelinge gut.
Optimierung der Masterstudiengänge
Momentan arbeitet Fischer an der Organisation und Optimierung der beiden Masterstudiengänge „Chinese and Economics“ und „Chinese Business and Economics“, die seit dem Wintersemester 2012/13 an der Universität Würzburg angeboten werden. Das Studienprogramm sowohl an die Sinologie als auch an die Wirtschaftswissenschaften anzupassen, erfordere viel Aufwand. „Aber idealerweise lernen alle etwas voneinander“, sagt die Professorin.
An ihrem Projekt über klimafreundliche Technologien wird Fischer noch bis Ende 2013 forschen. Ob die Chancen für Alternativ-Technologien bis dahin steigen, bezweifelt die Professorin. „Um klimafreundliche Techniken zu etablieren, braucht es Förderung von staatlicher Ebene. Die findet leider noch nicht ausreichend statt.“
Kontakt
Prof. Dr. Doris Fischer
Lehrstuhl für China Business and Economics
Universität Würzburg,
Tel (49931) 31-89101
Mail doris.fischer(at)uni-wuerzburg.de