Ein bisher noch nicht veröffentlichter gemeinsamer Bericht der "Inspections Générales de l' enseignement supérieur" und des französischen Außenministeriums hat das Funktionieren der bisher von Frankreich praktizierten Auswahlverfahren untersucht; in ihrer bisherigen Form haben diese - so Le Figaro vom 12.11.2010 - an mehreren französischen Universitäten zu einer "explosiven Situation" geführt.
Im Verlauf der letzten zehn Jahre hat sich die Zahl chinesischer Studierender an französischen Universitäten verzehnfacht. Die französische Botschaft in Peking hat - so ein Diplomat - alle an der Aufnahme eines Studiums in Frankreich interessierten jungen Chinesen "mit offenen Armen empfangen". Hierbei sei man hinsichtlich der notwendigen Vorkenntniss e im Französischen und der für die Aufnahme eines Studiums zu stellenden fachlichen Voraussetzungen nicht sehr anspruchsvoll gewesen. Vergleichbar einem Glücksspiel seien die "Würfel häufig getrickst gewesen".
Es habe sich - so Le Figaro in seinem Artikel "Etudiants chinois: les clés d' un dossier sensible" vom 12.11.2010 (s.o.) - herausgestellt, dass Studierende, die an chinesischen Eliteuniversitäten chancenlos geblieben seien, häufig ihre zweite Chance im Ausland - so auch in Frankreich - versuchten. Nichts bereite diese jungen Menschen in China auf ihren "Sprung ins Unbekannte" vor. Laxismus bei der Abnahme des französischen Sprachtests spiele in diesem Zusammenhang eine nicht unwesentliche Rolle. Das führe u.a. zu zweifelhaften Formen des Vortäuschens nicht vorhandener französischer Sprachkenntnisse.
Auf diesen Sachverhalt hatte das "Centre internationale d' études pédagogiques" die 83 französischen Universitäten schon im März 2009 in einem Rundschreiben hingewiesen.
Bis zur effektiven Umsetzung des Hochschulreformgesetzes vom 10.8.2007 kam noch hinzu, dass manche französischen Universitäten zur Aufbesserung der für sie bestimmten staatlichen Finanzzuweisungen Interesse daran hatten, die Zahl der an ihnen Studierenden zu erhöhen.
Hochschulministerin Valérie Pécresse hat hat in einem Gespräch, das Le Figaro in seiner Ausgabe vom 12.11.2010 veröffentlichte, eine tief greifende Änderung der bisherigen Auswahlverfahren chinesischer Studierender und solcher aus anderen Schwellenländern angekündigt. Sie räumte ein, dass die bisherigen Auswahlverfahren undurchsichtig ("opaque") gewesen seien. Deshalb seien manchmal Studierende zum Studium an französischen Universitäten zugelassen worden, die nicht in der Lage gewesen seien, einer Vorlesung auf Französisch zu folgen. Valérie Pécresse bezeichnete als einen Weg, künftig die Auswahlverfahren wirksamer zu gestallten, die Vervielfachung von Abkommen zwischen französischen und chinesischen Universitäten, die Doppelabschlüsse vorsehen. Man denke über die Schaffung zweisprachiger Diplome in Verbindung mit einem mindestens sechsmonatigen Studienabschnitt in englischer Sprache nach. Dies sei der einzige Weg, um in dieser Frage mit den angelsächsischen und deutschen Universitäten Schritt zu halten. Parallel hierzu müsse man den chinesischen Studierenden - in Verbindung mit einer schrittweisen Angleichung ihrer französischen Sprachkenntnisse - "transparente Immatrikulationsbedingungen" in den Fachrichtungen ihrer Wahl anbieten.