In einem neuen Forschungsprojekt arbeiten deutsche, israelische und palästinensische Biologen Hand in Hand. Sie untersuchen die Mechanismen, die als sogenannte Stressreaktionen beispielsweise bei Hitze in Tomatenpflanzen ablaufen. Das klingt abstrakt, hat aber einen ganz praktischen Bezug: Gerade in trockenen, heißen Gebieten ist es schwierig, Tomaten im Sommer erfolgreich anzubauen. Sorten zu finden, die in einem solchen Klima gedeihen und stabile Erträge liefern, ist daher für viele Pflanzenzüchter ein wichtiges Ziel. Kennt man die entsprechenden physiologischen Abläufe und Mechanismen in der Pflanze, hat man Ansatzpunkte für ein gezieltes Zuchtprogramm. Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit rund 512.000 Euro für zwei Jahre unterstützt.
Herkömmliche Tomatenpflanzen kapitulieren bei Temperaturen über 35 Grad Celsius und bilden keine Früchte mehr aus. "In Palästina sind wir auf eine alte Sorte gestoßen, an der noch bei 45 Grad Tomaten wachsen – sie ist bestens an die extremen Wetterbedingungen in dieser Region angepasst", erklärt Prof. Dr. Jörg Kudla vom Institut für Biologie und Biotechnologie der Pflanzen (IBBP) der Universität Münster, der das Projekt leitet. Die Forscher wollen herausfinden, welche genetischen Grundlagen diese enorme Temperaturtoleranz ermöglichen. Dann könnten gezielte Zuchtprogramme durchgeführt werden, bei denen die palästinensische Tomate, die im Rest der Welt unbekannt ist, mit ertragreichen Handelssorten gekreuzt würde. "Wenn wir die Temperaturresistenz durch Zucht übertragen könnten, wäre das beispielsweise auch für spanische Tomatenzüchter hochinteressant, deren Gewächshäuser für herkömmliche Tomaten im Sommer zu heiß werden", unterstreicht Jörg Kudla.
Ein anderes Problem: Trockener Boden muss zur Tomatenzucht regelmäßig gewässert werden. Mit dem Wasser gelangen Salze in die Erde – und darauf reagieren Tomaten empfindlich. Bei der Ackerschmalwand, einer besonders gut untersuchten Pflanze, kennen die Forscher die Mechanismen, denen die Pflanze ihre Salztoleranz verdankt. Nun wollen sie untersuchen, ob es bei Tomaten vergleichbare Mechanismen gibt – wären die bekannt, könnte man wiederum gezielte Zuchtprogramme für robustere Tomaten starten.
Neben den Biotechnologen aus Münster sind Forscher der Universitäten Tel Aviv (Israel) und Bethlehem (Westjordanland/ Palästinensisches Autonomiegebiet) beteiligt. Das Projekt auf die Beine zu stellen, war für alle Beteiligten eine große Herausforderung. "Es fängt schon damit an, dass die palästinensischen Kollegen nicht einfach nach Israel einreisen können und umgekehrt", erklärt Jörg Kudla, der die derzeitige Eskalation im Nahen Osten mit Sorge betrachtet.
Die DFG fördert in einem speziellen Programm die trilaterale Zusammenarbeit deutscher Wissenschaftler mit Israel und seinen Nachbarländern. So hat beispielsweise Prof. Dr. Paul Tudzynski, ebenfalls Biotechnologe am IBBP der WWU, seinerseits Erfahrungen als Leiter eines ähnlichen trinationalen Projektes.