Die in Frankreich praktizierte, strikte Trennung von Kirche und Staat und ihre Implikationen für den Unterricht in staatlichen Schulen hatte den französischen Erziehungsminister im Oktober 2012 veranlasst, eine Expertengruppe um einen Bericht zur Einführung eines Ethik-Unterrichts in diesen Schulen zu bitten. Der 60-seitige Bericht „Ethik: für einen weltlichen Unterricht der Moral“ ("Morale laïque : pour un enseignement laïque de la morale") von A. Bergounloux, L. Loeffel und R. Schwartz liegt nun vor und soll mit Schulbeginn 2015 umgesetzt werden. Ethikunterricht soll in allen Klassen - von der Grundschule bis zum Abitur – in Abstimmung mit Gemeinschaftskunde unterrichtet werden. Bis dahin müssen Stundenpläne und Evaluierungsmodi entwickelt sowie Lehrer ausgebildet werden.
Minister Peillon geht es darum, Heranwachsenden die Werte der französischen Republik zu vermitteln: bei Ethik handele es sich um die Gesamtheit des Wissens und der Überlegungen zu den Werten, zu den Regeln und Prinzipien, die es in der Republik erlauben, gemäß ihrem Ideal von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit zusammenzuleben. Es gehe auch darum, diese Werte und Regeln in die Praxis umzusetzen. Weltliche Moral sei nicht antireligiös, im Gegenteil: sie sei eine allen gemeine Moral, und gerade ihre Beachtung ermögliche die Freiheit und Koexistenz der Glaubensrichtungen. Es handele sich auch nicht um eine Staatsmoral, sie sei das Gegenteil zu Dogmatismus und stelle sich der Herausforderung der Gewissens- und Wertungsfreiheit eines jeden - sie ziele auf Autonomie hin.
Sein Vorgänger, Luc Chatel, hatte noch Widerstand gegen derartige Pläne einer „intellektuellen und moralischen Stärkung des Landes“ erfahren; inzwischen stimmen laut Umfragen der auflagenstarken Zeitung Ouest-France 91% der Franzosen dieser Initiative zu, 48% begrüßen sie sogar sehr. Der Minister habe bei seinen Besuchen in Schulen erfahren, dass außer Eltern auch Lehrer fordern, ihnen die Möglichkeit dieser Wertevermittlung einzuräumen und ihnen die Legitimation hierzu zu geben. Sie arbeiteten in vorderster Linie der wirtschaftlichen und sozialen aber auch staatsbürgerlichen und moralischen Krise, in der sich Frankreich gegenwärtig befinde.