Welches Potential an Wissenschaftlerinnen weltweit gibt es, die für einen Forschungsaufenthalt in Deutschland gewonnen werden könnten? Welche Bedarfe haben sie, um international mobil zu forschen? Und was hindert Frauen womöglich daran? Die Alexander von Humboldt-Stiftung (AvH) hat Zugänge, Barrieren und Potentiale von Wissenschaftlerinnen zu internationaler Mobilität vom Kompetenzzentrum Frauen in Wissenschaft und Forschung (CEWS) am GESIS Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften untersuchen lassen. Die Ergebnisse der Potential- und Bedarfsanalyse liegen nun vor.
Ausgewertet wurden Daten zu den Forschungs- und Hochschulsystemen und der Teilhabe von Frauen in 14 Ländern weltweit, darunter Spanien, Polen, Südafrika, Nigeria, Indien, die USA und Chile. Zugleich wurden ausgewählte Programme der Stiftung unter geschlechterspezifischen Aspekten betrachtet und Handlungsempfehlungen entwickelt, um mehr hochqualifizierte Wissenschaftlerinnen für einen Forschungsaufenthalt in Deutschland und das Netzwerk der Stiftung zu gewinnen.
Länderübergreifend ist beispielsweise die Übernahme von Care-Arbeit in Familien ein Hindernis für Frauen, international mobil zu werden. Zugleich weist die Studie darauf hin, dass Frauen durch die Zuschreibung von Care-Arbeit und die Annahme, dass internationale Forschungsaufenthalte wegen familiärer Verpflichtungen nicht möglich seien, häufig gar nicht erst dafür in Betracht gezogen werden. Auch institutionelle Hürden in den Herkunftsländern wie im Vergleich zu Männern schlechter bezahlte und schlechter ausgestattete Stellen sowie prekäre Beschäftigung können Frauen hindern, international mobil zu werden, auch weil eine temporäre Abwesenheit die Karriere im Herkunftsland gefährden könnte.
Ein weiteres Ergebnis der Untersuchung ist eine Häufung bei der so genannten homosozialen Zusammenarbeit: Internationale Wissenschaftlerinnen werden eher von Frauen eingeladen während Männer häufiger mit Männern kooperieren. So auch im Humboldt-Netzwerk. Daneben gibt es zu wenig Dual Career-Angebote für die Gruppe der hochqualifizierten international mobilen Forscherinnen, die häufig keine Kinder und keine so genannten „portable partner“ hat, sondern Partner oder Partnerinnen mit eigenem Beruf und eigener Karriere, die es bei einem Forschungsaufenthalt zu vereinbaren gilt.
Die Ergebnisse und Handlungsempfehlungen der Potential- und Bedarfsanalyse werden von der Stiftung derzeit abteilungsübergreifend geprüft. Sie fließen ein in die Umsetzung der Agenda für gelebte Vielfalt. Mit ihrer Agenda verpflichtet sich die Humboldt-Stiftung, in allen Bereichen des Stiftungshandelns Diversität aktiv zu befördern. Ausgangsbasis soll eine Reflexion des Begriffs der Exzellenz und des Verhältnisses von wissenschaftlicher Exzellenz und Vielfalt sein. Auch mit ihrer Kampagne #ProgressDiversity setzt sich die Stiftung dafür ein, die Bedeutung von Diversität in Wissenschaft und Forschung bewusst und sichtbar zu machen und Gleichstellung, Chancengerechtigkeit und Vielfalt im Wissenschaftssystem kontinuierlich auszubauen.
Zum Nachlesen
- AvH - Übersichtsseite zur Studie: Zugänge, Barrieren und Potentiale - Internationale Mobilität von Wissenschaftlerinnen
- Social Science Open Access Respository - Direktzugriff auf den Volltext der Studie (2022): Zugänge, Barrieren und Potentiale für die internationale Mobilität von Wissenschaftlerinnen: Eine Untersuchung im Auftrag der Alexander von Humboldt-Stiftung
- AvH - Interview mit der Studienleiterin Andrea Löther von der CEWS (30.03.22): „Es braucht das ganze Netzwerk“