Mit den Mitteln werden in den nächsten sechs Jahren – eine Verlängerung um weitere sechs Jahre ist möglich – bis zu zehn Fellows die Möglichkeit haben, am Kolleg auf höchstem Niveau zu forschen. Das Kolleg widmet sich „Europas Osten im 20. Jahrhundert: Historische Erfahrungen im Vergleich“. Es wird als eines der wenigen Kollegs bundesweit und als das einzige der bislang neun in dieser Form vom BMBF geförderten Kollegs gemeinsam von einem Deutschen, dem Jenaer Lehrstuhlinhaber für Osteuropäische Geschichte Prof. Dr. Joachim von Puttkamer, und einem Polen, seinem Warschauer Kollegen Prof. Dr. Włodzimierz Borodziej, geleitet.
Das neue Kolleg soll ein Ort vergleichender Forschung werden und so das wissenschaftliche Gespräch über die historischen Erfahrungen des östlichen Europas im 20. Jahrhundert auf neue Grundlagen stellen. Es wird sich vor allem mit vier Themenbereichen beschäftigen: Diktatur, Krieg, Gewalt; Ausprägungen von Staatlichkeit; Umbrüche zur Moderne sowie Intellektuelle Horizonte – Selbst- und Fremdwahrnehmung in Europa. Die Ergebnisse wollen die Fellows des Kollegs – renommierte Zeithistoriker aus aller Welt, die ab dem nächsten Jahr im Kolleg große Freiräume für ihre Forschung erhalten – nicht nur auf den gängigen Wegen, wie Fachartikeln und Tagungen, in die Öffentlichkeit bringen. Das Kolleg wird auch durch eigene Publikationen, insbesondere ein vierbändiges Handbuch, zentrale Fragen aus den jeweiligen Schwerpunkten zur Diskussion stellen und so zur Differenzierung und Versachlichung geschichtspolitischer Debatten beitragen. Ein eigenes Forschungsportal im Internet ermöglicht zudem den Kontakt zu Kollegen, die außerhalb von Universitäten und Akademien, in Ausstellungen und Museen Geschichtskultur mitgestalten. Auch hierdurch unterscheidet sich das „Imre Kertész Kolleg“ deutlich von anderen Institutionen historischer Ostmitteleuropaforschung.
Benannt ist das neue Kolleg nach dem ungarischen Schriftsteller Imre Kertész, der wegen seiner jüdischen Herkunft in die Konzentrationslager Auschwitz und Buchenwald verschleppt wurde und durch sein literarisches Werk wesentlich dazu beigetragen hat, die Brüchigkeit jeglicher Zivilisation und Mitmenschlichkeit im 20. Jahrhundert als existentielle Erfahrung in Erinnerung zu halten. 2002 erhielt er den Nobelpreis für Literatur. Durch diese Namensgebung unterstreicht das Kolleg sein Anliegen, auf ein reflexives, demokratisches Geschichtsbewusstsein jenseits nationaler Vereinnahmungen hinzuwirken.
Durch das neue Internationale Kolleg wird Jenas herausragende Stellung in der Erforschung der Zeitgeschichte weiter gestärkt: Neben dem „Imre Kertész Kolleg“ existiert an der Friedrich-Schiller-Universität das „Jena Center Geschichte des 20. Jahrhunderts“ und eine enge Verbindung zur Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora.
Außer in die Forschung wird das neue Kolleg auch in die Ausbildung des wissenschaftlichen und studentischen Nachwuchses an der Universität Jena eingebunden sein. Nicht zuletzt will es immer wieder in den Dialog mit der breiten Öffentlichkeit treten.
Kontakt:
Prof. Dr. Joachim von Puttkamer
Imre Kertész Kolleg Jena
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Leutragraben 1
07743 Jena
Tel.: 03641 / 944070
E-Mail: joachim.puttkamer(at)uni-jena.de