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Russischer Angriff auf die Ukraine: Reaktionen der internationalen Wissenschaftslandschaft

Berichterstattung weltweit

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine blickt die Welt mit Sorge auf die Entwicklung des Krieges. Die internationale Gemeinschaft versucht mehrheitlich, die Ukraine und deren Bevölkerung zu unterstützen und gleichzeitig die russische Regierung und ihre Unterstützer zu sanktionieren. Auch in Russland selbst regt sich teilweise Widerspruch gegen das Vorgehen der eigenen Führung. Dies gilt jeweils auch bezogen auf Bildung, Wissenschaft und Forschung. Der Konflikt offenbart dabei die starke Einbindung Russlands in internationale Projekte und Gremien, die derzeit ausgesetzt oder zumindest in Frage gestellt wird.

In Folge des russischen Angriffs kam der Hochschul- und Wissenschaftsbetrieb in der Ukraine nahezu zum Erliegen. Unter den Soldatinnen und Soldaten, die ihr Land verteidigen, wie auch unter den vor den Kampfhandlungen Flüchtenden, befindet sich eine unbekannte Zahl an Studierenden, Lehrkräften und Forschenden. Ukrainische Förderorganisationen, Universitäten und das Wissenschaftsministerium baten ihre internationalen Partnerinnen und Partner um Unterstützung und riefen zum Boykott russischer Einrichtungen auf. Viele von ihnen kamen den Aufforderungen bereits nach.

Über die Reaktionen, Hilfsangebote und Sanktionen seitens deutscher Wissenschaftsakteure hat Kooperation international umfassend berichtet. Andere Regierungen und supranationale Gremien sowie ausländische Förderorganisationen und Wissenschaftseinrichtungen haben auf ähnliche Weise reagiert. So gab die EU-Kommission bekannt, die Zusammenarbeit mit russischen Einrichtungen in den Bereichen Forschung, Wissenschaft und Innovation auszusetzen.16 EU-Mitgliedsländern haben zumindest in Teilen ihre Kooperationen mit Russland eingefroren oder eingeschränkt. Dazu zählen neben Deutschland unter anderem Belgien, Estland, Finnland, Frankreich, Lettland, Litauen, Luxemburg, die Niederlande, Österreich, Slowenien, Schweden und die Tschechische Republik. Die Initiative zur Einschränkung ging dabei teilweise von den Regierungen, teilweise aber auch von einzelnen Forschungsorganisationen oder Universitäten aus. Weltweit regagierten weitere Einrichtungen in ähnlicher Weise. So beendete beispielsweise das Massachusetts Institute of Technology (MIT) nach über zehn Jahren seine Partnerschaft mit der englischsprachigen russischen Universität Skoltech, die mit Unterstützung der russischen Regierung in enger Zusammenarbeit mit dem MIT gegründet wurde.

Gleichzeitig wird darüber debattiert, Kanäle nach Russland auf individueller Ebene offen zu halten. So ermöglicht der schwedische Forschungsrat seinen Geförderten ausdrücklich die weitere Zusammenarbeit mit russischen und weißrussischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auf der Projektebene – trotz eines Aufrufs der schwedischen Regierung, die Forschungszusammenarbeit mit beiden Ländern prinzipiell auszusetzen.

Zusätzlich zu den Sanktionen gegen russische Einrichtungen brachten viel Akteure der nationalen Forschungs- und Bildungslandschaften Hilfsangebote für aus der Ukraine geflüchtete Studierende und Forschende auf den Weg. Unter #ScienceForUkraine werden die verschiedenen Angebote auf Twitter gesammelt und auf einer gleichnamigen Homepage zusammengetragen. Derzeit werden über 800 Unterstützungsmaßnahmen aus mehr als 45 Ländern aufgeführt (Stand: 14.3.2022).  

Neben der großen internationalen Solidarität offenbart die aktuelle Krise auch die starke internationale Vernetzung der russischen Wissenschaftslandschaft. Das Land ist an zahlreichen internationalen Projekten und Gremien beteiligt. Die vielfältigen Verbindungen laufen Gefahr, in Folge des Krieges vollständig abzureißen. So schlossen die übrigen Mitgliedstaaten des Arktischen Rats – Dänemark, Finnland, Island, Kanada, Norwegen, Schweden, und die USA – Russland aus ihren Reihen aus. Die Europäische Kernforschungsorganisation CERN entzog Russland den Beobachter Status. Die über 1.000 Forschenden aus russischen Institutionen an den Forschungseinrichtungen des CERN können ihre Arbeiten aber zunächst fortsetzen.  

Die Zusammenarbeit im Weltall ist ebenfalls Teil des Konflikts geworden und wird als Druckmittel eingesetzt. Das betrifft in besonderem Maße den gemeinsamen Betrieb der internationalen Raumstation ISS. Auf dieser befinden sich neben einem deutschen und vier US-amerikanischen Astronauten aktuell auch zwei russische Kosmonauten. Um die ISS dauerhaft in der Umlaufbahn zu halten, ist diese zudem von russischen Versorgungsflügen abhängig. Eine gemeinsam geplante Marsmission der russischen und europäischen Raumfahrtagenturen, die im Herbst dieses Jahres starten sollte, steht auf der Kippe.  

In vielen anderen Kontexten, etwa bei der Beteiligung an internationalen Forschungsinfrastrukturen, die teilweise auch mit russischen Mitteln finanziert wurden, stellen sich weitere Fragen zur künftigen Zusammenarbeit, die derzeit noch ungeklärt sind. Hiervon wären vor allem russische Forschende betroffen, die Gefahr laufen den Zugang zu Forschungsgeräten und den Anschluss an die internationale Wissenschaftsgemeinschaft zu verlieren. Diese stehen keinesfalls geschlossen hinter den Handlungen ihrer Regierung. Kurz nach Beginn des russischen Angriffs distanzierten sich tausende russische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, darunter Mitglieder der russichen Akademie der Wissenschaften, durch die Unterzeichnung Offener Briefe von dem russischen Vorgehen.

Ganz anders reagierte die russische Hochschulrektorenkonferenz, die am 4. März als Vertreterin von mehr als 700 russischen Hochschulen eine Erklärung abgab. Demnach sei die vorrangige Aufgabe der russischen Hochschulen die Unterstützung des Staates und die Erziehung zum Patriotismus. Als Reaktion auf diese Erklärung hat die European Universities Association (EUA) zwölf russische Hochschulen suspendiert, welche die Erklärung unterzeichnet hatten. Etliche Hochschulen außerhalb Russlands, die bisher noch gezögert hatten, die Beziehungen zu russischen Partneruniversitäten vollständig einzustellen, setzten in der Folge sämtliche Kooperationen aus.

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Zusammenarbeit in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Forschung mit Russland, aber auch anderen Ländern, die sich an die Seite Russlands stellen, langfristig entwickeln werden. Eine Rückkehr zum Status Quo scheint derzeit unwahrscheinlich. Vielmehr zeichnet sich eine Neuordnung der internationalen Beziehungen und damit auch von Wissenschaftskooperationen weltweit ab.

Zum Nachlesen

*Anmerkung der Redaktion: Aufgrund der dynamischen Entwicklungen in Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine wird diese Meldung ggf. ergänzt sowie ggf. erneut an die Abonnent*innen unseres Nachrichtenüberblicks verschickt.

Redaktion: von Tim Mörsch Länder / Organisationen: Russland Ukraine EU Global Themen: Ethik, Recht, Gesellschaft Strategie und Rahmenbedingungen

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