Die Digitalisierung macht vor der Wissenschaft nicht Halt. Für die Geisteswissenschaften ist daraus eine völlig neue Forschungsdisziplin empor gewachsen, die Digital Humanities. Wissenschaftler wie Christof Schöch erforschen digitale Methoden, die den Geisteswissenschaften nützlich sein sollen. Mit Knotenpunkt an der Universität Trier hat er jetzt ein weltweites Netzwerk gegründet, das die europäische Literaturgeschichte mit digitalen Methoden neu aufarbeitet.
Inzwischen sind 30 Länder und etwa 100 Forschende Teil der Initiative des Professors, der gleichzeitig Co-Direktor des Trier Center for Digital Humanities (TCDH) ist. Unter dem Projektnamen „Distant Reading for European Literary History“ krempeln Informatiker und Literaturwissenschaftler aus verschiedenen europäischen Ländern gemeinsam die Literaturgeschichte um. Statt sich auf herausragende Werke, wie Goethes Faust oder Lessings Nathan der Weise zu konzentrieren, wollen sie große Textmengen möglichst vieler, auch unbekannter Autoren erfassen und sprachübergreifend untersuchen.
Eben weil etablierte Literaturwissenschaft und digitale Literaturwissenschaft auf unterschiedlichen Analyseebenen operieren, können sie sich damit gut ergänzen.
Unter der Leitung von Schöch digitalisieren Wissenschaftler in Europa, aber auch in Israel, Australien, Brasilien oder den USA Romane in verschiedenen europäischen Sprachen. Sie entwickeln Instrumente, die Texte vergleichbar machen und mit denen Computer Texte anhand festgelegter Merkmale durchforsten. Die neuen Methoden modellieren die traditionellen Konzepte der Literaturwissenschaft und hinterfragen sie dabei zugleich, sodass ein Diskurs zwischen etablierten und den neuen, digitalen Literaturwissenschaftlern entsteht. In einer Arbeitsgruppe sorgt Schöch als Vorsitzender des Distant Reading-Netzwerks für den Austausch mit der etablierten Literaturwissenschaft. Vielleicht steht am Ende ein neues Konzept für den populären Roman, das bisher unbekannten Autoren in Spanien oder Kroatien Tribut zollt.
Finanziert wird das Netzwerk von COST Association (European Cooperation in Science and Technology) als sogenannte COST Action.