Die weltweite Reduzierung extremer Armut ist das erste der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung, die die Vereinten Nationen bis 2030 erreichen wollen. „Zwar haben viele Entwicklungsländer seit 1990 den Anteil der in Armut lebenden Bevölkerung deutlich reduzieren können, aber eben nicht alle“, sagt Prof. Dr. Wilhelm Löwenstein, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Entwicklungsforschung und Entwicklungspolitik der RUB, kurz IEE. „In den afrikanischen Staaten südlich der Sahara lebten 2017 noch immer 400 Millionen Menschen in extremer Armut.“ Diese Form von Armut – Hunger, Mangelernährung, fehlender Zugang zu sauberem Wasser oder zu medizinischer Versorgung und Bildung – wird als Quelle von Instabilität und Konflikten angesehen.
Traditionell steht die Ursachenforschung im Mittelpunkt, die die Existenz und die Verbreitung absoluter Armut mit Wachstums- und Innovationsschwäche, mit mangelnder Rechtsdurchsetzung, schlechter Regierungsführung und Korruption, mit Diskriminierung und ungleicher Verteilung begründet. Die aus dieser Diagnose folgenden Rezepte zur Armutsbekämpfung liegen auf der Hand: Entwicklungsländer müssten nur ihre Wirtschafts-, Rechts-, Verwaltungs- und Sozialsysteme nach dem Vorbild der Industrieländer reformieren, dann würde absolute Armut automatisch verschwinden.
Diese Gleichung ist zwar für Industriestaaten plausibel, sie geht aber in Entwicklungsländern häufig nicht auf. Daher gibt sich die vom IEE koordinierte Graduiertenschule nicht mit ihr zufrieden, sondern dreht sie um: Statt die Wirkungen von Reformen auf absolute Armut in den Mittelpunkt zu stellen, konzentrieren 15 internationale Doktorandinnen und Doktoranden ihre Forschungen auf die bisher vernachlässigte Frage, wie das aktuelle Ausmaß absoluter Armut die Wirtschafts- und Reformdynamik in einem Entwicklungsland beeinflusst und damit seine Fähigkeit, kurzfristig nennenswerte Erfolge bei der Armutsreduktion zu erzielen. „Es gibt eine große Lücke im Verständnis der Faktoren, die über das Gelingen von Armutsreduktion entscheiden“, stellt Löwenstein fest.
Das Graduiertenprogramm mit dem Titel „Eradicating Poverty: Pathways Towards Achieving the Sustainable Development Goals“, kurz Adapted, strukturiert und begleitet die Forschungsarbeiten. Die Antragsteller aus Deutschland, den Niederlanden, Frankreich und der Türkei wollen gemeinsam mit weiteren Partnern in Afrika Doktorandinnen und Doktoranden befähigen, neue, erfolgreichere Wege zur Armutsbekämpfung zu entwickeln. Die 15 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Programms werden in multidisziplinären Gruppen arbeiten. Sie werden von internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern betreut und durch fünf Graduiertenschulen in einem einmaligen Qualifizierungsprogramm ausgebildet. Zum Programm gehören Feldforschungsphasen und Praxismodule, die von den zwei größten europäischen Entwicklungsfinanzierern sowie einem renommierten Think Tank angeboten werden. „Das bereitet die Doktoranden sowohl auf eine Tätigkeit in der Forschung als auch in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit oder international aktiven Unternehmen vor“, so Wilhelm Löwenstein.
European Joint Doctorates (EJD) sind strukturell den von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Graduiertenkollegs (GRK) ähnlich, weisen aber einige Besonderheiten auf. Zielsetzung bei beiden ist die Qualifizierung von Doktorandinnen und Doktoranden in einem thematisch fokussierten, dabei aber multidisziplinären Forschungsprogramm sowie einem exzellenten strukturierten Qualifizierungskonzept. Im Unterschied zu GRKs vergeben bei EJDs Universitäten aus zwei oder mehr der beteiligten Länder den Doktorgrad, werden die Doktoranden von internationalen Professorenteams betreut und verbringen einen Teil ihrer Promotionsphase bei mindestens einem internationalen Universitäts- und/oder Praxispartner.