Die Minister und Ministerinnen für Wissenschaft, Forschung und Ausbildung aus 47 europäischen Ländern haben am 27. April 2012 in Bukarest ein weiteres Kommuniqué beschlossen, das dem Hochschulsystem bei der Bewältigung der europäischen Finanzkrise eine besondere Rolle zuweist. Die europäischen Hochschulen sollen in ihrem Bemühen gestärkt werden, kreatives, innovatives und kritisches Denken zu vermitteln und Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen.
Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) begrüßt diese Absicht und befürwortet ausdrücklich das Ziel, den Zugang zu höherer Bildung sozial gerecht zu erweitern, studierendenzentriertes Lernen voranzutreiben und die Übertragbarkeit und unbürokratische Anerkennung von Studienleistungen im europäischen Hochschulraum durchzusetzen. In diesem Sinne wird die HRK ihre Mitgliedshochschulen motivieren, vermehrt gemeinsame Studiengänge und –abschlüsse mit anderen europäischen Hochschulen anzubieten.
Demgegenüber sieht die HRK die dominante Orientierung des Kommuniqués an Beschäftigungsfähigkeit als Hauptziel der hochschulischen Ausbildung kritisch. Umso wichtiger ist es, dass die deutsche Seite eine Formulierung durchsetzen konnte, die gegenüber dem reinen Ausbildungsinteresse die Verpflichtung der Hochschulen auf allgemeine Bildung unterstreicht: Studierende sollten neben fachlichem Wissen auch intellektuelle Unabhängigkeit, persönliches Urteilsvermögen und Kritikfähigkeit erwerben. (Im Wortlaut: „Higher education should be an open process in which students develop intellectual independence and personal self-assuredness alongside disciplinary knowledge and skills. Through the pursuit of academic learning and research, students should acquire the ability confidently to assess situations and ground their actions in critical thought.”)
Enttäuscht ist die HRK darüber, dass hinsichtlich der ausreichenden öffentlichen Finanzierung der Hochschulen lediglich ein „Dialog“ verabredet wurde. Auch teilt die HRK nicht die Auffassung des Kommuniqués, dass es sich bei der Promotion um den „3. Zyklus“ des Bologna-Systems handle, da gerade die deutsche Promotion in der Regel eine strikte wissenschafts- und nicht berufsorientierte Funktion hat.
Insgesamt unterstützt die HRK die Erklärung der Ministerinnen und Minister, 2015 den gesamten Bologna-Prozess in seiner Umsetzung einer gründlichen und kritischen Evaluation zu unterziehen. Dazu wird es erforderlich sein, seriöse empirische Daten in den nächsten drei Jahren zu erheben und aufzubereiten sowie adäquate Evaluationskriterien zu entwickeln. Die HRK erwartet, dass sie mit ihren Mitgliedshochschulen an dieser Aufgabe maßgeblich beteiligt wird.