StartseiteLänderMultilateralesEuropäische Union (EU)KIT wirbt EU-Förderung für zwei Forschungsprojekte ein

KIT wirbt EU-Förderung für zwei Forschungsprojekte ein

Zwei Projekte am Karlsruher Institut für Technologie KIT werden durch den Europäischen Forschungsrat gefördert. Die eine Forschungsgruppe unter Leitung von Dr. Erin Koos befasst sich mit Kapillarsuspensionen. Diese Suspensionen ermöglichen, das Fließverhalten von Materialien gezielt einzustellen und neue Produkte zu entwickeln, wie Tinten für druckbare Elektronik oder mikroporöse Keramiken. Um Mikrostrukturen, die wasserliebende und wasserabstoßende Eigenschaften vereinen, zur Hochdurchsatzuntersuchung von Zellen geht es in der von Dr. Pavel Levkin geleiteten Forschungsgruppe.

Die Projekte erhalten einen ERC Starting Independent Researcher Grant von je rund 1,5 Millionen Euro, verteilt auf fünf Jahre. Mit dem Starting Independent Researcher Grant fördert der Europäische Forschungsrat (European Research Council – ERC) über das Programm „Ideen“ im 7. EU-Forschungsrahmenprogramm wegweisende Projekte von Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern. Ziel des Starting Grants, der als eine der begehrtesten Förderungen in Europa gilt, ist der Aufbau oder die Festigung eines unabhängigen exzellenten Forschungsteams. Der Starting Grant 2013 ist die sechste Ausschreibung. Insgesamt gingen mehr als 3.000 Anträge ein; nur rund ein Zehntel wird gefördert. Bereits bei vergangenen Ausschreibungen waren Wissenschaftler des KIT erfolgreich.

Die Forschungsgruppe „Capillary suspensions: a novel route for versatile, cost efficient and environmentally friendly material design (CapS)" unter Leitung von Dr. Erin Koos am Institut für Mechanische Verfahrenstechnik und Mechanik (MVM) des KIT befasst sich mit neuartigen Suspensionen, die maßgeschneiderte, kostengünstige und umweltfreundliche Materialien ermöglichen. Auf Suspensionen, das heißt Stoffgemischen aus einer Flüssigkeit und darin schwebenden, fein verteilten Festkörpern, basieren vielfältige Materialien wie innovative Nanotechnologieprodukte, Beschichtungen und Klebemittel, aber auch Alltagsprodukte wie Lebensmittel und Kosmetika. Das Fließverhalten einer Suspension muss genau auf das Fertigungsverfahren sowie die gewünschten Eigenschaften des Produkts abgestimmt sein.

Sogenannte kapillare Suspensionen können das Materialdesign revolutionieren: Wird der kontinuierlichen Phase einer Suspension eine geringe Menge – weniger als ein Prozent – Zweitflüssigkeit zugegeben, verändern sich die rheologischen Merkmale, das heißt Fließeigenschaften, der Suspension deutlich: Aus einer dünnflüssigen, schwach elastischen Suspension wird eine gelartige Struktur mit stark elastischen Eigenschaften. Mit zunehmendem Zweitphasenanteil steigen Fließgrenze und Viskosität um mehrere Größenordnungen an. Dieser Übergang lässt sich mit der Ausbildung von Kapillarkräften zwischen den beiden Flüssigkeiten und dem Feststoff erklären: Bei Kontakt mit engen Röhren, Spalten oder Hohlräumen zeigen Flüssigkeiten ein besonderes Verhalten, das auf die Oberflächenspannung der Flüssigkeiten und die Grenzflächenspannung zwischen Flüssigkeiten und fester Oberfläche zurückzuführen ist. 

Kapillare Suspensionen erlauben es, Fließeigenschaften gezielt einzustellen, Gemische zu stabilisieren, Phasenseparation zu verhindern und Zusatzstoffe zu sparen. Sie ermöglichen innovative Produkte, wie Tinten für druckbare Elektronik, die ohne herkömmliche Stabilisatoren wie Polymere oder Tenside auskommen, hochporöse, offenporige Sinterwerkstoffe für Filter, Katalysatoren und Wärmetauscher, Kunststofffilme mit geringem Weichmacheranteil oder fettreduzierte Brotaufstriche auf Wasserbasis, die keine Emulgatoren benötigen.

Die Helmholtz-Forschungsgruppe „Chemical Engineering of Biofunctional Materials", geleitet von Dr. Pavel Levkin am Institut für Toxikologie und Genetik (ITG) des KIT entwickelt eine neue Plattform zur Hochdurchsatzuntersuchung von lebenden Zellen. Das sogenannte Hochdurchsatzscreening, bei dem Zehntausende bis Millionen von genetischen, biochemischen oder pharmakologischen Tests automatisiert durchgeführt werden, beschleunigt sowohl die grundlegende biologische Forschung als auch die Entdeckung neuer Arzneimittelwirkstoffe. Assays mit lebenden Zellen machen rund die Hälfte aller Hochdurchsatzscreenings aus. Bisherige Methoden erfordern allerdings einen hohen Aufwand oder unterliegen verschiedenen Anwendungsbeschränkungen. Die Forschungsgruppe von Dr. Pavel Levkin setzt für das Hochdurchsatzscreening von Zellen neuartige Mikrostrukturen ein, die wasserabstoßende und wasserliebende Eigenschaften in sich vereinen.

Sogenannte superhydrophobe-superhydrophile Mikroarrays ermöglichen hochdichte Felder von mikrofeinen Tröpfchen (DropletMicroarrays) oder von mikrofeinen Hydrogelpads (HydrogelMicroarrays). Die neue Plattform verbindet wasserliebende Mikrofasern, auf denen sich feinste Tröpfchen ausbilden, mit wasserabstoßenden Mikrofasern, die als Barrieren zwischen den Tröpfchen fungieren. Auf dieser Struktur, die einem fein karierten Gewebe ähnelt, lassen sich auf engem Raum viele isolierte Tröpfchen aneinanderreihen, deren Größe und Form genau festlegen und sogar Miniaturkanäle anlegen. Jedes Tröpfchen dient quasi als winziges dreidimensionales Reagenzglas, in dem die Forscher Zellen gezielt untersuchen und biochemischen Einflüssen aussetzen können.

Die Plattform wird es erlauben, auf einem einzigen Mikroarray bis zu 300.000 Experimente gleichzeitig durchzuführen. Individuelle Zellexperimente lassen sich in komplett isolierten Tröpfchen an bestimmten Stellen des Mikroarrays vornehmen. Die hydrophoben Barrieren verhindern Kreuzkontaminationen und Zellwanderungen. Analog dazu entwickeln die Wissenschaftler eine Plattform zum Hochdurchsatzscreening von Zellen in 3D-Hydrogel-Mikropads.

Quelle: Karlsruher Institut für Technologie Redaktion: von Tim Mörsch, VDI Technologiezentrum GmbH Länder / Organisationen: EU Deutschland Themen: Bildung und Hochschulen Förderung Fachkräfte Physik. u. chem. Techn. Lebenswissenschaften

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