Sogenannte Multiferroika haben sowohl ferroelektrische als auch ferromagnetische Eigenschaften, die sich durch Anlegen eines äußeren elektrischen Feldes beeinflussen lassen. Die Studie wurde mit 10 Mio. EUR von der Europäischen Kommission durch das Projekt ELISA (European light sources activities - synchrotrons and free electron lasers) finanziert, das unter dem Themenbereich "Forschungsinfrastrukturen" des Siebten Rahmenprogramms (RP7) gefördert wurde.
Zusätzlich erhielt das Forscherteam 2.148.796 EUR über ein Forschungsstipendium für etablierte Wissenschaftler (Advanced Grant) des Europäischen Forschungsrates im Rahmen des Projekts FEMMES (FerroElectric Multifunctional tunnel junctions for MEmristors and Spintronics).
Objekt der Untersuchungen war Bariumtitanat (BaTiO3). Mit der Methode des "Soft X-Ray Resonant Magnetic Scattering" beobachteten die Wissenschaftler die ferroelektrischen als auch ferromagnetischen Eigenschaften dünner Bariumtitanat-Filme.
"Wir konnten zeigen, dass multiferroische Eigenschaften bei Raumtemperatur möglich sind", sagt Forscher Sergio Valencia vom Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie. "Bariumtitanat ist ferromagnetisch, d.h. seine magnetischen Eigenschaften lassen sich über ein elektrisches Feld beeinflussen. Wenn man von außen eine Spannung anlegt und dadurch die ferroelektrische Polarisation eines Bariumtitanat-Films umkehrt, beeinflusst dies auch seine Magnetisierung." Anwendbar sei dieses Phänomen beispielsweise bei der Datenspeicherung, indem einfach ein elektrisches Feld angelegt wird. Das ist viel günstiger als der traditionelle Einsatz von magnetischen Feldern."
Die Möglichkeit, dass man die magnetischen Eigenschaften des Materials bei Raumtemperatur beeinflussen kann, ist sehr Kosten sparend, da derzeitige multiferroische Substanzen sehr schwierig zu handhaben sind.
Die Forscher hoffen nun, besseren Zugang zu solchen seltenen multiferroischen Materialien zu erlangen. Das Zusammenspiel von Ferromagnetismus und Ferroelektrizität zu entschlüsseln, ist deshalb so schwierig, weil beide Phänomene eine Art "Hassliebe" verbindet. Ferromagnetismus benötigt andere Umweltbedingungen als Ferroelektrizität. Geschieht dies jedoch, stehen sie in enger Beziehung zueinander und beeinflussen sich gegenseitig.
"Multiferroika sind sehr selten, und weil diese Eigenschaften meist nur in extremer Kälte zu beobachten sind, sind die meisten Multiferroika für praktische Anwendungen kaum nutzbar", sagt Sergio Valencia. "Wenn der multiferroische Effekt erst bei minus 270 Grad Celsius auftritt, kann man das Material nur mit extrem hohen Kosten in ein Gerät einbauen, das bei Raumtemperatur funktionieren muss."
Ziel des bis 2016 laufenden Projekts ist die Erforschung der Interaktion zwischen Ladung/Spin-Tunneling und Ferroelektrizität in ferroelektrischen Tunnelkontakten (Ferroelectric Tunnel Junctions, FTJ), bestehend aus zwei Elektroden, die durch eine ferroelektrische Tunnelbarriere getrennt sind. U.a. befasst man sich mit Fragen der Grundlagenforschung wie etwa dem Einfluss von Schnittstellen und geringen Wanddicken auf die Ferroelektrizität, der Abhängigkeit von Ladung und Spin-Tunneling auf die ferroelektrische Orientierung (Elektroresistenz), dem Einfluss der ferroelektrischen Barriere auf den Magnetismus und der Spinpolarisation der Elektroden.
Informationsquelle: Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie