Frankreich überarbeitet alle sieben Jahre sein Gesetz für Bioethik. Im Juli 2019 wurde nun von den drei verantwortlichen Ministerien für Gesundheit, Justiz und Hochschulbildung sowie Forschung und Innovation der neue Entwurf vorgestellt und vom Ministerrat gebilligt. In den Medien wurde und wird vor allem die dort vorgesehene Gleichstellung aller Frauen unter 43 Jahren mit Kinderwunsch und die entsprechende Kostenerstattung für Kinderwunschbehandlungen durch die Krankenkasse debattiert. Der Gesetzentwurf betrifft jedoch auch die Embryo- und Stammzellforschung, die in Frankreich unter strengen Auflagen seit 2013 erlaubt ist.
So sollen die Möglichkeiten zu Forschungen an Embryonen und embryonalen Stammzellen erweitert werden. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hatten dies im Rahmen der vorangegangen öffentlichen Konsultationen vom Gesetzgeber gefordert. Im Rahmen künstlicher Befruchtung entstandene, überzählige Embryonen können bereits aktuell nach Zustimmung der Eltern und Autorisierung durch die Agentur für Biomedizin unter strengen Rahmenbedingungen für die Grundlagenforschung verwendet werden. Zukünftig sollen sie hierfür nun auch genetisch verändert werden dürfen. Dies war bisher untersagt. Verboten bleiben die künstliche Befruchtung oder das Klonen menschlicher Embryonen zu reinen Forschungszwecken sowie die Modifizierung menschlicher Embryonen durch tierische Zellen.
Im Bereich der Stammzellenforschung soll in Zukunft anders als bisher eine einfache Mitteilung an die Agentur für Biomedizin über ein geplantes Forschungsvorhaben reichen, die dann innerhalb eines bestimmten Zeitraums Widerspruch leisten kann. Der bisherige Bewilligungsprozess nimmt zwölf bis 18 Monate in Anspruch. Der Gesetzentwurf hat hierbei das Ziel, die als ethisch weniger problematisch eingeschätzte Forschung an Stammzellen zu erleichtern. Wie die katholische Tageszeitung La Croix schreibt, bleibe jedoch genau das eine schwierige Frage: Die dort zitierte Präsidentin der Französischen Gesellschaft für Stammzellenforschung Cécile Martinat weist darauf hin, dass Forschungsprojekte durch die komplizierten Bewilligungsverfahren und rechtliche Unsicherheit erschwert werden. Die ebenfalls zitierte Pharmazeutin Blanche Streb vom Verein Alliance Vita betont hingegen, dass der Gesetzgeber vor allem einen ethischen Rahmen schaffen solle und es nicht seine Aufgabe sei, das „Leben einiger Forscher zu erleichtern“.
Zudem ist vorgesehen, dass ein durch künstliche Befruchtung entstandener Embryo, der nicht eingepflanzt wird, nach 14 Tagen zerstört werden muss. Bisher war diese Frist nicht gesetzlich festgelegt, unter anderem, da es bis 2016 technisch nicht möglich war, Embryonen länger als sieben Tage im Labor zu entwickeln.
Weitere Aspekte des Gesetzes umfassen die gesetzlichen Bestimmungen insbesondere für: eine Abtreibung aus medizinischen Gründen; die Weitergabe genetischer Informationen aus medizinischen Gründen; die erweiterten Möglichkeiten, eigene Eizellen und/oder Spermien zur späteren Verwendung zu entnehmen und aufzubewahren; das Anrecht von Kindern, die mithilfe einer Samenspende gezeugt wurden, anonymisierte Details über ihren biologischen Vater zu erfahren und falls dieser zugestimmt hat, auch seine Identität.
Im kommenden September debattiert die französische Nationalversammlung über den Gesetzentwurf.
Zum Nachlesen (Französisch)
- Le Monde (18.07.2019): Au-delà de la PMA, les points importants de la loi bioéthique
- La Croix (26.07.2019): Le projet de loi de bioéthique relance le débat sur l’embryon