Die aktuell verfügbaren Methoden gelten als noch nicht sicher genug für eine klinische Anwendung, doch die drei Räte wollen sicherstellen, dass wichtige ethische Fragen und Prinzipen genügend Aufmerksamkeit erhalten, bevor eine technische Anwendungsreife erreicht wird. Nur so können der globale Dialog und die Regulierung von Keimbahneingriffen auf einer soliden ethischen Grundlage erfolgen.
In einem am 3. März 2020 von Nature veröffentlichten Brief heben die Vorsitzenden der drei Räte, welche jeweils eigenen Stellungnahmen zum Thema Genome-Editing veröffentlicht haben, die folgenden Kernpunkte aus der gemeinsamen Erklärung hervor:
"Wir rufen Regierungen und Interessenvertreter auf der ganzen Welt dazu auf, die folgenden Schritte zu unternehmen:
- Alle Staaten sollten erbliche Veränderungen des menschlichen Genoms eindeutig der Kontrolle der zuständigen öffentlichen Behörden unterstellen und ihren Missbrauch mit angemessenen Sanktionen belegen.
- Es sollten keine klinischen Versuche zum Einsatz von Keimbahneingriffen durchgeführt werden, bevor nicht eine breite gesellschaftliche Debatte über die Vertretbarkeit der betreffenden Interventionen stattgefunden hat.
- Es sollten keine weiteren klinischen Versuche zum Einsatz von Keimbahneingriffen durchgeführt werden, solange die Forschung die beträchtliche Unsicherheit zu den Risiken klinischer Anwendungen noch nicht auf ein akzeptables Niveau reduziert hat.
- Bevor klinische Studien zu oder Anwendungen von Keimbahneingriffen zugelassen werden, müssen die Risiken nachteiliger Auswirkungen für Einzelpersonen, Gruppen und die Gesellschaft als Ganzes angemessen bewertet worden sein, und es müssen Maßnahmen zur Überwachung und Überprüfung dieser Risiken vorhanden sein.
Wir alle halten es für wesentlich, dass eine ethisch zulässige Anwendung von Keimbahneingriffen beim Menschen nicht zu verstärkten Benachteiligungen, Diskriminierungen oder Spaltungen in der Gesellschaft führen darf.
Die große Bandbreite der denkbaren Anwendungen und die damit verbundenen Auswirkungen auf Familien, die Gesellschaft und künftige Generationen erfordern eine angemessen vorsichtige, verantwortliche und transparente Governance.
Wir empfehlen allen, die an Debatten zu Keimbahneingriffen teilnehmen, und den jeweiligen Entscheidungsträgern, die Beispiele zu ethischen Abwägungen in unseren individuellen Stellungnahmen in ihre Überlegungen mit einbeziehen."
Hintergrund
In Frankreich, Deutschland und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland sind erbliche Veränderungen des menschlichen Genoms gesetzlich verboten. In anderen Rechtsordnungen sind die Regeln hingegen mitunter unklar, werden nicht durchgesetzt oder fehlen gänzlich. Obwohl die Handlungen eines chinesischen Forschers, dessen Arbeit 2018 zur Geburt von genetisch veränderten Zwillingen führte, breit verurteilt wurden, haben andere Forscher bereits Pläne angekündigt, weitere Keimbahneingriffe zu versuchen.
Zum Nachlesen
- Gemeinsame Erklärung der drei Räte (03.03.20): Joint Statement on the Ethics of Heritable Human Genome Editing
- Deutscher Ethikrat (2019): Eingriffe in die menschliche Keimbahn
- CCNE - Comité Consultatif National d'Ethique (2020): Opinion 133 on Ethical Challenges of Gene Editing: Between Hope and Caution
- Nuffield Council on Bioethics (2018): Genome Editing and Human Reproduction: social and ethical issues