Um die Pariser Klimaziele zur Begrenzung der Erderwärmung umzusetzen, hat die vietnamesische Regierung in den vergangenen Jahren neue Energiestandards eingeführt und Vorschriften zur Materialauswahl beim Bauen erlassen. Aufgrund des extrem feucht-warmen Außenklimas und der gekühlten Innenräume zeigten sich an den neuen Gebäuden jedoch bald Bauschäden wie Risse in den Wänden und Schimmel. „Diese Probleme führten dazu, dass innovative Bausysteme und das energieeffiziente Bauen insgesamt in Vietnam einen schlechten Ruf haben“, erläutert Projektleiter Dr. Dirk Schwede vom Institut für Gebäudeenergetik, Thermotechnik und Energiespeicherung (IGTE) der Universität Stuttgart.
Um solche Lösungen zu erforschen, errichten die Projektpartner, darunter auch das Fraunhofer Institut für Bauphysik, in Vietnam ein Bauphysiklabor sowie ein Freilandtestfeld nach dem Vorbild von Einrichtungen in Stuttgart und Holzkirchen. In diesen soll untersucht werden, wie sich verschiedene Materialien unter den extremen Klimabedingungen Vietnams verhalten und wie sie verbaut werden müssen. Die lokalen klimatischen und nutzungsspezifischen Randbedingungen werden durch umfangreiche Befragungen durch die Universität Hamburg sowie durch Raumklimamessungen durch die Universität Stuttgart, die National University of Civil Engineering (Hanoi) und die Ton Duc Thang University (Ho-Chi-Minh-Stadt) ermittelt. Die Forschenden der Universität Stuttgart arbeiten zudem an der Lebenszyklusbewertung von Bausystemen und zusammen mit dem Instituts für Baumaterialien (VIBM) an einem Kennzeichnungssystem für Baumaterialien auf dem vietnamesischen Markt.
Da die Bauschäden zum Teil auch eine Folge von Wissensdefiziten im Umgang mit nachhaltigen Materialien sind, entwickeln die Projektpartner Bau Bildung Sachsen e.V. und das College of Urban Works and Construction in Hanoi darüber hinaus Lehrpläne für die Ausbildung von Bauarbeitern, die auf diese Materialien und die lokalen Bedingungen abgestimmt sind.
Das Projekt „Klimaangepasste Materialforschung für den Sozioökonomischen Kontext in Vietnam“ (CAMaRSEC) wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in den Jahren 2019 bis 2022 mit insgesamt rund 2,1 Millionen Euro gefördert. Die Erkenntnisse aus dem Projekt sollen später auch dem nachhaltigen Bauen in anderen Ländern Südostasiens zugutekommen. So forscht Dirk Schwede beispielsweise auch im Rahmen des BMBF-Projekts „Build4people“ an energie- und ressourceneffizienten Gebäude- und Stadtentwicklungskonzepten für die Menschen in Kambodscha. Neben einer Senkung des Energieverbrauchs zielt das Projekt auf geringere Schadstoffemissionen, ein gesünderes Stadtklima sowie auf die Sensibilisierung von Entscheidungsträgern und Bevölkerung.
Zum Nachlesen
- Univeristät Stuttgart (22.10.2019): Nachhaltig Bauen bei tropischem Klima
- Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP (23.10.2019): Das Fraunhofer IBP unterstützt die Energie- und Ressourcenwende im vietnamesischen Bauwesen