Wissenschaftsfreiheit ist grundlegend für den akademischen Fortschritt, die Suche nach Wahrheit, eine qualitativ hochwertige Hochschulbildung und die internationale Zusammenarbeit in der Forschung. Universitäten und Staaten haben Erklärungen unterzeichnet, in denen sie sich zum Schutz der Wissenschaftsfreiheit verpflichten. In der Praxis werden diese jedoch nicht immer umgesetzt oder deren Umsetzung überprüft.
„Über die Bedeutung der Wissenschaftsfreiheit herrscht weitgehend Einigkeit, aber wir haben erstaunlich wenig Wissen über globale oder länderspezifische Trends", sagt Prof. Kinzelbach, Professur für Professur für Internationale Politik der Menschenrechte. „Deshalb haben wir den Versuch unternommen, diese Freiheit weltweit zu erfassen.“
Der Academic Freedom Index (AFi) schließt eine wichtige Wissenslücke und versucht, die Wissenschaftsfreiheit als Grundprinzip einer qualitativ hochwertigen Hochschulbildung und Forschung zu fördern. Prof. Kinzelbach entwickelte das Projekt in enger Zusammenarbeit mit dem Global Public Policy Institute in Berlin und mit dem Scholars at Risk Network in New York. Das V-Dem Institut in Göteborg leitete die Datenerhebung. „1810 Wissenschaftler aus der ganzen Welt trugen zum neuen Index in einer Expertenumfrage bei, die den Zeitraum von 1900-2019 umfasste", erklärt Prof. Dr. Anna Lührmann, die stellvertretende Direktorin des V-Dem-Instituts.
Der AFi liefert Zeitreihen-Daten zur Wissenschaftsfreiheit und umfasst fünf Indikatoren, die jeweils eine andere Dimension der Wissenschaftsfreiheit messen: die Freiheit der Forschung und Lehre, die Freiheit des akademischen Austauschs und der Wissenschaftskommunikation, institutionelle Autonomie, Campus-Integrität und die Freiheit der akademischen und kulturellen Meinungsäußerung. Ein vom V-Dem Institut entwickeltes Online-Tool bietet einen einfachen Zugang zu den Daten. Forschende, politische Entscheidungsträgerinnen und -träger, Studierende und Verfechter und Verfechterinnen der Wissenschaftsfreiheit können die verschiedenen Indikatoren analysieren und Trends zwischen Staaten und Regionen vergleichen.
Der AFi eröffnet eine neue Möglichkeiten für die Forschung zur Wissenschaftsfreiheit, aber er unterstützt auch die öffentliche Debatte und ermöglicht eine evidenzbasierte Entscheidungsfindung in der Hochschulpolitik. „Die neuen Daten helfen uns nicht nur zu untersuchen, wo und warum es zu Verletzungen der Wissenschaftsfreiheit kommt, sondern auch, wie die Wissenschaftsfreiheit gestärkt werden kann", erklärt Prof. Kinzelbach. „So können wir beispielsweise zeigen, dass Länder, in denen die Universitäten eine hohe institutionelle Autonomie genießen, auch dazu neigen, die Freiheit von Forschung und Lehre zu respektieren. Nähere Untersuchungen dieser Daten können weitere Hinweise zum effektiven Schutz der Wissenschaftsfreiheit liefern.“
AFi ist das Ergebnis einer einzigartigen Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern, einem internationalen Netzwerk zum Schutz von verfolgten Akademikern und einem Think Tank. „Unser Ziel ist es, die Anreizstrukturen für Universitäten und Regierungen so zu verändern, dass der Schutz von Wissenschaftsfreiheit zur Priorität wird", sagt Janika Spannagel vom Global Public Policy Institute (GPPi) in Berlin. „Indem wir Daten über den weltweiten Zustand der Wissenschaftsfreiheit bereitstellen, wollen wir eine Debatte über die Qualität und das Ansehen von Universitäten anstoßen“, erklärt Ilyas Saliba, ebenfalls von GPPi. Der Index solle auch bestehende Hochschulrankings in Frage stellen, die vorgeben, akademische Exzellenz und Reputation zu messen, ohne dabei die akademische Freiheit zu berücksichtigen. „Wir hoffen, dass Akademikerinnen und Akademiker, Studierende, Universitätsmanagement, Forschungsförderinnen und -förderer, Regierungen und andere Akteurinnen und Akteure im Hochschulbereich den AFi nutzen werden, um besser informierte Entscheidungen zu treffen und den konkreten Schutz der akademischen Freiheit zu stärken", fügt Saliba hinzu. Zum Beispiel könnten Geldgeber und Universitäten die Vorlage von Risikominderungsstrategien verlangen, wenn Forschungsprojekte in repressiven Umgebungen geplant oder beantragt werden.
Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) begrüßt die Veröffentlichung des Berichts und weist auf den engen Zusammenhang zwischen akademischem Austausch, Wissenschaftsfreiheit und wissenschaftlichem Fortschritt hin. Der neue „Academic Freedom Index” zeige, wie es um die Wissenschaftsfreiheit weltweit stehe.
Zum Nachlesen
- V-Dem Institute (03/2020): The Academic Freedom Index and Other New Indicators Relating to Academic Space: An Introduction
- DAAD (27.03.20): „Wissenschaftsfreiheit schafft Freiraum für unabhängiges Denken“