Trotz eines leichten Aufschwungs der letzten Monate ist die französische Industrie nach wie vor in der Krise und trägt nur noch 12,5 Prozent zum Brutto-Inlands-Produkt (BIP) bei, während es Ende der 1990er Jahre noch über 16 Prozent waren. Zum Vergleich: In Deutschland macht die Industrie mehr als 23 Prozent des BIP aus. Neben kostensenkenden Maßnahmen wie Steuererleichterungen oder der Reform des Arbeitsrechts ist es für die französische Regierung daher zentral, dass die Industrie mehr wettbewerbsfähige Produkte entwickelt, um international mithalten zu können.
Bereits unter dem Vorgänger von Staatspräsident Emmanuel Macron, François Hollande, wurde 2013 eine Strategie unter dem Namen „Das neue industrielle Frankreich“ (Nouvelle France industrielle) mit 34 Entwicklungsplänen gestartet. In seiner Zeit als Finanzminister veranlasste Emmanuel Macron dann die Neuordnung der Strategie anhand neun thematischer Achsen. Das Programm wird nun vollständig beendet und nur ausgewählte Pläne beibehalten. Dazu gehören die Entwicklung eines autonomen Fahrzeugs sowie von Elektrobatterien insbesondere für Fahrzeuge. Beides soll künftig verstärkt gefördert werden. Die Verkehrspolitikerin und Unternehmerin Anne Marie Idrac wurde beauftragt, die Maßnahmen dafür zu koordinieren. 2018 sollen Tests in großem Umfang durchgeführt werden und für 2020 wird die industrielle Produktion autonomer Fahrtechnologien angestrebt. Auch findet parallel im Moment eine Abstimmung mit den gesellschaftlichen und politischen Akteuren zu diesem Thema statt. Mit den 14 „Strategischen Branchenkomitees“ des Nationalen Industrierats CNI (Conseil national de l’industrie), die seit 2013 unter Vorsitz des Premierministers die öffentliche Hand zur Industriepolitik beraten, werden in den nächsten drei Monaten Audits durchgeführt.
Da es unter der aktuellen Regierung weder einen Minister noch einen Staatssekretär für Industrie gibt, werden zwei Unternehmer auf strategische Positionen berufen. Jean-Pierre Floris, der unter anderem zur Leitungsebene des Industriekonzerns Saint Gobain gehörte, wird interministerieller Delegierter für Unternehmensumstrukturierungen. Philippe Varin, ehemaliger Leiter des Automobilherstellers PSA und Verwaltungsrat-Vorsitzender der Areva-Gruppe, wird im Januar 2018 Vorsitzender von France Industrie, der neuen Arbeitgeber-Vereinigung im Industriesektor. Außerdem wird Varin Vize-Präsident des CNI und dort damit geschäftsführend.
Am 1. Januar 2018 wird zudem ein Fonds für industrielle Innovationen in Höhe von zehn Milliarden Euro aufgelegt. Das Kapital stammt aus dem Verkauf der staatlichen Unternehmensanteile von Engie und Renault sowie aus Anteilen von Unternehmen, die in der öffentlichen Hand verbleiben sollen (EDF, Thales, La Poste …). Mit den Erträgen aus Dividenden und Zinsen von bis zu 250 Millionen Euro im Jahr sollen disruptive Innovationen gefördert werden. Wie genau die Mittel eingesetzt werden, hängt von den Ergebnissen einer Untersuchungskommission ab, die alle Fördermaßnahmen überprüft. Aktuell stehen für die Innovationsförderung insgesamt bis zu zehn Milliarden Euro zur Verfügung und es soll geklärt werden, welche Maßnahmen effizient sind oder wo es blinde Flecken gibt.
Und nicht zuletzt hat Philippe in seiner Präsentation die Frage aufgeworfen, wie europäische „Champions“ entstehen können, die mit chinesischen oder US-amerikanischen Großkonzernen konkurrieren können ohne die Kartellrechtsbestimmungen der Europäischen Union zu verletzen. Frédéric Saint-Geours, der ebenfalls zur Leitungsebene von PSA gehörte, soll dazu Vorschläge erarbeiten.
Zum Nachlesen (Französisch):
- Le Monde (20.11.2017): Edouard Philippe dévoile ses projets de "reconquête industrielle"
- L'usine digitale (21.11.2017): Véhicules autonomes : le gouvernement précise sa feuille de route