Der polnische Sejm hat das "Gesetz zu Hochschulwesen und Wissenschaft" verabschiedet. Die Reform, die auch als "Wissenschaftsverfassung" bezeichnet wird, wird die derzeit vier bestehenden Gesetze zu Hochschulwesen und Wissenschaft ersetzen. Insgesamt mehr als 80 Änderungen wurden im Vorfeld der Abstimmung eingebracht. Zu den wichtigsten zählen:
- Es wird zusätzliche Fördermöglichkeiten für nicht-staatliche Universitäten aus Haushaltsmitteln geben, in Abhängigkeit von wissenschaftlichen Aktivitäten.
- Die neu eingesetzten "Universitätsräte" werden so besetzt, dass mindestens 50 Prozent der Mitglieder von außerhalb der jeweiligen Institution stammen. Damit kann ein solcher Rat grundsätzlich paritätisch besetzt werden; dies war ursprünglich nicht vorgesehen.
- Die Universitätsräte erhalten kein alleiniges Vorschlagsrecht für Rektorenkandidaten. Universitäten können andere Organe benennen, die dafür zuständig sein sollen.
Der stellvertretende Minister für Wissenschaft und Hochschulbildung, Piotr Müller, sieht das Gesetzespaket positiv: "The law increases the autonomy of universities by increasing their internal organizational freedom. The academic community will decide how universities works, not the law."
Die Reform soll die Entwicklung sowohl von großen als auch von kleineren, regionalen Hochschulen unterstützen; letztere sollen aus einem separaten Fördertopf für sogenannte "Exzellenzinseln" finanziert werden. Daneben werden drei große Exzellenzinitiativen gestartet: ein Programm für die besten akademischen Einrichtungen des Landes, eines für regionale Universitäten und eines für öffentliche Berufsakademien. Die jeweils besten Universitäten der drei Gruppen können zusätzliche Gelder erhalten.
Hinsichtlich der Evaluation von Hochschulen erfolgt eine Abkehr vom bisherigen Scoring-System. Stattdessen wird der Fokus auf die vier wichtigsten wissenschaftlichen Errungenschaften der Forscherinnen und Forscher gelegt, um fachspezifische Fähigkeiten und Forschungsergebnisse in den Vordergrund zu stellen. Mit der Reform werden erstmals Doktorandenkollegs und ein Stipendiensystem eingeführt, was die Schaffung zukünftiger Wissenschaftseliten unterstütze, so der stellvertretende Wissenschaftsminister. Hochschulen werden verpflichtet, die Studiengebühren vor Studienbeginn festzulegen; eine spätere Erhöhung ist verboten.
Des Weiteren betonte Müller, dass es nach den Bestimmungen des neuen Gesetzes mehr Möglichkeiten gebe, interdisziplinäre Studiengänge zu schaffen, die die Potenziale verschiedener Fakultäten kombinieren. Ab Januar 2019 sollen außerdem die Gehälter von Hochschullehrerinnen und -lehrern steigen. Zukünftig wird keine Habilitation mehr nötig sein, um als Universitätsprofessor arbeiten zu können und das derzeitige Limit von acht Jahren zwischen der Promotion und dem Beenden der Habilitation wird gestrichen. Weiterhin sollen die Hochschulen dem Gesetzespaket zufolge mehr Flexibilität bei der Vergabe ihrer Mittel erhalten. Dazu sollen die Gelder nicht, wie bisher, direkt an einzelne Organisationseinheiten (z. B. Fakultäten) vergeben werden, sondern an die jeweilige Universität.
Der Gesetzentwurf wird nun in den Senat eingebracht und soll am 1. Oktober 2018 in Kraft treten.
Zum Nachlesen
- Science in Poland (08.07.2018): The Sejm passed the Law on Higher Education and Science, the so-called Law 2.0