Seit August hat das International Office der Universität etwa 60 Beratungsgespräche mit akademisch interessierten Flüchtlingen geführt. Judith Peltz, Leiterin Internationales und Offene Hochschule: „Die absolute Mehrheit der Ratsuchenden, etwa 90 Prozent, verfügt über eine Hochschulzugangsberechtigung oder hat bereits ein Studium im jeweiligen Heimatland abgeschlossen. Sie haben großes Interesse, in Deutschland ein Studium oder einen entsprechenden Anpassungslehrgang zu absolvieren. Dafür fehlen allen jedoch die notwendigen Sprachkenntnisse. Hier arbeiten wir nun mit der Kreisvolkshochschule daran, die nötigen Kenntnisse zu vermitteln. Die an der Universität erworbenen Sprachkenntnisse der ersten Kurse sollen zunächst dort erweitert werden. Ziel ist es, binnen eines Jahres das für ein Studium mindestens notwendige Sprachniveau B2 zu erreichen.“
Um möglichst schnell viele Flüchtlinge in Sprachkursen zu schulen öffnet die Universität zusätzlich ab dem Wintersemester ausgewählte Lehrveranstaltungen des Sprachenzentrums aus dem Bereich „Deutsch als Fremdsprache“. Christiane Drave, Leiterin des Sprachenzentrums: „Zur Auswahl der geeigneten Kurse ist ein Einstufungstest erforderlich. Seit Mitte August haben bereits zwei Dutzend Flüchtlinge daran teilgenommen und werden ab Mitte Oktober unsere Sprachkurse besuchen. Bei der Auswahl der Teilnehmenden arbeiten wir eng mit den Flüchtlingssozialarbeiterinnen und -sozialarbeitern des Landkreises zusammen.“
Der Landkreis Vechta hat ein umfassendes Konzept zur Sprachförderung erstellt, in das sich die Maßnahmen der Universität einpassen. Allein in 2015 wurden für die Unterstützung von Sprachfördermaßnahmen 210.000 Euro bereitgestellt. Im kommenden Jahr sollen die Mittel auf 350.000 Euro erhöht werden. Gefördert werden Sprachangebote in allen Altersklassen – von Kindern unter sechs Jahren, beispielsweise für die Schulung von Fachkräften in Kindertagesstätten und Grundschulen, bis zu Erwachsenen mit Bleibeperspektive. Dabei sollen nach dem derzeitigen Planungsstand im Jahr 2016 15.000 Euro in die Fortbildung von Sprachlehrkräften in Zusammenarbeit mit der Universität Vechta fließen.
Ein Teil des Netzwerks im Landkreis ist auch das Zentrum für Lehrerbildung (ZfLB) der Universität Vechta. Das ZfLB hat ein Projekt zur Sprachlernunterstützung aufgelegt. Es begleitet Studierende des Bachelorstudiengangs Combined Studies, die im Rahmen ihres sechswöchigen Orientierungspraktikums geflüchtete Kinder, Jugendliche und Erwachsene beim Erwerb der deutschen Sprache fördern. Die Studierenden werden in Blockveranstaltungen im Bereich Deutsch als Zweitsprache geschult, im Verlauf des Projekts begleitet und allgemein auf die Arbeit mit Flüchtlingen vorbereitet.
Zum aktuellen Wintersemester hat die Universität Vechta ihr Gasthörerstudium neu aufgelegt. Annähernd 100 Lehrveranstaltungen sind für Gasthörende geöffnet, darunter auch englischsprachige Seminare und Vorlesungen. Interessierte können unabhängig von formalen Voraussetzungen, wie z.B. dem Schulabschluss, teilnehmen. Die Gebühren des Gasthörerstudiums können auf Antrag reduziert oder erlassen werden. Flüchtlinge, die sich am Gasthörerstudium beteiligen, werden auf Wunsch von studentischen MentorInnen begleitet.
Ferner betreibt die Universität Vechta Forschung zu Thematiken im Kontext Flüchtlingsströme. So untersucht u.a. Prof. Dr. Nadia Kutscher (Fach Soziale Arbeit) in Kooperation mit dem Deutschen Kinderhilfswerk, wie unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge digitale Medien nutzen, um Kontakte mit dem Herkunftskontext aufrechtzuerhalten, neue Kontakte zu knüpfen, sich im Aufnahmeland zu orientieren und nach Unterstützungsmöglichkeiten zu suchen. In der Planung befindet sich weiter ein Projekt der Erziehungswissenschaften (Prof. Dr. Margit Stein) zur Weiterführung des regionalen Jugendberichts für den Landkreis Vechta bzw. für die Region Oldenburger Münsterland. Der Schwerpunkt soll hierbei auf einer Bedarfsanalyse für Jugendliche und junge Erwachsene mit Migrationshintergrund und für Flüchtlinge in dieser Lebensphase liegen. Das Projekt „Umbrüche gestalten“, durchgeführt vom Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache und neun niedersächsischen Hochschulen, befasst sich mit der Erstellung eines Qualifizierungsangebots zu Sprachförderung für Lehramtsstudierende. Auch hier soll der Aspekt der Förderung von Flüchtlingen, speziell Erwachsenen, eingearbeitet werden. Federführend in Vechta ist Prof. Dr. Wilfried Wittstruck (Fach Germanistik).
Flankierend ist die Universität auch Ansprechpartner für das Sammeln von Geldspenden. Daraus werden z.B. Fahrkarten für Flüchtlinge gezahlt, die an einem Sprachkurs oder dem Gasthörerstudium teilnehmen. Die Abwicklung erfolgt über die Universitätsgesellschaft.
Auf studentischer Seite haben sich zahlreiche Aktivitäten formiert. Beteiligt sich daran der Allgemeine Studierendenausschuss, das Studierendenparlament, die Kirche am Campus mit evangelischer und katholischer Hochschulgemeinde sowie die muslimische Hochschulgemeinde. Das entstandene Projekt „Refugees CommUNIty“ umfasst rund 80 Aktive aus unterschiedlichsten Studiengängen und auch einige Lehrende der Universität. Offizieller Startschuss ist das nun beginnende Wintersemester. Das Projekt ist in fünf Bereichen aktiv:
- Sprachkurse,
- Spendenorganisation,
- Freizeitaktivitäten,
- Alltag, z.B. Behördengänge und
- Öffentlichkeitsarbeit.
In ihren Aktivitäten kooperieren die Studierenden mit der Flüchtlingsbeauftragten der Stadt Vechta und der Migrationsberatung des Caritas-Sozialwerks Lohne. „Wir wollen eine Willkommenskultur und interkulturellen Austausch schaffen“, sagt Nuri Gören, einer der Mitbegründer von Refugees CommUNIty. „Durch unsere Aktivitäten können wir das Bewusstsein der Menschen ändern und hoffentlich Ängste und Vorbehalte gegenüber Geflüchteten abbauen.“ Janine Tyzak, verantwortlich in der Gruppe Spendenorganisation, ergänzt: „Es geht uns darum, Verantwortung für unsere Mitmenschen zu übernehmen und Hilfe zu leisten, unabhängig von politischen Rangeleien. Jeder und jede kann helfen!“
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