2009 erhielten die ersten französischen Universitäten per Gesetz erweiterte Handlungskompetenzen. Mittlerweile dürfen alle 68 Universitäten auf Basis sogenannten LRU-Gesetzes (Loi relative aux libertés et responsabilités des universités) insbesondere ihr Personalbudget selbst verwalten und Personalentscheidungen eigenständig treffen. Beides wurde vorher zentral vom Ministerium für Hochschulbildung, Forschung und Innovation MESRI (Ministère de l’enseignement supérieur, de la recherche et de l’innovation) übernommen bzw. musste von diesem gebilligt werden. Auch im Bereich der Studienangebote haben die französischen Universitäten heute spürbar größere Freiheiten. Die Drittmittel-Einwerbung hat sich stark entwickelt und den Einrichtungen mehr Handlungsspielraum verschafft. Vor allem die Exzellenzinitiative Idex und ihre zugehörigen Ausschreibungen beispielsweise für Forschungscluster oder Doktorandenkollegs wurde auf der aktuellen Jahrestagung der französischen Hochschulrektorenkonferenz CPU (Conférence des présidents d’université) am 21. und 22. März als Erfolg gewertet.
Wie die Präsidentinnen und Präsidenten deutlich machten, sei die größte Herausforderung nach wie vor der Spagat zwischen einerseits der Entwicklung als eigenständige Einrichtung mit eigener Strategie und andererseits der Aufgabenerfüllung als öffentlicher Dienstleister. Viele Redner wünschten sich mehr Vertrauen vom Staat, dass die Universitäten die für sie besten Entscheidungen, auch bezüglich der Mittelverwendung, selbstständig und eigenverantwortlich treffen können. Wie das Online-Magazin Educpros.fr berichtet, mischen sich staatliche Einrichtungen auch weiterhin immer wieder bis in kleinste Details ins Alltagsgeschäft ein. So habe das MESRI beispielsweise noch im Februar 2019 an alle Universitäten ein identisches, 18-seitiges Dokument verschickt, in dem „fast bis aufs Komma genau“ dargelegt wurde, wie das Budget für die an jeder Universität vorhandenen Gesundheitszentren zu verwenden sei. „Wir sind genervt dass wir ständig Ministeriumsrundschreiben für alles Mögliche erhalten. Nicht alles kann in der Rue Descartes [Sitz des MESRI, A.d.R.] entschieden werden. Die Autonomie ist keine dezentralisierte Bürokratie.“, zitiert Educpros.fr den CPU-Präsidenten Gilles Roussel. 2017 landete Frankreich in einer Untersuchung der EUA (European University Association) zur Hochschulautonomie entsprechend auf Platz 22 von 29. Insbesondere in den Bereichen mehrjährige Haushaltsplanung aber auch der Möglichkeit einen Kredit aufzunehmen oder der Festlegung der Höhe der Immatrikulationsgebühren liege Frankreich zurück. Bisher haben zudem nur wenige Universitäten die im LRU-Gesetz vorgesehene Hoheit über ihren Immobilienbestand erhalten.
Die zuständige Ministerin Frédérique Vidal, selbst Hochschulprofessorin und ehemalige Universitätspräsidentin, lenkte bei der Tagung ein. Es sei noch nicht alles erreicht und es komme noch vor, dass der Staat Dinge anstelle der Universitäten erledigen wolle. Im Dialog mit den Hochschulen werde die Autonomie aber stetig weiterentwickelt.
Die Universitätspräsidenten betonten auf der anderen Seite, ihre Einrichtungen seien bereit, Verantwortung zu übernehmen und sich den Herausforderungen der kommenden Jahre wie Digitalisierung, Klimawandel oder Sicherheit zu stellen. Auch sollen das Innovationspotential und das pädagogische Engagement der Hochschullehrenden besser gewürdigt und Forschungsprojekte in Zusammenarbeit mit den außeruniversitären Forschungseinrichtungen und europäischen wie internationalen Partnern unbürokratischer umgesetzt werden können.
Die CPU will dem MESRI die auf der Tagung formulierten Vorschläge für die Weiterentwicklung der Autonomie in Kürze vorlegen.
Zum Nachlesen
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Educpros.fr (27.03.2019): Les universités en quête d'autonomie réelle