Überblick zur Kooperation mit Deutschland: Brasilien
Für Brasilien hat die Zusammenarbeit mit Deutschland in Bildung und Forschung einen hohen Stellenwert. Als Zielland für brasilianische Studierende wie auch als Ko-Publikationsland für wissenschaftliche Veröffentlichungen platziert sich Deutschland unter den Top 5 (siehe vorheriger Abschnitt).
Seit der Unterzeichnung des Regierungsabkommens zur wissenschaftlich-technologischen Zusammenarbeit im Jahr 1969 haben sich zahlreiche und weitgefächerte Kooperationen entwickelt. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) stellt über seine internationale Abteilung Mittel für projektbezogene Mobilität von Forschenden sowie für Sondierungs- und Vernetzungsaktivitäten mit Brasilien bereit.
Seit Dezember 2022 legt eine neue Rahmenbekanntmachung zur WTZ mit Lateinamerika (Webseite BMBF) maßgebliche Eckpunkte zu Zielen, Förderinstrumenten (beispielsweise Mobilität, Forschungsgruppen, Partnerstrukturen) und inhaltlichen Schwerpunkten fest. Anträge können auf der Grundlage spezifischer Förderaufrufe gestellt werden, die das BMBF seit Ende 2022 zu verschiedenen Ländern und Themen publiziert. Aus einem Förderaufruf im Rahmen von EUREKA-Globalstars werden seit Anfang 2024 zwei Projekte gemeinsam mit Brasilien gefördert. Die Innovationsvorhaben entwickeln auf künstlicher Intelligenz basierte Lösungen für Verkehr und saubere Luft in Städten. Zwei weitere, Ende 2023 veröffentlichte Förderaufrufe decken ebenfalls Kooperationen mit Brasilien ab: Ein Aufruf zur Förderung von langfristigen Partnerstrukturen für Forschung und Innovation in Lateinamerika sowie ein Aufruf zur Förderung von Sondierungs- und Vernetzungsmaßnahmen mit Partnern in Lateinamerika und der Karibik.
In den BMBF-Fachabteilungen werden etwa 20 FuE-Verbundprojekte des BMBF in Kooperation mit Brasilien finanziert. Im Rahmen der BMBF-Fördermaßnahme "Bioökonomie International" ist Brasilien eines der Schwerpunktländer, dazu kommen Forschungsprojekte zu Rohstoffen, Biodiversität, Ozeanen und Klima (Überblick zu bilateralen und multilateralen Projekten mit einer Förderung des BMBF).
Das BMBF beteiligt sich auch an Förderbekanntmachungen der EU-CELAC-Interessengruppe (siehe unter Überblick zur internationalen Kooperation). Auf Initiative des BMBF und des argentinischen Ministeriums für Wissenschaft, MINCYT wurde die so genannte „EU-CELAC Interest Group“ ins Leben gerufen. DieGruppe vereinigt Förderorganisationen aus Lateinamerika, den Karibischen Ländern sowie aus der EU und den Mitgliedsstaaten. Die EU-CELAC IG wird seit 2018 vom DLR-PT und der spanischen Stiftung für Wissenschaft und Technologie (FECYT) koordiniert. Die Gruppe fördert gemeinsame bi-regionale Kooperationsaktivitäten in Forschung, Wissenschaft und Innovation.
Die bilaterale WTZ wird auch vor dem Hintergrund der starken Präsenz deutscher Unternehmen in Brasilien durchgeführt. Unter den deutschen Unternehmen, die in Forschung und Entwicklung (FuE) in Brasilien investieren, heben sich Siemens, Bosch und Bayer hervor (Weitere Informationen zu den FuE-Aktivitäten deutscher Unternehmen in Brasilien). Die Deutsch-Brasilianische Industrie- und Handelskammer (AHK Brasilien) ist im Land mit drei Hauptniederlassungen (AHKs São Paulo, Rio de Janeiro und Porto Alegre) und weiteren Nebenstellen vertreten. Sie unterstützt auch die Bestrebungen deutscher Unternehmen, Ausbildungen nach deutschem Standard als duale Ausbildungen in Betrieb und Schule durchzuführen.
Deutsche Hochschulen sind wichtige internationale Partner der brasilianischen Universitäten. Der Hochschulkompass der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) weist derzeit 660 offizielle Kooperationen zwischen Deutschland und Brasilien aus. 188 deutsche Hochschulen kooperieren mit 127 brasilianischen Hochschulen und 9 sonstigen Einrichtungen (Stand: 08/2024). Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) hat 2017 die Gründung des Deutsch-Brasilianischen Netzwerks für die Internationalisierung der Hochschulbildung (Rede Brasil-Alemanha Internacionalização do Ensino Superior, Rebralint) gefördert, für das sich eine Gruppe deutscher und brasilianischer Hochschullehrkräfte engagiert. Unter den Bundesländern ist Bayern, dessen Partnerregion São Paulo ist, besonders aktiv in der Kooperation mit Brasilien. Die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) beherbergt seit 2007 das Bayerische Hochschulzentrum für Lateinamerika (BAYLAT), das die Vernetzung von bayerischen und lateinamerikanischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen fördert.
Eine Hochschule, die sich auf brasilianischer Seite in der Kooperation mit Deutschland engagiert, ist die Universidade Federal do Rio Grande do Sul (UFRGS). Seit 2017 besteht mit einer Förderung des DAAD ein Zentrum für Deutschland- und Europastudien in Porto Alegre. Das Zentrum wird von der UFRGS sowie der päpstlich-katholischen Pontifícia Universidade Católica do Rio Grande do Sul (PUC-RS) gefördert und getragen.
Die Universität von Santa Catarina (UFSC) koordiniert zusammen mit der Universität Bremen die „Collaborative Research Initiative Smart Connected Manufacturing“ – CRI-SCMfg. Die Initiative besteht seit 2020 und bearbeitet Forschungsthemen aus den Bereichen Produktionstechnologie, Digitalisierung und „Industry 4.0“. Bisher gab es drei Ausschreibungsrunden. Projekte werden von der DFG und der brasilianischen CAPES gefördert. CRI-SCMfg ist eine Nachfolgeinitiative zum Forschungsprogramm BRAGECRIM (Brazilian German Collaborative Research Initiative on Manufacturing Technology), in dem von DFG und CAPES über 11 Jahre hinweg 29 gemeinsame Produktionstechnologie-Projekte gefördert wurden und das 2019 abgeschlossen wurde.
Die internationale Mobilität von und nach Brasilien wird durch den DAAD, die DFG sowie die Alexander von Humboldt-Stiftung (AvH) gefördert.
2023 (in Klammern die Zahlen für 2019 Pre-Covid) hat der DAAD unter eigenen Programmen Förderung für einen Aufenthalt in Brasilien an 348 (647) Studierende und Graduierte (inkl. Promovierende, Statusgruppen I-III) und 153 (230) Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Hochschullehrkräfte (inkl. Post-Docs, Statusgruppe IV) aus Deutschland vergeben. In den gleichen Kategorien erhielten 796 (816) und 195 (147) Geförderte aus Brasilien eine Unterstützung des DAAD, um eine Aktivität im eigenen Land oder einen Auslandsaufenthalt, darunter auch Deutschlandaufenthalte, zu finanzieren.
Der DAAD führt auch die Geschäfte des Deutsche Wissenschafts- und Innovationshauses São Paulo (DWIH-SP, siehe unten). Er pflegt eine langjährige Zusammenarbeit mit der Förderagentur für Hochschulbildung, CAPES und dem Nationalen Forschungs- und Technologierat CNPq. Mit beiden Agenturen gibt es mehrere Abkommen und gemeinsame Auswahlverfahren. Um die CAPES-PRINT-Initiative (siehe vorheriger Abschnitt) zu unterstützen, hat der DAAD Stipendien für Forschungsaufenthalte an brasilianischen Hochschulen aufgelegt. Bedingung hierfür ist eine strategische Partnerschaft zwischen der deutschen Heimatuniversität der Promovierenden und der brasilianischen Institution. Seit 2018 besteht einAbkommen zwischen dem DAAD und der renommierten brasilianischen Stiftung zur Forschungsförderung im Bundesstaat São Paulo (Fundação de Amparo à Pesquisa do Estado de São Paul, FAPESP). Das Abkommen ermöglicht die Finanzierung von bilateralen Projekten über zwei Jahre, die gemeinsam von Forschungsteams in Deutschland und in São Paulo in allen Wissensgebieten durchgeführt werden.
Die AvH fördert Spitzenwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aller Fächer und Länder, die mit Hilfe von Forschungsstipendien und -preisen in Deutschland tätig werden. Dank einer besonderen Vereinbarung mit der Förderagentur für Hochschulbildung CAPES finanzieren die AvH und CAPES gemeinsam das Capes-Humboldt-Forschungsstipendienprogramm, das in Brasilien das Humboldt-Forschungsstipendienprogramm ersetzt. 2023 vergab die AvH 27 Forschungsstipendien an Geförderte aus Brasilien.
DFG und CAPES kooperieren seit 1995 und führen gemeinsame Ausschreibungen durch, zuletzt im Bereich Rechtswissenschaften und Produktionstechnologien (s.o.). Die DFG förderte von 2011 bis 2020 gemeinsam mit der FAPESP das Internationale Graduiertenkolleg „Dynamische Phänomene in komplexen Netzwerken: Grundlagen und Anwendungen". Mit FAPEMIG in Minas Gerais können ebenfalls gemeinsame Projekte gefördert werden.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat zwei gemeinsame Ausschreibungen für deutsch-brasilianische Kooperationsprojekte von kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) unter dem Zentralen Innovationsprogramm (ZIM) durchgeführt. Seit 2020 ist Brasilien Mitglied des Fördernetzwerks IraSME (International research activities by small and medium-sized enterprises). In diesem Netzwerk wird das Land von EMBRAPII vertreten, der staatlichen Brasilianischen Gesellschaft für Forschung und Industrielle Innovation.
Die großen deutschen Forschungsorganisationen Max-Planck-Gesellschaft (MPG) und die Fraunhofer-Gesellschaft (FhG) sind vor Ort in Brasilien präsent (siehe unten). Für die FhG ist Brasilien ein wichtiger Markt. Fraunhofer-Einrichtungen, wie das Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK) waren unter anderem in die Beratung beim Aufbau neuer Innovationsstrukturen in Brasilien mit einbezogen (siehe unter Forschungs- und innovationspolitische Ziele und Programme). 2023 beherbergte die MPG 227 brasilianische Nachwuchs- und Gastforschende und sie führte 56 Projekte mit Partnern in Brasilien durch (Portal MPG Lateinamerika – Brasilien). Verschiedene Zentren der Helmholtz-Gemeinschaft arbeiten, zum Teil seit vielen Jahren und in zahlreichen Projekten mit brasilianischen Partnern zusammen.
Es folgt eine Auswahl von Einrichtungen vor Ort, die die deutsch-brasilianische Kooperation tragen und unterstützen:
- Das Deutsche Wissenschafts- und Innovationshaus São Paulo (DWIH-SP) wurde 2012 eröffnet. Zu den Unterstützern zählen deutsche Förderagenturen, Forschungseinrichtungen und Hochschulen, wie zum Beispiel die Freie Universität Berlin (FU Berlin) oder die Technische Universität München (TUM). Die Geschäftsführung liegt beim DAAD. Das DWIH-SP informiert über deutsche Wissenschaft und Forschung und wirbt in Brasilien für die Zusammenarbeit mit innovativen deutschen Organisationen und Firmen. Es ist in direkter Nachbarschaft zur Hauptgeschäftsstelle der Deutsch-Brasilianischen Industrie- und Handelskammer (AHK Brasilien) untergebracht und kooperiert eng mit dieser.
- Die DAAD-Außenstelle Rio de Janeiro, wurde 1971 gegründet.
- Seit 2017 wird „Mecila“, ein Maria Sibylla Merian International Centre for Advanced Studies in the Humanities and Social Sciences vom BMBF gefördert. Unter dem Oberthema „Conviviality in Unequal Societies: Perspectives from Latin America“ untersucht Mecila Formen und Konflikte des sozialen, politischen, religiösen und kulturellen Zusammenlebens in Lateinamerika und der Karibik unter Ungleichheitsbedingungen. Der Hauptsitz des Forschungszentrums befindet sich an der Universität von São Paulo, wo auch seine Hauptaktivitäten stattfinden. Die Koordination auf deutscher Seite hat die Freie Universität Berlin inne. Die gleichberechtigten Partner in Deutschland, Argentinien und Mexiko tragen dazu bei, die Aktivitäten des Zentrums regional zu streuen und sichtbarer zu machen.
- Das Fraunhofer Liaison Office in São Paulo, das 2012 gegründet wurde, befindet sich im selben Gebäude wie das DWIH und die AHK.
- Mit der Einrichtung eines „Fraunhofer IPK Project Office for Advanced Manufacturing“ in den Räumlichkeiten des Aeronautics Institute of Technology (ITA) im Jahr 2023 in São Jose dos Campos soll die vorteilhafte Projektabwicklung über die ITA Forschungsstiftung vor Ort beworben werden. Die strategische Zusammenarbeit zielt unter anderem darauf ab, die Akquisition und Durchführung strategischer F&E-Projekte mit der brasilianischen Industrie in Marktsegmenten wie Luft- und Raumfahrt, Automobil, Öl und Gas, Energie und Metallverarbeitung sowie im Agrarsektor zu ermöglichen.
- Das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung – IVV hat mit der „Fraunhofer Innovation Platform for New Food Systems“ (FIP-NFS@ITAL) am Lebensmitteltechnologieinstitut ITAL in Campinas (Bundesstaat São Paulo, Brasilien) seit 2013 eine Arbeitsgruppe installiert, die sich mit der Verarbeitung hochwertiger Rohstoffe und Lebensmittel sowie mit der Nutzung von biogenen Roh- und Reststoffen für industrielle Anwendungen befasst.
- Ein Flaggschiffprojekt der deutsch-brasilianischen Kooperation in der Grundlagenforschung ist der 325 Meter hohe Klimamessturm Amazon Tall Tower Observatory (ATTO), an dem das Max-Planck-Institut für Chemie, das Max-Planck-Institut für Biogeochemie, das brasilianische Bundesinstitut für Amazonasforschung INPA (Instituto Nacional de Pesquisas da Amazônia) und die Universität des Staates Amazonas (Universidade do Estado do Amazonas, UEA) beteiligt sind. Ziel ist es, mit Hilfe von neuen Messdaten Rückschlüsse zur Bedeutung des Regenwaldes für die Chemie und Physik der Atmosphäre zu ziehen. ATTO wurde 2015 in Betrieb genommen. Das BMBF fördert die Initiative ATTO seit 2010 mit bisher circa 14 Millionen Euro inklusive der Aktivitäten der Max-Planck-Gesellschaft.
Weitere Informationen
Abkommen
Bekanntmachungen
Links/Institutionen
- DWIH - Deutsches Wissenschafts- und Innovationshaus São Paulo
- DAAD: Brasilien – Länder- und Programminformationen zu Hochschulen
- BAYLAT - Bayerisches Hochschulzentrum für Lateinamerika
- BRAGECRIM - Brazilian-German Collaborative Research Initiative on Smart Connected Manufacturing
- Fraunhofer weltweit: Brasilien – Programminformationen
- AHK - Deutsch-Brasilianische Industrie-und Handelskammer
- BIBB-GOVET: Brasilien – Länder- und Projektinformationen zur Berufsbildung