Politische Zielsetzungen und Programme: Indien
Bildungspolitische Ziele und Programme
Die grundlegendsten bildungspolitischen Ziele wurden in der NPE als Vorgängerin der aktuellen „National Education Policy (NEP)“ festgelegt. Die bildungspolitischen Ziele der NPE decken von der Elementarbildung über die Sekundarbildung bis zur Hochschulbildung, sowohl in ländlichen als auch in den städtischen Gegenden Indiens, alle Bereiche der Bildung ab. Sie unterstreicht folgende drei Schwerpunkte in Bezug auf die Elementarbildung: (1) universeller Zugang zu Bildung, (2) universelle Schulpflicht für Kinder bis 14 Jahre sowie (3) die Verbesserung der Bildungsqualität. 2010 trat der „The Right of Children to Free and Compulsory Education (RTE) Act“ von 2009 in Kraft.
Die Regierung Modi strebt eine grundlegende Reform des indischen Bildungswesens an. Insbesondere die Berufsbildung soll verbessert und ausgebaut werden. Dazu hat das 2015 neu gegründete Ministerium für Qualifizierung und Unternehmertum (MSDE) das zentrale Strategiedokument „National Policy for Skill Development and Entrepreneurship" veröffentlicht. Das MSDE schätzt, dass zwischen 2015 und 2022 jedes Jahr etwa 16 Millionen junge Menschen in Indien die Schule beenden und Arbeit suchen. Nur für einen Bruchteil kommt der Besuch einer Hochschule infrage. Vor diesem Hintergrund bemüht sich das Ministerium, so schnell wie möglich einen Rahmen für ein nationales Berufsbildungssystem aufzubauen. Insgesamt sollen bis zum Jahr 2022 104 Millionen Neuankömmlinge für den Arbeitsmarkt geschult werden und zudem knapp 300 Millionen älteren Arbeitskräften ohne formelle Berufsbildung eine Aus-/Weiterbildungsmöglichkeit vermittelt werden.
Dennoch bleiben Zweifel, ob der indische Arbeitsmarkt alle Neuankömmlinge integrieren kann: Daher wird die Gründung von Start-Up-Unternehmen durch das MSDE besonders gefördert. Zudem wird die indische Jugend ermutigt, eine Beschäftigung im Ausland zu suchen, primär in jenen Industrieländern, die aufgrund von Überalterung an einem Fachkräftemangel leiden. Zudem kündigte die indische Regierung 2017 an, insgesamt 50 „India International Skills Centres" (IISC) aufzubauen.
In der „Strategy for New India@75“ wurden bildungspolitische Ziele für den Zeitraum von 2018-22 formuliert (S. 111-125). Demnach war eine Steigerung der Immatrikulationsquote und ein Ausbau des Hochschulsektors geplant. Darüber hinaus erhalten als „Institutions of Eminence" 8 öffentliche und 4 private indische Hochschulen eine besondere Förderung, um Lehre und Forschung von Weltklasse zu fördern.
Unter Präsident Modi wurde im Juli 2020 die „National Education Policy 2020" (NEP 2020) wirksam, die nach 34 Jahren die letzte Bildungsreform Indiens ersetzt hat. Mit dem Ziel, Indien zu einer globalen „knowledge superpower“ zu erheben, sind im gesamten Bildungssystem Umstrukturierungen geplant. In Schulen soll eine Umstrukturierung von Lehrplan und Pädagogik in einem neuen 5+3+3+4-Konzept durchgeführt werden, um eine ganzheitliche Bildung zu ermöglichen, sowie die Lehrkräfteausbildung verbessert werden. Dazu soll die Bedeutung von Berufsbildung einen höheren Stellenwert erhalten. Möglichkeiten zur Berufsbildung sollen sowohl in Sekundarschulen als auch in die Hochschulbildung integriert werden, so dass bis 2025 mindestens 50 Prozent aller Lernenden Erfahrungen in diesem Bereich gemacht haben sollen.
Im Bereich der Hochschulbildung sind wichtige Punkte die Reform der Struktur der indischen Hochschullandschaft und der Hochschulregulierung sowie die interdisziplinäre Ausrichtung und Internationalisierung von Hochschulen (siehe unter Internationale Programmatik).
„Ein wichtiges Ziel ist es, die starke Fragmentierung der Hochschullandschaft aufzuheben, indem bis 2040 kleinere Hochschulen zu großen Universitäten, Colleges und Hochschulcluster mit einem breiten Fächerprofil und einer Mindestzahl von 3.000 eingeschriebenen Studierenden umstrukturiert werden. Durch diese Mindestgröße soll ein Austausch zwischen Studierenden verschiedener Fachbereiche ermöglicht und interdisziplinäre Forschung angestoßen werden – beides im Sinne einer Förderung der Kreativität. Die Universitäten sollen unterschiedlichen Kategorien zugeordnet werden: Forschungsintensive Universitäten, die etwa gleichermaßen Wert auf Lehre als auch Forschung legen und lehrintensive Universitäten, die den Fokus auf die Lehre legen, jedoch auch bedeutende Forschung betreiben. Eine weitere Kategorie sind die Autonomous degree-granting colleges, die sich auf die multidisziplinäre Lehre auf Bachelor-Ebene konzentrieren.“ (Quelle: 3. APRA-Bericht 2021, S. 44).
Durch einen landesweiten Ausbau dieser multidisziplinären Hochschulen soll bis 2035 Brutto-Immatrikulationsquote (Gross Enrolment Ratio) von 50 Prozent erreicht werden (aktuell 26,3 Prozent).
Die indische Regierung informiert über den Stand der Umsetzung von NEP 2020 (Stand Juli 2023). Bisher wurden diverse Richtlinien und Regulierungen zum Erreichen dieser Reformpläne eingeführt, noch ist allerdings unklar, was die genauen Auswirkungen sind. Nennenswert sind hierbei Regulierungen für mehr akademische Kollaboration zwischen indischen und internationalen Hochschulen und Richtlinien für verstärkte Multidisziplinarität in Bildung und Forschung, die beide 2022 in Kraft getreten sind (Überblick Richtlinien unter NEP 2020).
Weitere Informationen
Links/Institutionen
Forschungs- und Innovationspolitische Ziele und Programme
Die „Strategy for New India@75“, die von Niti Aayog im Oktober 2018 veröffentlicht wurde, gab forschungs- und innovationspolitische Ziele für den Zeitraum von 2018-22 vor (S. 16-19). Sie hielt an dem schon früher formulierten Ziel fest, in Indien einen Anteil der gesamten Ausgaben für Forschung und Entwicklung (FuE) am Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 2 Prozent zu erreichen. Außerdem sollte Indien 2022/23 unter den TOP 50-Ländern des Global Innovation Index (GII) platziert sein. Dieses Ziel wurde erreicht, 2023 belegt Indien den 40. Rang und gehört zu der Gruppe von Ländern, die im letzten Jahrzehnt am schnellsten in der GII-Rangliste aufgestiegen sind (siehe Länderanalyse Indien im GII 2023).
Die „National Education Policy 2020" (NEP 2020) beinhaltet Ziele mit starkem Forschungs- und Innovationsbezug, so z.B. durch die geplante Schaffung von Forschungsuniversitäten (siehe vorheriger Abschnitt). Mit dem Etablieren von Forschungs- und Entwicklungszentren für neue Technologien an Hochschulen soll eine stärkere Verbindung zwischen Industrie und Hochschulen sowie interdisziplinäre Forschung ermöglicht werden (siehe Guidelines for the establishment of Research & Development Cell (RDC) in Universities and Colleges, März 2022). Zudem wurde 2023 eine neue Forschungsförderorganisation, die Anusandhan National Research Foundation (ANRF) gegründet (siehe Abschnitt Forschungs- und Förderorganisationen).
Das Department für Wissenschaft und Technologie (DST) sowie das Office of the Principal Scientific Adviser (PSA) streben an, durch einen bottom-up, dezentralen und inklusiven Ansatz eine ganzheitliche und pragmatische Politik für Wissenschaft, Technologie und Innovation zu erarbeiten. Im Dezember 2020 wurde der Entwurf einer neuen Richtlinie vorgelegt, die nach ihrem Inkrafttreten die von der Vorgängerregierung im Jahr 2013 formulierte STIP ersetzen soll (Entwurf Science, Technology and Innovation Policy „STIP 2020“). Der Status der Richtlinie ist derzeit unklar. Übergreifendes Ziel ist es, Indiens technologische Eigenständigkeit zu erreichen und das Land unter den ersten drei wissenschaftlichen Supermächten im kommenden Jahrzehnt zu platzieren. Die Zielsetzungen der NEP 2020 werden ausdrücklich begrüßt. Wichtige Elemente des STIP-Entwurfs sind (siehe APRA-Bericht 3/2021, S. 47):
- Schaffung eines umfassenden Open Science Rahmens;
- Förderung forschungsorientierter Universitäten für interdisziplinäre Wissenschaft, die den Bedürfnissen der Gesellschaft gerecht wird;
- Etablierung einer Wissenschafts-, Technologie- und Innovationseinheit mit einem Mindestetat in sämtlichen Ministerien und Departments der Zentralregierung, der Bundesstaaten und Gemeinden sowie alle staatlichen Unternehmen;
- Förderung der Zusammenarbeit zwischen Grassroots-Innovatoren und Wissenschaft durch gemeinsame Forschungsprojekte, Fellowships und Stipendien;
- Weiterentwicklung der Wissenschaftsdiplomatie u.a. durch eine häufigere Platzierung von Wissenschafts- und Technologie-Referenten in den indischen Botschaften im Ausland;
- Erschließung der indischen Diaspora mit dem Ziel „die besten Talente durch Stipendien, Praktika und Forschungsmöglichkeiten nach Hause zu holen“.